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Full text of "Volkbrauche und Aberglauben in der Geburtshilfe und der Pflege des Neugebornen in Ungarn Ethnographische Studien"

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Volkbräuche und Aberglauben in 
der Geburtshilfe und der Pflege ... 

Rudolf Temesväry 




ANTHROPOLOCY LIBRARY 




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Volksbräuche und Aberglauben 

in der 

Geburtshilfe 

und der 


Pflege des Neugebornen 


in Ungarn. 


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Of 



THE \ 

lks»te* ) 

Ethnographische Studien 


von 


Dr. Rudolf Temesväry, 

Frauenarzt m Budapest. 


Mit 16 Abbildungen im Text 


1 CXi i 


Leipzig. 

Th. Grieben's Verlag (L. Fernau). 
1900. 


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Inhalt. 


Seite 


Yurwi 

L 

MftllRt.roAtlATl 

V 

1 


1. Erstes Auftreten der Menstruation 1. — 2. Hygiene während der 



Menstruation 2. — 3. Menorrhagie. Amenorrhoe. Dysmenorrhoe 5. 


TT 

Sterilität. 

6 


4. Ursachen der Sterilität 6. — 5. Behandlung der Sterilität 7. — 



6. Hochzeitsgebräuche zur Erzielung von Fruchtbarkeit 10. — 



7. Sonstiger Aberglaube 10. 


HL 

Künstliche Sterilität 

12 


8. Anticonceptionelle Verfahren 12. — 9. Hoehzoitsgebräuche zur 
Erreichung von Sterilität 13. — 10. Coitus 15. — 11. Oebräuche 
während der Geburt und des Wochenbettes behufs Vermeidung 
neuerlicher Schwängerung 16. — 12. Fruchtabtreibende Mittel und 
Verfahren 17. 

IV. Schwangerschaft 21 

13. Verschiedene Gebräuche während der Schwangerschaft 21. — 

14. Diät der Schwangeren 26. — 15. Kleidung 28. — 16. Hygiene 

der Brüste 29. — 17, Vorhersagung des Geschlechts 30. — 

18. Willkürliche Knabenerzeugung 33. — 19. Das Versehen der 

Schwangeren 37. 

V. Geburt . . . . . . . 42 

20, Schutzgöttin der Geburt 42. — 21, Vorbereitungen für die Ge- 
burt 42. — 22. Stellung während des Gebärens 43. — 23. Bleidung 
der Gebärenden 48. — 24. Behandlung der Geburt 49, — 25. Ge - 
burtsanomalien 61. — 26. Behandlung der Nachgeburteperiode 61, — 

27. Nachgeburt und Eihäute 64. 

VI. Wochenbett ■ . . . . , , . . . , . , . . . . . . . fifi 

28. Wochenzimmer und Wochenbett 66. — 29. Schute gegen „böso 
Geister“, den „bösen Blick“ und das „Beschreien“ 68. — 30. Diätetik 
des Wochenbettes 83. — 31. Nachwehen 86. — 32. Hängebauch 86. 

— 33. Chloasma uterinum 88. — 34, Lochien 89. — 35. Blutungen 

während und nach der Geburt 90. — 36. Isnhurie und andere 

Wochenbettstörungen 94. — 37. Das „Milchfieber“ 95. — 38. Dauer 

des Wochenbettes 97. — 39. Erstes Bad der Wöchnerin 98. — 

40. Der erste Ausgang 99. 

1 /> o o (? 


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IV 


Salta 


VII. Das Sttagegenchllft 102 


41. Entwickelung der Brüste 102. — 42. Erstes Anlegen des Kindes. 


Colostrum 103. — 43. Stillen durch fremde Frauen 104. — 44. Kunst- 


liehe Ernährung 105. — 45. Galakt ogoga und verschiedene Ver- 
fahren zur Förderung der Milchsecretion 107. — 46. Dauer des 


Säugens 113. — 47, Pflegekinder 114. — 48. Entwöhnung. Mittel 


und Verfahren zur Verringerung der Milchsecretion 114. — 49. Masti- 
tis 119. — 50. Wunde Brustwarzen 123. 

VIII Das neugeborene Kind 

126 

51. Behandlung der Kabelschnur 126. — 52. Baden der Kinder 127. 


— 53. Lagerstätte der Kinder 130. — 54. Kleidung der Kin- 
der 136. — 55. Circumeisinn 137. — 56. Kinderkrankheiten 138. — 


57. Kinderlaufstuhle 141. 


Literatur 

143 

Text des vom Autor versandten Fragebogens 

145 

Einige Comitats-, Insel- und Städtonamen 

147 

Der Lautwerth der ungarischen Buchstaben 

148 


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Vorwort. 


Der medicinischen Geschichte, Ethnographie. Anthropologie und 
Geographie wird bei dem Studium der Medicin ein immer wachsendes 
Interesse entgegengebracht. Am stiefmütterlichsten wird von diesen 
Hilfswissenschaften noch die medicinische Ethnographie behandelt, und 
zwar namentlich die der europäischen Staaten. Die grundlegenden 
Werke von Ploss, Engelmann, Bartels, die in den Fachkreisen be- 
rechtigtes Aufsehen erregten, eröffneten uns ein interessantes Grenz- 
gebiet der Geburtshilfe und Ethnographie, und es fanden sich dann 
auch noch andere Forscher, die, von den Studien der genannten Ge- 
lehrten angeregt, sich mit den geburtshilflich- ethnographischen Ver- 
hältnissen der verschiedensten Staaten und der verschiedensten Volks- 
stämme befassten. Fast sämmtliche Welttheile wurden und werden 
noch in dieser Richtung durchforscht, nur Europa blieb so ziemlich 
aus dem Spiel, denn von Russland, einigen Balkanstaaten und einigen 
Staaten Oesterreichs abgesehen, finden wir in der Literatur thatsächlich 
kaum einige geburtshilflich-ethnographische Beobachtungen verzeichnet Es 
ist wohl wahr, dass das Fortschreiten der Civilisation der grösste Feind 
dieser Wissenschaft ist. jedoch ist auch mit grösster Wahrscheinlichkeit 
anzunehmen, dass solche Studien heute noch in sämmtlichen Staaten 
Europas von Erfolg gekrönt sein würden. Es giebt keinen Staat 
Europas, möge er auch auf der höchsten Stufe der heutigen Civilisation 
stehen, wo es nicht Orte, Gegenden, ja ganze Landstriche und Pro- 
vinzen gäbe, die wegen ihres Abseitsliegens vom Weltstrome, den 
Weltverkehrsadem und Hauptverkehrsmitteln, der Eisenbahn und der 
Schifffahrt, noch so weit von der Civilisation unberührt wären, dass Jahr- 
hunderte, ja sogar- Jahrtausende alte Traditionen sich dort nicht noch 
aufrecht erhalten hätten. In erster Reihe sind es da die Gebirgsländer 
und Gebirgsgegenden, wo wegen der erwähnten Ursachen oder auch wegen 
Mangels an fachmännischer Hilfe, an Aerzten und geschulten Heb- 
ammen, die Volksmedicin und in erster Reihe die Volksgeburtshilfe 
noch immer reiche Blüthen trägt. 


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VT 


Unbestreitbar ist es jedoch, dass der in allen civilisirten Staaten 
Europas stets intensiver betriebene geburtshilfliche Unterricht der Aerzte 
und Hebammen, sowie die stetige Zunahme dieses Heilpersonals der 
Volksgeburtshilfe immer engere Grenzen stecken. 

Und eben deshalb ist es die höchste Zeit, medicinisch- ethno- 
graphische und speciell geburtshilflich - ethnographische Studien zu 
machen. Jedes Jahr, das wir in dieser Beziehung unbenutzt verstreichen 
lassen, verringert die zu erwartende Auslese, und auch ich machte bei 
meinen diesbezüglichen Forschungen in Ungarn die Erfahrung, die 
Arbeit in zwölfter Stunde unternommen zu haben, denn, von unserer 
Haupt- und Residenzstadt Budapest ganz abgesehen, auch aus den 
grösseren Provinzstädten sowie den dem Eisenbahnverkehr nicht zu 
weit entrückten Gegenden konnte ich kaum einiges Material erhalten. 
Noch einige Jahrzehnte, und diese wahre Fundgrube medicinisch - ge- 
schichtlicher Forschung ist für die Wissenschaft gänzlich verloren. 

Und genule um die medicinische Ethnographie Ungarns wäre es 
jammerschade, denn es giebt in Europa kein zweites Land, wo so viele 
Nationalitäten, Volksstämme und Religionen vertreten wären, und wo 
es wegen der vielen Gebirge so viele Gegenden gäbe, in welche die Fackel 
der Wissenschaft und Cultur noch nicht leuchtete, wie in diesem Lande. 

Das Studium der Volksmedicin ist aber, möge sie in wissenschaft- 
licher Beziehung auf einer noch so niedrigen Stufe stehen, und möge 
sie auch noch so viele lächerliche, dumme und naive, unseren moder- 
nen Anschauungen so sehr widersprechende Daten liefern, doch nicht 
gering zu schätzen, und zwar deshalb, weil es der empfindlichste Grad- 
messer der Cultur ist, und weil ein Fortschritt in Cultur und Civilisation 
nur dort möglich ist, wo man deren gegenwärtigen Zustand, sowohl deren 
Licht- als auch und in erster Linie deren Schattenseiten kennt. Eine 
gewissenhafte Therapie setzt eine gut gekannte Anamnese und eine ge- 
naue Aufnahme des Status praesens voraus. Die Geschichte der Medicin 
und anderer Wissenschaften bildet die Anamnese, während die Volksmedi- 
cin ein wichtiger Theil des Status praesens ist, denn diese zeigt uns die 
kranken Theile, die wunden Punkte der Cultur und Civilisation am besten. 

Die Hebammenverhältnisse Ungarns lassen noch viel zu wünschen 
übrig; es ist jedoch zu hoffen, dass es den seit Jahrzehnten fortgesetzten 
Bestrebungen des Prof. v. Kezmärszky und namentlich den in neuerer 
Zeit mit edlem Feuereifer motivirten und propagirten Vorschlägen 
Prof. Tauffer’s endlich gelingen wird, Ungarn auch in dieser Beziehung 
zu einem im edelsten Sinne des Wortes modernen Staate zu machen. 


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In meinen Forschungen sali ich schon eine schönere Zukunft, eine 
Periode der von Vorartheilen. Aberglauben und Blödsinn befreiten, überall 
streng wissenschaftlich betriebenen Geburtshilfe dämmern, denn, dies 
muss ich schon hier bemerken, überall dort, wo es Aerzte und ge- 
schulte Hebammen giebt, ist auch die Volksgeburtshilfe auf den Aus- 
sterbe-Etat gesetzt, und viele der später zu schildernden Volksbräuche 
und Vorurtheile beziehen sich nicht so sehr auf die Gegenwart als auf 
eine Halbvergangenheit. Und noch Eines möchte ich hier mit etwas 
Selbstgefühl betonen. Am wenigsten grassirt die Volksgeburtshilfe in 
den von den civilisirteren. freier denkenden, nicht bigotten Ungarn, sowie 
auch von den Deutschen bewohnten Gegenden. Bei diesen Völkern sind 
wohl auch genug Vorurtheile und abergläubische Bräuche verbreitet 
jedoch sind diese zumeist unschuldigeren Charakters, und, was die Haupt- 
sache ist es herrscht bei ihnen kein solcher Horror vor dein Arzte und 
der geschulten Hebamme, wie bei den übrigen Völkern und Nationali- 
täten. Am schlechtesten fand ich die Verhältnisse bei den rumänischen, 
bulgarischen, serbischen, slowakischen und ruthenischen Bewohnern 
Ungarns. 

Meine im Folgenden mitzutheilenden Studien stellte ich auf Grund 
von etwa 12 000 Daten zusammen, die ich theils aus eigener Erfahrung 
kannte, grösstentheils jedoch mittelst Fragebögen, die mir von 120 Aerzten 
und 170 Hebammen gewissenhaft ausgefüllt zurückgesandt wurden, sowie 
aus der meinen Gegenstand behandelnden spärlichen Literatur sammelte. 

Die so gefundenen Volksbräuche und Al>erglauben lassen sich 
ziemlich leicht gruppiren, indem bei denselben hauptsächlich folgende 
Charakterzüge sich wie rothe Fäden durch sämmtliche Kapitel der 
Geburtshilfe und der Pflege des Neugeborenen ziehen: 

1. Der Glaube an überirdische, sogenannte böse Geister, Hexen, 
„bösen Blick“, Beschreiung u. s. w.; 

2. Mangelnder Reinlichkeitssinn; 

3. Unkenntniss der Bedeutung von Blutverlusten, ja sogar günstige 
Beurtheilung solcher, und 

4. Misstrauen gegen den Arzt und die fachgemäss ausgebildete, 
diplomirte Hebamme, sowie Furcht vor allen ärztlichen Eingriffen. 

Schliesslich möchte ich noch bemerken, dass ich die in Ploss- 
Bartels’ vorzüglichem Werke (Das Weih in der Natur- und Völker- 
kunde) mitgetheilten, auf Ungarn bezüglichen Daten, weil als allgemein 
bekannt voraussetzend, fast vollständig ausser Acht liess und dann, 
dass ich nur nach solchen Daten das Comitat, den Ort oder die 


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VIII 


Nationalität, auf die sie sich beziehen, erwähne, die nur in einer oder 
einigen wenigen Gegenden Vorkommen. 

Um den Lesern die Benutzung meiner Arbeit zu erleichtern, 
erlaube ich mir am Schlüsse einige wichtige Aussprache-Kegeln der 
ungarischen Sprache, sowie die deutschen Namen einiger Comitate und 
Städte mitzutheilen. 

Es ist mir endlich eine angenehme Pflicht, Herrn L Fernau 
(Th. Grieben’s Verlag) für die sorgfältige Ausstattung des Werkes 
meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. 

Budapest, Mitte December 1899. 


Dr. Rudolf Temesvary. 


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HW aST^V 

or THf ^ 


UN1VERSITY ] 
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I. Menstruation.*) 

1. Erstes Auftreten der Menstruation. 

Dem Erscheinen der ersten Menstruation als dem ersten Sym- 
bol der Weiblichkeit wird zumeist eine grosse Bedeutung beigemessen, 
da man glaubt, dass dieses das ganze zukünftige sexuelle Leben be- 
einflusse. 

Nicht mit Unrecht wird aus einer frühen Reife auf eine grössere 
Fruchtbarkeit geschlossen. Je früher die Menstruation erscheint — so 
sagt man — , desto mehr Kinder wird die Frau gebären. Anderer- 
seits heisst es auch: Wenn die erste Periode früh auftritt, bleibt sie 
auch früh aus, was bekanntlich weniger den Thatsachen entspricht. 

Bei der ersten Menstruation sind, um die späteren Menstruationen 
zu beeinflussen, verschiedene abergläubische Gewohnheiten in Ge- 
brauch. So werden die von der ersten Menstruation blutig gewor- 
denen Kleider drei Tage lang in Wasser eingeweicht, und das Wasch- 
wasser wird hierauf über die so vielte — meist dritte — Sprosse einer 
Leiter hinweggegossen, als die Blutung in Zukunft Tage dauern 
soll (Com. Pest), oder es wird die Stiege bis auf zwei Stufen mit 
in menstruelles Blut getauchten Tüchern aufgewaschen (Com. Bekes), 
oder aber es werden die von der ersten Periode blutig gewordenen 
Kleider nicht ausgewaschen, sondern während der zweiten Men- 
struation in demselben blutigen Zustande wieder angezogen, damit 
die Periode nur zwei Tage dauere. 

Im Comitat F eher wäscht man das erste blutige Hemd mit 4, 
im Com. Somogy mit 3, in Szabadka mit 1 — 4 Fingern rein, damit 
die monatliche Blutung ebenso viele Tage dauere. Aus demselben 

*) Die Menstruation hat im Ungarischen folgende Bezeichnungen: Monats- 
zahl, monatliche Reinigung oder bloss Reinigung, monatliches Leiden, monatliche 
Ordnung, monatliche Fluth, Festtag. 

Temesv&ry, VotksbrZuche. 1 


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2 


Grunde werden im Com. ßacs (Schokazen) die ersten Blutstropfen in 
etwas Wasser mit 4 Fingern ausgewaschen und zwischen 4 Nägeln 
au8einandergeriebeu. 

Eine sonderbare Sitte herrscht noch an mehreren Orten anläss- 
lich des Erscheinens der ersten Blutung. Die Mutter schlägt näm- 
lich das Mädchen auf beide Wangen, damit sein Gesicht stets so 
roth sei. wie nach dem Schlage. Man sagt: „Wie ihr Gesicht durch 
die Watschen geröthet ist, so bleibt sie immer roth, bis in den Tod.“ 
(Com. Gömör und Krassö-Szöreny.) 

Man misst dem ersten Blut auch einen cosmetischen Werth bei. 
Wenn das Mädchen mit einem von der ersten Menstruation blutig 
gewordenen Tuche sein Gesicht abwischt, bekommt es nie Sommer- 
sprossen; auch gegen Leberflecken wird das erste menstruelle Blut 
für wirksam gehalten (Szabadka). 

Als poetisch muss jene Sitte bezeichnet werden, wo das Mäd- 
chen mit dem ersten Tropfen Blut einen Rosenstock begiesst, da- 
mit sein Gesicht stets so roth wie die Rose bleibe (Com. Häromszek, 
Esztergom, Somogy, Pest); zu diesem Zwecke sucht man einen ein- 
ästigen Rosenstock oder Baum aus, damit die Frau nie mehr als 
ein Kind bekomme (Gödöllö). 

Die Ungarn des Com. Esztergom glauben, dass, wenn man mit 
dem Wasser, in welchem die blutigen Kleider ausgewaschen wurden, 
vormittags den Rosenstock begiesst, das betreffende Mädchen ein 
lediger junger Mann heirathen werde, dass es dagegen einen Wittwer 
zum Manne bekäme, wenn der Rosenstock nachmittags begossen wird. 

Der ersten Menstruation misst man auch eine befruchtende 
Wirkung bei ; deshalb wird das durch die Periode blutig gewordene 
Hemd für sich gewaschen und werden dann mit dem blutigen Wasser 
die unfruchtbaren Obstbäume begossen, damit sie Obst tragen. 
(Com. Arva.) 

Die Rumäninnen wischen sich mit dem blutigen Hemde, bevor es 
ausgewaschen wird, die Augen aus, um stets ein scharfes Auge auf 
das Hausgesinde zu haben. 

2. Hygiene während der Menstruation. 

Was die späteren Menstruationen anbelangt, so besteht das Be- 
streben, nicht viel Blut zu verlieren. Deshalb wäscht man sich wäh- 
rend der Periode nicht, insbesondere nicht den Unterleib, und wechselt 
während derselben nicht die Wäsche. Dies wird auch deshalb gethan, 


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3 


um nicht frühzeitig zu altern. Das Baden ist darum verboten, weil man 
glaubt, dass „das Blut der Frau mit dem Wasser schwinde“. Des-, 
halb ist das Baden auch nach der Menstruation verboten. Zum 
Waschen der Wäsche wird stets nur wenig Wasser verwendet. 

Während der Menstruation koche die Frau kein Obst oder Kraut 
ein, auch keine Gurken, Paradiesäpfel etc., da dies alles zu Grunde 
gehen würde (Rumänen in Erdely). 

Wenn das Brot ausgegangen ist, so darf aus demselben Grund 
kein frisches gebacken werden. 

Die Rumäninnen gehen während der Menstruation nicht aus 
dem Hause und sprechen wenig. 

Damit die menstruelle Blutung stets nur „einen Tag und eine 
Nacht“ dauere, wird auf die Stirn der Frau mit dem ersten Tropfen 
Blut ein Kreuz gemacht, oder es wird das Gesicht mit Blut be- 
strichen und ein Knabe gerufen, dem man auf seine Frage, was 
denn das sei, antwortet: „Ein Tag und eine Nacht“ (Com. Temes 
und Torontäl). Andere tauchen einen Kreuzer in das Blut, damit 
die menstruelle Blutung nie grösser als ein Kreuzer sei. Von dem 
Waschwasser wird auch ein wenig in den Mund genommen und auf 
das Kleid gespieen, damit die Menge des Blutes nie grösser als die 
des ausgespieenen Wassers sei. 

Oder die Frau leckt ein erstgelegtes Ei einer jungen Henne ab 
und zieht ihr Unterhemd, dasselbe mit zwei Fingern anfassend, zwei- 
mal durch die Sprossen einer Leiter hindurch (Com. Pest). 

Schon Moses*) sagte, dass das menstruirende Weib unrein ist 
und zwar während der Dauer der Menstruation, die er auf 7 Tage 
bemass, und während der folgenden 7 Tage, ja bei Menorrhagie 
während der ganzen Dauer derselben und 7 Tage nachher. Doch 
auch alles das, worauf das Weib liegt oder sitzt, ist unrein, wes- 
halb jeder, der die Stelle, wo das Weib gesessen oder gelegen hat, 
oder das Weib selbst berührt, seine Kleider waschen, sich baden 
und sich bis abends als unrein betrachten muss. 

Wenn jedoch ein Mann mit einem menstruirenden Weib den 
Beischlaf ausgeübt hat, „so sei er 7 Tage lang unrein“. Am 8. Tage 
nach der Menstruation muss das Weib dem Herrn zwei Turtel- 
tauben oder zwei junge Tauben opfern. 

Als ein Ueberbleibsel dieses von den alten Rabbinen**) genauer 

*) Pentateuch. Buch V, Lcviticus, Cap. XV, Satz 19 — 24. 

**) Misch nah. 6. Theil. Niddah. 


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festgestellten Gesetzes ist die noch heute von den Orthodoxen vor- 
geschriebene Sitte anzusehen, dass während der Menstruation, deren 
minimale Dauer auf 5 Tage festgesetzt ist, und während der darauf 
folgenden 7 Tage das Weib keinen geschlechtlichen Umgang pflegen 
darf und am 8. Tage nach Sonnenuntergang oder im Behinderungs- 
falle am nächstfolgenden Tage ein Reinigungsbad nehmen muss. 

Dieses rituelle Bad nennt man „Mikwah“ (— Quelle), das nur 
aus Quell- oder Regenwasser und nicht aus geschöpftem Wasser 
bereitet sein darf. Nach Manchen darf auch kein Regen wasser 
verwendet werden, da dieses auch zum Trinken benutzt wird. 

In jeder Stadt und an jedem Orte, wo es Gemeinden orthodoxer 
Juden giebt, wird für die Errichtung eines solchen Bades gesorgt. 
In kleineren Orten befindet es sich meist im Hause der Cultusge- 
meinde und zwar im Hofe desselben. Wo es kein solches Bad giebt, 
badet sich die orthodoxe Jüdin im nahen Bache oder Flusse, selbst 
zur Winterszeit, wo in das Eis ein Loch gehauen wird und sie in 
das eiskalte Wasser dreimal untertaucht, damit, wie es eben der 
religiöse Ritus vorschreibt, kein einziges Haar an ihr trocken bleibe. 

Auch Budapest besitzt ein solches Bad. Bei dem Baue dieser 
Bäder ist die Hauptregel, dass sich die zuführenden Wasserrohren 
nicht im Winkel oder in starken Krümmungen treffen, sondern nur 
schwache Biegungen und wellenförmige Krümmungen haben dürfen ; 
auch darf der letzte viertel Meter der Röhren nicht freiliegend und 
nicht aus Metall, sondern muss eingemauert, betonirt sein. Diese 
Frauen nehmen hierzulande zuerst ein Einzelbad und gehen erst 
dann in das gemeinsame Bassin, das jeden Tag gründüchst gereinigt 
und trocken ausgewischt wird. 

Die Wasserhöhe hat 1,5 Meter zu betragen, und Quellwasser 
muss darin wenigstens in einer Höhe von '/ a Meter (resp. nach dem 
jüdischen Mass mindestens 40 Sir) enthalten sein; das übrige Wasser 
darf welchen Ursprung immer haben. 

In der Provinz sind diese Bäder gewiss nicht so einwandsfrei, 
wie ich das Budapester gefunden habe. 

Diese Bäder betreffend, ist noch der Brauch zu erwähnen, dass 
bei der Ausgangsthür gewöhnlich ein Knabe steht, der von der Frau 
vor dom Verlassen des Lokals berührt wird, was, wie man mir mit- 
theilte, den Sinn haben soll, dass, da es seiner Zeit für einen Scheidungs- 
grund galt, wenn die Frau vor dem Reiniguugsbad ihren Mann zu 


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5 


sich liess, durch die Berühruug der Knabe eventuell Zeugenschaft ab- 
legen könnte, dass die Frau das vorgeschriebene Bad auch thatsächlich 
genommen habe. Anderer Ansicht nach hätte diese Berührung den 
Sinn, dass bei dem dem Bad bald nachfolgenden Beischlaf ein Knabe, 
resp. ein schönes Kind (Jugend = Schönheit) gezeugt werde. 

Im Bäcser Comitat darf während der Menstruation deshalb kein 
Coitus ausgeführt werden, weil das eventuell so gezeugte Kind mit 
wundem Gesicht auf die Welt käme. 

3. Menorrhagie. Amenorrhoe. Dysmenorrhoe. 

Bei starker Blutung kocht man rothe Malve und Zimmt in 
Wein, oder isst Zimmt, oder legt aus essiggetränkter Kleie bereitete 
Umschläge auf den Bauch. 

Bei Amenorrhoe und Bleichsucht schreibt man den Mädchen 
häufiges Wechseln der Weisswäsche und vieles Tanzen vor, oder legt 
ihnen gewärmten Sand, auch heisse Asche auf den Bauch, stellt 
sie über frisch gelöschten Kalk oder giebt ihnen Safran ein. 

Während der Menstruation gehe das Weib auf einen Berg, lasse 
sein Blut auf den Boden tropfen und sage: „Von dem Wenigen, 
was ich habe, gebe ich dir, doch gieb du mir mehr.“ (v. Wlislocki.) 

Gegen Dysmenorrhoe werden Kataplasmen und Vaporisationen 
z. B. mit Heu angewendet. In Eger isst man gegen dieses Leiden 
einen Apfel, in dem 48 Stunden hindurch Eisennägel staken. 


« 


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II. Sterilität. 


4. Ursachen der Sterilität. 

Ueber die Ursachen der Sterilität sind die verschiedensten An- 
sichten verbreitet. Es sind daher auch die gegen sie angewandten 
Verfahren sehr mannigfaltig, wiewohl mau kein anderes Leiden so 
sehr als von Gottes Hand stammend ansieht, wie die Unfruchtbar- 
keit. Deshalb giebt es vielleicht auch keine einzige Krankheit resp. 
kein Gebrechen, gegen welches man das Wallfahren, Messelesen, 
au manchen Orten das Anhören von gerade 7 Messen, eventuell ver- 
bunden mit einem Fasttage, Almosengeben, das Kerzenanzünden vor 
dem Bilde der Jungfrau Maria oder ihr gewidmete Geschenke, die 
verschiedensten Gebete etc. für so erfolgreich hielte, wie gegen die 
Sterilität. Die Szekler pflegen Marienbilder in das Bett zu legen. 
Bei den Rumänen hält die sterile Frau ein „Posztu precseszti“ ge- 
nanntes Fasten zu Ehren der heiligen Jungfrau. 

Au vielen Orten bringt man das Leiden mit dem Temperament 
beider Hälften in Zusammenhang. Deshalb werden, damit das Blut 
„sich erhitze“, Thee, sowie starke Getränke getrunken, stark gewürzte 
Speisen gegessen, Brausepulver genommen, ward während und nach 
der Menstruation der Beischlaf häufig ausgeübt. 

Es herrscht auch der Glaube, dass die Sterilität auch daher 
rühre, dass „die Natur des Weibes nicht mit der Natur desjenigen 
zusammentrifft“, mit dem sie den Beischlaf ausübt; oder dass sein 
Blut zu dem ihrigen nicht passe und sie deshalb Umgang mit 
jemand Anderem pflegen, oder, wie man im Com. Feher sagt, 
„zum Hahn der Nachbarsfrau gehen“ müsse. Der „Hahnwechsel“ 
ist übrigens in Oesterreich ein ziemlich landläufiges Recept gegen 
die Sterilität. Andere wieder rathen ihr, nur mit einem Manne 
den Beischlaf auszuüben. Man sucht schwarze Käfer (wahrschein- 
lich eine Art Canthariden, Meloe), zerstösst diese und trinkt sie 


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7 


in Branntwein. Andere finden in einer guten Ernährung das 
Remedium. So isst im Comitate Häromszek das sterile Weib 
30 Tage hindurch täglich '/< Kilo Fleisch und trinkt ■/, Liter Alt- 
wein. Den Aerger hält man auch für eine der Ursachen der Ste- 
rilität. Ebenso hält man bekanntlich allgemein den Mangel des 
Wollustgefühls für ein ursächliches Element. „Ihr Mann liebt sie 
nicht,“ sagt mau in der Bäcska ( V Ali). 

In Duna-Szerdahely (Com. Pozsony) trinkt man den aus dem 
Wiesenklee gepressten Saft, weil man glaubt, dass „im Wiesenklee 
etwas enthalten sei, was in der Mutter den Samen producirt“. Im 
Ungarischen wird nämlich Klee und Hoden mit demselben Worte 
(here) bezeichnet. 


5. Behandlung der Sterilität. 

Die Rumänen im Märmaroser Comitat vermengen den Brannt- 
wein mit Unkraut von verschiedenen Farben und trinken ihn, in 
der Meinung, dass sie so viel Kinder bekommen werden, wie viel 
Farben die von ihnen benützten Pflanzen haben. 

Eine grosse Rolle spielen Bäder verschiedener Qualität. So 
empfiehlt man ein Pfefferbad, ein Bad aus Gerberlohe, oder aus ver- 
schiedenen Kräutern bereitete Bäder, eventuell jeden Tag, damit 
sich die Gebärmutter resp. der Muttermund öffne. 

Im Baranyaer Comitat setzt man Blutegel an die Hüften. Im 
Comitate Häromszek hält man die Bäder von Borszek nicht ohne 
Grund für angezeigt. Andere wieder halten den 40tägigen Gebrauch 
der Bäder, fern vom Manne, für nützlich, ln Märmaros werden 
Erlenrinde, Alaun und Vogelmist vermengt, gekocht und zu Bädern 
verwendet. 

Einige erwarten von Einreibungen Erfolg. Fast überall werden 
diese von Wahrsagerinnen, Curpfuscherinnen, Bauernhebammen be- 
sorgt, die dabei angeblich den „Uterus drehen“. 

Im Allgemeinen fällt der Curpfuscherei nirgends eine so grosse 
Rolle zu, wie bei der Sterilität, sowie, wie wir sehen werden, bei 
dem Verfahren gegen die Conception resp. Gravidität. 

Die Juden in Märmaros glauben an die Wahrsagungen und 
Heilmittel der „Wunderrabbiner“. 

Die Zigeunerfrauen tragen einen schneckenartigen kleinen Körper 
3 Jahre lang um ihren Leib, und wenn dies nichts hilft, so geben 
sie jede Hoffnung auf. 


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8 


Es giebt ausserdem noch sehr absonderliche, abergläubische 
Sitten. So glaubt man. dass es gut ist, wenn sich beim Coitus die 
Unterhose des Mannes unter dem Kopfe des Weibes befindet (Com. 
Csongräd). oder wenn die sterile Frau aus einem solchen Brunnen 
trinkt, den sie bis dahin nicht gesehen hat (Com. Heyes), oder wenn 
eine Frau, die schon geboren hat, zu Weihnachten mit ihrer teigigen 
Hand die Taille der sterilen Frau umspannt (Serben in Bäcs). 

Bei den Slowaken im Comitate Gömör prügelt man mit dem 
Zeug, in welches bei einer Geburt das Kind von der Hebamme ge- 
hüllt wurde, die sterile Frau und glaubt, dass sie „bei dieser Ge- 
legenheit gleich schwanger bleibt“. 

Bei den Rumäneu im Temeser Comitate herrscht die Sitte, dass 
die sterile Frau den zusammengetrockueten Nabelschnurrest isst und 
von dem Blute der Nabelschnur trinkt. 

Im Comitat Hajdu wird von den Lochien oder Blutgerinnseln 
einer Primipara den sterilen Frauen eingegeben. 

Eine grosse Rolle spielt bei Behandlung der Unfruchtbarkeit 
der Mutterkuchen. So empfiehlt man das Baden in einem solchen 
Wasser, in dem sich die Placenta einer Frau, die eben geboren hat, 
befindet (Serben im Bäcser Comitat), oder das Trinken eines Brannt- 
weines, in den von der getrockneten Placenta einer Erstgebärenden 
etwas gegeben wurde (Com. Komärom), oder aber das Sitzen auf 
einer noch warmen Placenta einer Primipara (Ruthenen). 

Eine eigenthümliche Sitte herrscht im Comitate Bekes, w r o man 
sich paarende Hunde mit einem Stabe auseinander jagt und mit 
diesem Stabe dann auch die sterile Frau schlägt; im Bäcser Com. 
räuchert sich die Frau mit den Haaren coitirender Hunde oder mit 
Weihnachtsbrosamen (Väli). 

Bei den Schokazen schläft die Frau auf einem Tuche, mit dem 
sie zwei Hunde während der Paarung berührte, oder sie isst zur Zeit 
des Neumondes in Esels- oder Pferdemilch gekochten Roggen. Ein 
anderes, bei demselben Volksstamm herrschendes complicirteres 
Verfahren besteht in Folgendem: Eine Frau, die bereits mehrere 
Kinder hat. sucht einen Stein, der während des Wurfes auf einem 
Apfelbaum geblieben ist, nimmt diesen Stein herunter, steckt ihn 
in ein Ei, giesst bei Neumond Wasser darauf und lässt das 
Wasser von der sterilen Frau trinken, deren Brauthemd sie daun 
9 Wochen trägt. 


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9 


Anderwärts wird von dem Knochen eines Todten etwas in das 
Getränk der Frau hineingeschabt. Wenn jedoch in das Brautbett 
der Knochen eines Todten gethan wird, so wird die Frau nur todte 
Kinder bekommen (v. Wlislocki). 

Im Somogyer Com. wird das sterile Ehepaar von einigen alten 
Weibern in den Wald geführt und dort unter einem Eichenbaum, 
aus dem 2 — 3 Stämme hervorgingen, dreimal hin- und hergezerrt, 
damit es so fruchtbar werde, wie der Eichenbaum. 

Die Zigeuner bedauern eine sterile Frau und missachten sie, 
da nach ihrem Glauben eine solche Frau vor ihrer Ehe ein Ver- 
hältniss mit Vampyren gehabt hat. Gegen die Sterilität ist ihr be- 
liebtestes Mittel folgendes: Die Frau isst bei zunehmendem Mond 
Gras von einem Grab, in welchem eine gravide Frau ruht, oder sie 
trinkt ein Wasser, in das ihr Mann Kohle geworfen oder aber 
hineingespuckt hat. 

Bei den Sachsen in Siebenbürgen pflegt mau den Frauen gegen 
die Sterilität die getrockneten Genitalien eines Fuchses in Eselsmilch 
zu geben (Organotherapie!). 

Bei den Ungarn in Siebenbürgen hängt die Frau neun Monate 
hindurch zur Zeit des Vollmondes ein Tuch auf einen Baum auf, 
auf das sie während ihrer letzten Periode Blut tropfen liess, und 
sagt: „Baum, ich gebe dir mein Blut, gieb du mir deine Kraft, da- 
mit ich mit meinem Blut Kinder erziehe.“ 

In Kalotaszeg isst die sterile Frau jeden Freitag vor Sonnen- 
aufgang in Eselsmilch gekochte spanische Fliegen und Hanfblumen 
und sagt, einen Baumast rüttelnd: „Herr Freitag ging in den 
Wald, traf dort Frau Samstag und sagte zu ihr: „„Lass dich um- 
armen!““ Frau Samstag stiess ihn von sich und sagte: „„Du bist 
ein trockener Zweig; wenn du wieder grünest, komme zu mir!““ 
Zweig, gieb mir Kraft, dir gebe ich meine.“ 

Wenn einer Schokazen-Frau bereits mehrere Kinder gestorben 
sind oder sie schon öfters abortirt hat, so trägt sie — in manchen 
Gegenden — im Falle einer neuen Gravidität am Gründonnerstag 
einen aus den Haaren eines Eselsschwanzes verfertigten Gürtel am 
nackten Körper und beginnt das Hemdchen des zu erwartenden Kin- 
des an einem Feiertag oder Sonntag zuzuschneiden und zu nähen. 
So wird das Kind im Leben glücklich werden (v. Wlislocki). 

Jenseits der Donau pflegt die sterile Frau Eiweiss und den 
weissen Kern eines Eigelbes mit dem Blute ihres Mannes zusammen 


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zu rühren, diese Mischung auf die Knochen eines Todten zu giessen 
and das Ganze an einer Stelle zu vergraben, wo der Mann zu uri- 
niren pflegt. Auch in Kalotaszeg herrscht diese Sitte. Deshalb 
sagt man dort von einem Vater vieler Kinder, dass man „mit seinem 
Blute Eier gerührt hätte“. 

6. Hochzeitsgebrituche zur Erzielung von Fruchtbarkeit. 

An manchen Orten zielen schon gewisse anlässlich der Hochzeit 
gepflogene Gebräuche auf Verhinderung einer unfruchtbaren Ehe hin. 
So reichen in der westlichen Muraköz die Familienältesten und das 
jungvermählte Paar einander die Hände und begeben sich in der 
gebräuchlichen Reihenfolge, jedoch eilenden Schrittes, zu Tische, 
damit dem neuen Paar baldiger Kindersegen beschieden sei. 

Bei den Zigeunern in Siebenbürgen wirft mau dem jungen Paare, 
wenn es zum ersten Male sein Zelt betritt, alte Schuhe, Stiefeln 
und Sandalen nach, damit ihre Ehe fruchtbar sei. 

Im Bäcser Com. wendet die junge Frau während der Hochzeits- 
uacht unbemerkt das Kissen ihres Mannes (Väli), 

7. Sonstiger Aberglaube. 

Bei Demjenigen, in dessen Richtung bei einem Glassturz der 
Wein fliesst, wird bald eine Taufe sein (Süd-Ungarn). 

Wenn das Haar der Katze auf der Seite versengt ist, so wird 
die Hausfrau gravid (Udvarhelyszek). 

Wenn eine unfruchtbare Frau in der Weihnachtsnacht in einen 
Brunnen spuckt, so wird sie bald gebären. 

Begegnet der Hochzeitszug einer Henne mit ihren Küchlein, so 
wird die Ehe reich an Kindern und Schätzen sein. 

Im Comitate Zala glaubt man, dass eine Frau so viele Kinder 
haben wird, als Knoten an der Nabelschnur des ersten Kindes waren. 
Im Comitat Gömör glaubt man, dass, wenn eine Braut am Anfänge 
des Sommers zusammengebackenes Obst gegessen, sie zuerst Zwillings- 
kinder gebären würde. 

Zum Schlüsse will ich noch erwähnen, dass in der Religion der 
heidnischen Urmagyaren die Nagyboldogasszony, an deren Stelle 
nach Aufnahme und Verbreitung des Christentbums die heilige 
Anna, die Mutter der heiligen Maria (Schutzgöttin des Wochenbettes) 
gesetzt wurde, die Schutzfrau der Zeugung und der Geburt war, 
resp. nach den Traditionen, die man im Alföld (in der Umgebung 
von Szeged) noch heutzutage in Ehren hält, „die heilige Maria die 


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Patronin der in gesegneten Umständen Befindlichen ist, an die sich 
auch die Unfruchtbaren wenden, welch Letztere, um ihr Ziel zu er- 
reichen, d. h. von der heiligen Anna resp. Maria erhört zu werden, 
ihr zu Ehren 9 Dienstage nach Pfingsten fasten“ (Kalmäny), eventuell 
thun sie dies auch noch am 10. Dienstag zu Ehren des heiligen 
Joachim. Die heilige Anna gebar nämlich erst nach langjähriger 
Sterilität die heilige Maria. Der heilige Joachim wieder war be- 
kanntlich der Mann der heiügen Anna. 


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III. Künstliche Sterilität. 


8. Antleoiiceptioiielle Verfahren. 

Eineu der schädlichsten und auch für Ungarn gefährlichsten Aus- 
wüchse bilden die anticonceptionellen und mit dem Strafgesetzbuche 
in Oonflict bringenden, aber darum nicht minder verbreiteten Abor- 
tivmittel und -Verfahren. Mit tiefem, Bedauern konnte ich den auf 
meine Fragen erhaltenen Antworten die Thatsache entnehmen, dass 
die Fruchtabtreibung im ganzen Lande im ausgedehntesten Maasse 
betrieben wird und zwar so sehr, dass die meisten Hebammen über- 
haupt nicht auf die ihnen von mir vorgelegte Frage, was die Frauen 
thun, um nicht schwanger zu werden, antworteten, sondern vielmehr 
— ich wiederhole es, von allen Gegenden des Landes — auf die 
gar nicht an sie gerichtete Frage Bescheid gaben, was für frucht- 
abtreibende Mittel und Verfahren so zu sagen palam et publice an- 
gewendet werden. Mit der Abtreibung beschuldigen sie die schwangeren 
Frauen selbst, zum grösseren Theile jedoch die sich beinahe aus- 
schliesslich damit beschäftigenden sogen, javas asszonyok (Wahr- 
sagerinnen), Curpfuscherinneu und Bauernhebammen. 

Ich würde den Rahmen meiner vorliegenden Arbeit weit über- 
schreiten, wollte ich mich über die volkswirthsckaftlichen, morali- 
schen und hygienischen Gefahren, sowie über die verderblichen 
Folgen dieser strafbaren Umtriebe verbreiten, und will mich des- 
halb lediglich auf die blosse Aufzählung der trockenen Thatsachen 
beschränken. 

Der besseren IJebersicht halber theile ich dieses Capitel ein: 

1) in abergläubische Gebräuche bei der Hochzeit, welche auf 
Erreichung einer unfruchtbaren Ehe abzielen. Dieselben sind voll- 
kommen gefahrlos und können, da sie absolut keine Wirkung haben, 
weder quoad valetudinem, noch quoad procreationem schaden; 

2) in Gebräuche beim Beischlaf, welche den Zweck haben, einer 
Conception vorzubeugen. Der Erfolg und somit auch die Schädlich- 


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keit dieser Gebräuche sind zum Theil gleichwertig mit den sub 1) an- 
geführten Verfahren, doch sind dieselben zum Theil nur quoad pro- 
creationem nachtheilig ; 

3) in abergläubische Gebräuche während und nach der Geburt, 
welche künftige Sterilität der Frau bezwecken. Diese sind zum Theil 
mit den sub 2) angeführten gleich werthig, zum Theil aber auch schon 
quoad valetudinem zu verdammen; 

4) in Abortivverfahren, auf deren in jeder Hinsicht schädliche 
Folgen — abgesehen von denjenigen Verfahren, welche absolut keinen 
Werth haben — ich wohl nicht besonders hinzuweisen brauche. 

Ich hebe wiederholt hervor, dass ich die hierauf Bezug haben- 
den Daten aus allen Gegenden des Landes und von allen Natio- 
nalitäten desselben (Magyaren, Rumänen, Serben, Deutschen u. s. w.) 
ohne Ausnahme habe sa mm eln können, und will hier nur noch des 
charakteristischen Umstandes Erwähnung thun, dass ich auf meine 
Frage, was die Frauen gegen ihre Unfruchtbarkeit thun, von vielen 
Seiten die Antwort bekommen habe: „Nichts; sie freuen sich ja, 
wenn sie nicht schwanger werden“, oder: „Sie sind froh, wenn sie 
kein Kind haben“, u. s. w. 

In manchen Gegenden (z. B. im Com. Hajdu) hält die Frau 
es sogar für eine ausgesprochene Schande, viele Kinder zu haben. 

1). Hoehzeitsgebräuehe zur Erreichung von Sterilität. 

Vielen Ortes denkt man schon bei der Hochzeit daran, wie 
man eine möglichst unfruchtbare Ehe erzielen könnte. Zu diesem 
Behufe wirft man ein Reisig aus dem Brautkranze in den glühen- 
den Backofen (Däny, Comitat Pest), oder die Braut löscht mit 
ihrem letzten Menstrualblut einen glimmenden Rosmarinzweig (Sza- 
badka), oder man legt der Braut ein zugesperrtes Schloss vor die 
Füsse, über welches sie bei ihrer Hochzeit hinübersteigen muss, da- 
mit sie niemals schwanger werde (Comitat Sopron). 

In Körmöczbänya wirft die Mutter der Braut ein zugesperrtes 
Schloss in den Brunnen, wenn sie nicht will, dass ihre Tochter ein 
Kind bekomme. Wenn Jemand das Schloss findet und öffnet, so 
hört der Zauber auf (Versenyi). Auch in Szabadka wirft die Braut 
ein gesperrtes Schloss in den Brunnen oder aber sie trägt ein Hemd 
ihres Bräutigams um den Leib gebunden (Väli). 

Im Bekcser Comitat giebt man der Braut ein zugesperrtes 
Schloss in die Hand und stopft dessen Schlüsselloch mit Hirse zu. 


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Nach der Trauung wirft die Braut das Schloss in den Brunnen, 
während sie den Schlüssel aufbewahrt. 

Anderwärts, wo die Ansprüche bescheidener sind, wünscht man 
die Unfruchtbarkeit nur für einige Jahre. Zu diesem Zwecke be- 
hext in der Muraköz die Mutter oder die Brautführerin die Braut 
für einige Jahre mit dem Quatemberfaden, was darin besteht, dass sie 
der Braut beim Gange zur Kirche in den untersten Saum ihres 
Kleides drei Stecknadeln sticht, um welche herum ihr (der Braut) 
später heim Verlassen der Kirche eine alte Frau einen Quatember- 
faden bindet und in denselben so viel Knoten macht, wie viel 
Jahre die Frau steril zu sein wünscht. Unter Quatemberfaden wird 
der an einem Quatembertag (22. Februar, 24. Mai, 20. September, 
20. December) gesponnene Hanf verstanden. 

Im Nögräder Comitat lässt man die Braut einige Getreide- 
körner in den Brunnen werfen. Wie viel Körner sie hineinwirft, 
so viel Jahre wird sie kein Kind bekommen. 

Im Krassö-Szörenyer Comitat hält die Braut während der Trau- 
ung so viel geschlossene Heftel in ihrem Mund, wie viel Jahre sie 
kein Kind haben will. Im Baranyaer Comitat urinirt sie auf eben- 
soviel glühende Kohlen, verbirgt diese in einem Säckchen in ihrem 
Busen und legt während der Trauung ihre linke Hand darauf. 
Ein anderes, dort beliebtes Verfahren besteht darin, dass die Braut 
beim Gange zur Kirche, gewisse Worte murmelnd, so viel Schorn- 
steine zählt, wie viel Jahre sie kein Kind haben will. In Szabadka 
(Bäcser Comitat) glaubt man umgekehrt, dass eine Frau in der 
Ehe so viele Kinder haben wird, als sie, von ihrer Trauung kommend, 
Schornsteine bemerkte (Bellosics). 

Bei den oberungarischen Slowaken setzt sich die Braut in der 
Kirche vor der Trauung auf so viele Finger, oder legt — desgleichen 
vor der Trauung — so viele Finger auf den Altar, oder aber tritt 
an dem der Trauung vorangehenden Tage rücklings auf so viele Stufen 
oder Leitersprossen, als sie sich Kinder wünscht. (Istvänffy.) 

In Kalotaszeg meint man, dass, wenn die Frau von den Knochen 
eines ungetauft verstorbenen Kindes bei sich trägt, sie davon unfrucht- 
bar werde (Jankö), ebenso, wenn sie mit ihrem menstruellen Blute die 
Genitalien eines todten Mannes einschmiert. Deshalb sagt man dort 
von einer unfruchtbaren Frau, dass sie „auf einen Todten urinirt 
habe“, (v. Wlislocki.) 

Bei den Schokazen glaubt man, dass, wenn einem jung vermähl- 


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ten Paar in das Ehebett vom Grabe eines an einem Neujahrstage ge- 
storbenen Mannes und einer an einem solchen Tage gestorbenen Frau 
stammende Erde gestreut wird, die Ehe kinderlos und unglücklich, 
und ebenso die Frau niemals schwanger sein werde, und wenn man 
von ihrem Menstrualblut etwas in deu Sarg eines todten Mannes 
thut, so müsse die Frau stets krüppelige Kinder zur Welt bringen. 

Den Brauch, mit dem ersten menstruellen Blut einen einastigen 
Rosenstock oder Baum zu begiessen, um nur ein Kind zu bekommen, 
erwähnte ich schon. 


10. Coitus. 

Was die beim Beischlaf befolgten Verfahren anbelangt, so will 
ich auf die bekannten Präservativmittel nicht weiter eingehen, son- 
dern erwähne nur, dass diese — selbst das Pessarium occlusivum 
nicht ausgenommen — bedauerlicherweise schon in der kleinsten 
Dorf-Gemeinde bekannt sind. An manchen Orten (z. B. bei den 
Serben des Bäcser Comitates) steckt man Wachsscheiben, ander- 
wärts (bei den Wallachen des Torontaler Comitates) Kampher oder 
Alaun in die Scheide. 

Während oder unmittelbar vor und nach der Periode hält man 
den Beischlaf fiir besonders gefährlich. 

Die Nögräder Slowaken sowie die Märmaroser Ruthenen glau- 
ben, dass die Frau der Gefahr des Schwangerwerdens weniger aus- 
gesetzt ist, wenn sie geschlechtlich mit mehreren Männern verkehrt. 

Grosse Bedeutung misst man auch der nach dem Beischlaf 
eingenommenen Lage bei. Vielen Ortes empfiehlt man der Frau, nach 
dem Beischlaf aus dem Bett zu steigen und zu uriniren, oder rasch 
aufzuspringen, oder ordentlich ihren Bauch zu drücken oder zu pressen, 
oder in eine leere Flasche zu blasen und so den befruchtenden Stoff 
aus sich herauszupressen, oder nicht auf dem Rücken liegen zu blei- 
ben, sondern sich auf die rechte oder linke Seite oder auf deu 
Bauch zu legen, oder gleich a tergo oder a latere zu coitiren. Im 
Maros-Tordaer Comitat schluckt die Frau nach jedem Beischlaf etwas 
Kochsalz. 

Die Irrigationen erfreuen sich schon geringerer Verbreitung 
und werden mit reinem Wasser oder mit Carbol vorgenommen. 
Unsere Daten beziehen sich freilich vorne hmli ch auf die untere 
Volksklasse. 

Um so grössere Verbreitung geniesst der Coitus interruptus. 


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Wir wissen, dass eine Art desselben, nämlich das Zusammen- 
pressen des Penis bei der Wurzel vor dem Samenerguss, in der wissen- 
schaftlichen Nomenclatur als „Siebenbürger Verfahren“ bezeichnet 
wird. Am verbreitetsten ist die Ejaculatio extra genitalia, welche 
man in mehreren Gegenden in ziemlich geistreicher Weise umschreibt. 
So sagt man im Baranyaer Comitat: „er ackert, aber säet nicht“; 
im Härmoszeker und im Hunyader Comitat: „drinnen drischt er, 
draussen streut er“; im Biharer Comitat: „gehe nicht ins Zimmer, 
sondern bleibe im Vorraum“; anderwärts: „verlasse die Kirche vor 
dem Segen (d. i. vor der Besprengung)“ ; oder bei den Deutschen: 
„vor Michaeli ausziehen“. Am verbreitetsten ist der Ausdruck: „sie 
geben Acht“. 

Von sonstigen den Coitus betreffenden Gebräuchen will ich nur 
erwähnen, dass* man denselben in Kalotaszeg während der Acker- 
zeit nicht ausübt, damit das Getreide nicht rostig werde (.1 anköj. 

11. Gebräuche während der Geburt und des Wochenbettes 
behufs Vermeidung neuerlicher Schwängerung. 

Die während, respective nach der Geburt angewandten Ver- 
fahren zur Erreichung späterer Unfruchtbarkeit sind die folgenden. 
Die im Temeser Comitat wohnenden Rumänen legen die schmutzige 
Wäsche nach der Geburt des ersten Kindes unter einen Stein und 
lassen sie dort 3 bis 5 Tage liegen, damit die Frau eben so viele 
Jahre kein Kind bekomme. In Gödöllö macht man zu diesem Be- 
hufe in den placentaren Theil der Nabelschnur einige Knoten. Auch 
im Bäcser Comitat werden so viele (1 — 4) Knoten in die Nabel- 
schnur gemacht, oder es werden so viele W eizenkörner in die Pla- 
centa gesteckt, wie viele Jahre sich die Frau kein Kind wünscht 
(Väli). Die Serben des Comitates Feher (Batta), sowie Frauen des 
Tolnaer Comitates geben den Mutterkuchen in einen neuen Topf und 
vergraben letzteren, nachdem sie ihn mit einem neuen Deckel zu- 
gedeckt haben, im Keller, glaubend, dass, so lange der Mutterkuchen 
nicht vollständig verfault, die Frau kein Kind bekomme. 

Im Bekeser Comitat muss an dem Tage, wo die Wöchnerin zum 
ersten Male wieder aufsteht, das Bett derselben von einer zu diesem 
Zwecke bestellten Frau, und zwar so gemacht werden, dass es Erstere 
nicht bemerkt. Man meint, dass die Betreffende auf diese Weise 
nicht wieder schwanger wird. Bei den oberungarischen Slowaken 
wirft die Frau, wenn sie nicht mehrere Kinder haben will, ein Schloss 


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in das Grab eines ihrer Verwandten (lstvänffy). Bei den Sokäczen 
knüpft die Frau zu diesem Behufe bei abnehmendem Monde in das 
Unterhosenband ihres Mannes zahlreiche Knoten und trägt dasselbe 
bis zu Ende ihrer nächsten monatlichen Reinigung auf ihrer Brust, 
um es darauf in fliessendes Wasser zu werfen, oder die Wöchnerin 
knetet vor ihrem ersten Ausgange Teig, wäscht ihre teigigen Hände 
in einem kleinen Fass, trägt dasselbe zur Kirche und giesst seinen 
Inhalt gegen die Kirchenthüre. (v. Wlislocki.) 

In einigen Gegenden fegt man während des Wochenbettes den 
Kehricht gegen das Fenster zu, da man glaubt, dass die Frau dann 
nicht so bald wieder Kinder bekommen werde. Man thut dies 
übrigens — wie wir sehen werden — auch aus einem anderen Grunde. 

Ein interessantes organotherapeutisches Verfahren ist in einer 
reformirten Gemeinde namens Csököly sehr beliebt. Dort trocknet 
man im Schornstein den Eierstock eines Mutterschweines, pulverisirt 
ihn, seiht dann das in Wasser aufgelöste Pulver siebenmal durch 
ein Sieb und giebt die Lösung der Frau kurz nach der Geburt zu 
trinken. Auch in Szabadka essen die Frauen zur Verhütung einer 
neueren Schwangerschaft von den Ovarien einer Sau. ( V Ali.) 

An vielen Orten lassen sich die Frauen nach der Geburt von 
Quacksalberinnen den Bauch schmieren und die Gebärmutter drücken. 
Wie dies geschieht, weiss ich nicht, vermuthe indessen, dass, so wie 
Stratz bei den Frauen auf der Insel Java in dem von den dortigen 
Hebammen (Dukun) zur Unfruchtbarmachung angewandten „ankat 
prut“ eine künstlich hervorgerufene Retroflexion entdeckt hat, es 
sich auch hier nicht selten um etwas Aehuliches handelt, worauf ich 
auch daraus schliesse, dass mau jene Vorgänge dahin beschreibt, 
dass die Bauernhebamme „die Gebärmutter umstülpt“ oder „den 
Muttermund verdreht“. Mehreren Antworten konnte ich nicht ent- 
nehmen, ob das Massiren prophylaktisch oder aber erst bei schon 
bestehender Schwangerschaft als Abtreibungsmittel angewendet wird. 
Ich halte Letzteres für häufiger. 

12. Fruchtabtreibende Mittel und Verfahren. 

Zum Schluss komme ich zu den auf Abtreibung der Frucht 
abzielenden Verfahren. Dieselben bestehen theils aus inneren Mit- 
teln, theils aus auf den Bauch ausgeübten mechanischen Einwir- 
kungen, theils aus unmittelbar auf die Geschlechtstheile applicirten 
Mitteln und Instrumenten. 

Teraftlv&ry, Volklbrfcucha. 2 


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Innerlich angewandte Mittel, welche bekanntlich zum grossen 
Theile nicht so sehr von abortiver, als vielmehr purgativer und 
vomitiver Wirkung und daher eher zur Untergrabung der weiblichen 
Gesundheit als zur Fruchtabtreibung geeignet sind, siud die fol- 
genden: Ricinusöl; saure und stark gewürzte Speisen; Citronen; 
Sauerteigbrühe; Eisentropfeu ; aus eiuem Schleiftrog stammendes 
Wasser (Muraköz, Szabadka); Kampher: Meerzwiebel (Gömörer Comi- 
tat); Weihrauch (Erdelyer Rumänen); Sauerampferbrühe; Seifen- 
wasser: Rautengras, welches man in Duna-Yecse (Pester Comitat) jeden 
Morgen in Branntwein nimmt; Mohnblumenthee (Papaver Rhoeas): 
Lilienwurzel in Weisswein (Esztergomer Comitat): Schwarzwurz (Sym- 
phytum) in Branntwein (Hunyader Comitat); Ritterspornthee (Delphi- 
nium) oder andere nicht namentlich angeführte Theegattuugen und 
Arzeneieu; Schiesspulver I Szabadka und Csiker Comitat), eventuell in 
Essig; Kermesbeere; Lorbeersamen (Laurus); Zederblätter iu Milch; 
Oleander (einen Fall von Oleander-Vergiftung, welcher zwar nicht zum 
Abort führte, der betreffenden Frau jedoch beinahe das Leben 
kostete, habe ich selbst gesehen); Pain- Expeller und Antoni-Balsam 
(Tinctura balsamica) (Slowaken des Torontaler Comitates); zer- 
stossene Glasscherben (Tolnaer Comitat); Asche. Am verbreitetsten 
sind Paeoniathee (Pfingstrosenthee), Rautengras und Safran 
(Crocus). 

Als Erklärung der Wirkung des Schiesspulvers habe ich irgend- 
wo gelesen, dass nach der Bauerulogik das Schiesspulver, wie es, 
in die Flinte gethau, die Kugel durch das Flintenloch hinausjagt, 
so auch der schwangeren Frau die Frucht zum Foramen hiuaus- 
treibe. 

Der mechanischen Einwirkungen (Schmieren, Massiren), 
welche allgemein verbreitet sind, habe ich schon oben gedacht. 

Auch von festen Umbindungen des Bauches wird berichtet. 
Bei den Ruthenen (Märmaros) tragen die schwängeret! Frauen, be- 
sonders aber die Mädchen ein sehr enges Hemd, wonach sie zu 
abortiren hoffen. 

Ich möchte hier noch anführen: Dünstungen mit Heuspreu 
oder Malven, sowie mit Hühnerfederaufguss; Fussbäderin ziemlich 
heissem Wasser mit Seufmehl und Salz oder mit Asche oder mit 
>/a Liter Essig, l / a Kilo Salz und */ a Kilo Asche; Dampfbäder, 
Bäder mit Soda oder Erdbeergrünzeug-Aufguss, sowie das Stehen 
in ungelöschtem Kalk und Dünstungen mit gekochten Kartoffeln 


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(Somogyer Comitat). Im Krassd-Szördnyer Comitat lässt man zwei- 
bis dreimal zur Ader UDd setzt Blutegel an die Füsse. 

Ueber Instrumente (selbstverständlich fast immer in Spitzen 
auslaufende), die in die Genitalien, namentlich durch den Mutter- 
mund in den Uterus oder durch Ungeschicklichkeit in die Uterus- 
musculatur selbst, eingeführt werden, habe ich bedauerlicherweise 
ebenfalls ziemlich zahlreiche Daten sammeln können, obgleich anzu- 
nehmen ist, dass mir, theils weil ich in dieser Richtung keine näheren 
Nachforschungen augestellt habe, theils aus anderen naheliegenden 
Gründen, die Hebammen viel weniger hierauf bezügliches Material 
an die Hand gegeben haben, als sie mir wahrheitsgemäss hätten 
liefern können. Aus vielen in den Fragebogen enthaltenen Bemer- 
kungen kann gefolgert werden, dass sich mit jenen strafbaren Mani- 
pulationen — wie bereits bemerkt — in allererster Linie die so- 
genannten Bauernhebammen befassen, von denen in dem Vorwort 
die Rede war. Es ist zu hoffen, dass diese bei beständiger Besserung 
der Hebammenverhältnisse schon nach einigen Jahrzehnten nur eine 
traurige Reminiscenz an die dunkelste Hebammenepoche Ungarns 
sein werden. 

Was nun die Instrumente betrifft, mit denen die besagten Quack- 
salberhebammen, jedoch auch dipl. Hebammen ihre ,, Kunst“ verrichten, 
welch’ letztere übrigens auch vom Publicum so gut gekannt ist, dass 
die betreffenden Instrumente, theils w r eil sie leicht zu beschaffen sind, 
theils weil sie ungefährlich scheinen, sich überall im Lande, auch 
in der Hauptstadt „allgemeiner Beliebtheit“ erfreuen, so sind dies 
Gänsekiele und andere spitzige Sachen, wie Federhalter, Blei- 
stifte, Strick-, Haar-, Häkelnadeln, Nadelholznadeln, ver- 
schiedene Dörner.(z. B. vom Xanthium) u. s. w. 

In der Provinz sind namentlich folgende Instrumente beliebt: 
Spindeln (Rumänen des Krassd- Szörenyer und des Temeser Comi- 
tates, Slowaken des Arvaer Comitates, Ungarn des Pester Comitates), 
Malve n wurzeln, durch die ein Zwirnsfaden gezogen wird, damit 
man sie mit Hilfe des letzteren wieder aus der Gebärmutter heraus- 
ziehen könne (Rumänen), Federn, Zederzweige (Pester Comitat), 
Wurzeln von getrocknetem Eisenkraut (Taubenkraut, Yerbena 
officinalis), andere Wurzeln, Irrigatorröhren, welche man wäh- 
rend des Irrigirens mit Karbolwasser in den Muttermund führt, u. s. w. 

Von ärztlichen Instrumenten wird namentlich von diplomirten 
Hebammen mit Vorliebe der Katheter angewendet. 

2 * 


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Nur in einigen wenigen Gegenden, besonders im Alfold (unga- 
rische Tiefebene) und bei den Ungarn des Bäcser Comitates ver- 
urtheilt man das Fruchtabtreiben wenigstens in theoria, denn man 
meint, dass die Frau, die sich ihre Frucht abtreibt oder abtreiben 
lässt, dieselbe in der Hölle aufgetischt bekommt, damit sie sie aufesse 
(Versdnyi). Solche Frauen erscheinen dann auch als „heimkehrende 
Seelen“ und klagen ihr Leid den Angehörigen (Szabadka). Diesen 
Volksglauben trifft man jedoch nur ganz vereinzelt an und auch da 
ohne jeden praktischen Erfolg. 


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IV. Schwangerschaft 

13. Verschiedene Gebräuche während der Schwangerschaft. 

Sobald sich die Frau ihrer Schwangerschaft*) bewusst wird, so 
trägt sie, wenn sie sich darüber freut, auch gleich für eine leichte 
Geburt, für eine gute Entwickelung des Kindes u. s. w., aber natür- 
lich nur nach ihrer abergläubischen Art, Sorge. 

Wie schon erwähnt, war bei den heidnischen Magyaren die 
Nagyboldogass/.ony auch die Schutzgöttin der Schwangerschaft, die 
später durch die heilige Anna, die Mutter der Jungfrau Maria, 
personificirt wurde. Ihr zu Ehren fasten auch jetzt noch die 
schwaugereu Frauen in der Szegeder Gegend, z. B. in Szöregh, 
sieben Dienstage (Kälmäny). 

Bei den Serben und Rumänen ruft das schwangere Weib bald 
die älteste Frau des Dorfes, welche dann „Kohlen in den Friedhof 
schüttet“, von den Gräbern Erde nimmt und diese dem Badewasser 
der Schwangeren beimengt. 

Die Szeklerin geht bei Vollmond ins Freie, wo sie dreimal 
gegen den Mond ausspuckt und sagt: 

„Heilige Mutter Gottes, 

Steh mir bei in der Noth; 

Beschirme meines Leibes Frucht, 

Die so wachsen möge wie der Mond.“ 

Auch stechen die Szeklerinnen, sowie die Frauen des Bäcser 
Comitates, wenn sie nicht bestimmt wissen, ob sie schwanger sind, 
eine Nähnadel in ein Marienbild und lassen sie darin neun Tage 
lang stecken. Ist die Nadel nach Ablauf dieser Zeit noch rein, 
so halten sie sich nicht für schwanger; ist sie dagegen rostig, so 
spricht dieses für Schwangerschaft; und es wird au eiue Knabeu- 
geburt geglaubt, wenn die Spitze der Nadel rostig ist, und au eine 
Mädchengeburt, wenn das Nadelöhr rostig ist (v. Wlislocki). 

*) Gebräuchliche ungarische Ausdrücke für Schwangerschaft sind auch: ande- 
rer Zustand, gesegneter, hoffnungsvoller Zustand. 


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Auch während der Schwangerschaft giebt es natürlich un- 
zählige abergläubische Bräuche. An mehreren Orten darf die 
schwangere Frau nicht unter einem ausgespannteu Seil hinweggehen, 
denn sonst werden in der Nabelschnur so viel Knoten sein, aus wie 
viel Fäden das Seil besteht, was die Geburt sehr erschweren würde. 
Die Frau darf sich mit dem Bauch nicht an einen Ofen aulehnen, 
denn sonst wächst die Placenta an die Gebärmutter an (Comitat Abauj). 
Ebenso darf sich die Frau auf kein Wassergefäss setzen, da sonst 
das Kind einen grossen Kopf haben wird (Hydrocephalus). 

Im Zalaer Comitat gräbt eine Quacksalberin zu beiden Seiten 
der Thüre Erde aus und wirft sie in Wasser, um mit letzterem die 
schwangere Frau zu waschen und es ihr zu trinken zu geben. 

Die Serbin trägt um den Mittelfinger ein rothes Baud, damit 
das Kind auch roth sei. 

Die meisten Gewohnheiten und Bräuche während der Schwan- 
gerschaft haben übrigens das Leben uud die Gesundheit des Kin- 
des zum Zweck. 

So darf die schwangere Frau keinen Eid ablegen, nicht als 
Zeuge fungiren uud au keinem Begräbuiss theiluehmen, denn sonst 
wird sie ein todtes Kind gebären; sie darf bei Tag nicht schlafen, 
da sonst das Kind zeitig sterben würde, und darf in kein Grab 
schauen, weil das Kind sonst blutarm sein würde. Hat sie aber 
dennoch hineingeschaut, so werfe sie eine Hand voll Erde ins Grab 
(Szekler, Jankö). 

Im Interesse eines glücklichen Ausganges der Geburt darf die 
schwangere Frau keinen Backofen heizen, keine Leinwand bleichen, 
keinen Schubkarren ziehen, kein Holz hacken. Wenn sie auf dem 
Felde Hanf entwurzelt, wird ihr Kind zu früh auf die Welt 
kommen (Kalotaszeg). 

Wenn sie sich im Bett kämmt, so wird ihr Kind nur kurze 
Zeit leben (Sokäczeu). 

So wie während der Menstruation darf sie auch während der 
Schwangerschaft kein Kraut eiukocheu, keine sauren Gurken ein- 
legen, kein Obst einmachen, keinen Sauerteig rühren. 

Während der Schwangerschaft und des Wochenbettes werden 
nämlich die Frauen ebenso für unrein gehalten, wie während der 
Menstruation. Die erwähnten Dinge würden deshalb verderben, wenn 
mit ihnen eine in einem der besagten Zustände befindliche Frau in 
Berührung käme. 


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Wenn die schwangere Frau Obst oder Kürbiss stiehlt, so wird 
sie ein kahlköpfiges Kind bekommen. Isst sie Erdbeeren, so wird 
ihr Kind am Körper behaart sein, und giebt sie sich mit Blut ab, 
so wird dasselbe einen rothen Ausschlag am Körper haben. 

Sie darf nicht Wäsche zum Trocknen auf hängen, über keinen 
Zaun klettern, in kein stehendes Wasser und über kein Pflugeisen 
treten, da sonst ihr Kind verkehrt auf die Welt kommen würde 
(Süd-Ungarn). Sie darf ihre Arme nicht über oder hinter ihren 
Kopf heben, denn soust erleidet die Nabelschnur Verschlingungen. 
Aus demselben Grunde darf sie auch aus keinem Krug trinken, 
der an einem Stricke hängt. 

Wenn sie auf der Schwelle Holz hackt, so wird ihr Kind bucklig 
sein und schwer wachsen. Isst sie zusammengewachsenes Obst, so 
wird sie Zwillinge bekommen. (S. oben!) (Bäcser Comitat.) 

Wenn ein Hund vor dem Thore einer schwangeren Frau scharrt 
und ein Loch gräbt, so wird die Frau ein todtes Kind gebären 
(Kalotaszeg, Jankö). 

Die Augen eines todten Thieres beschaue sich die Frau nicht, 
denn sonst würde das Kind Zeit seines Lebens ein Augenübel haben, 
ja eventuell sogar schon blind auf die Welt kommen. Wenn sie 
aus einem schartigen Gelass trinkt, so wird ihr Kind einen schiefen 
Mund haben. Schaut sie sich ein. Gewitter an, so wird ihr Kind 
bald das elterliche Haus verlassen bezw. heimathlos in der Welt 
umherirren (Kalotaszeg). 

Auf einen Frosch trete die Frau nicht und schlage auch kein 
solches Thier todt, denn sonst wird sie ein todtes Kind gebären 
(Kalotaszeg). 

Erblickt sie eine Schlange oder eine Eidechse, so spucke sie 
aus, denn sonst lernt ihr Kind schwer und spät laufen. Aus eben 
demselben Grunde lasse sie über eine andere Schwangere kein schlechtes 
Wort fallen! 

Bei den (oberungarischen) Slowaken darf die schwangere Frau 
keine duftenden Blumen oder Blätter bei sich tragen, denn sonst 
wird das Kind einen übelriechenden Mund haben; sie darf ihre 
nassen Hände nicht an ihrem Rock abtrocknen, denn sonst wird 
das Kind hässlich ausseheu, und darf auf nüchternen Mageu oder 
nach Sonnenuntergang kein Wasser trinken, denn sonst wird ihr das 
Wasser für immer im Leibe bleiben („Wassersucht“). Bis zum 
Johannistage esse sie weder Brod noch Kirschen, denn sonst wird 


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Gott ihrem Kinde im Jenseits weder von dem Einen noch dem An- 
deren geben, denn „Beides habe ihm schon seine Mutter vorweg- 
gegessen“ . 

Eine schwangere Frau stehle nicht, denn sonst wird auch ihr 
Kind ein Dieb werden, oder es wird • — wie wir von den Erde- 
ly'er Rumänen und den Bäcskaerinnen noch erwähnen werden — 
ein dem gestohlenen Gegenstände ähnliches Muttermal auf seinem 
Körper bekommen, was die Schwangere übrigens dadurch vermei- 
den kann, dass sie während des Stehlens beständig daran denkt, 
dass der Fluch ihrer bösen That nicht an ihrem Kinde in Erfül- 
lung gehen möge. 

Wenn aber das Kind dennoch mit einem solchen Male zur Welt 
kommt, so muss sich die Mutter sechs Wochen hindurch jeden Mitt- 
woch und Freitag mit dem Bünde auf die Schwelle des Hauses 
setzen und sagen: „Mein Band hat aus diesem oder jenem Grunde 
ein solches Mal. Entferne es, du lieber Herrgott, von seinem Kör- 
per“ (Hunyader Comitat). 

Eine schwangere Frau verleugne nie ihren Zustand, da sonst 
ihr Kind stumm sein (Körmöcz) oder schwer sprechen lernen wird 
(Göcsej). Das Gebären eines stummen Kindes steht auch derjenigen 
Frau bevor, welche einer Schwalbe die Zunge herausschneidet (Hon- 
ter Comitat). 

Die Schwangere gehe nie zu weit vom Hause weg. Das Dach 
ihrer Wohnung muss sich stets innerhalb ihres Gesichtskreises be- 
finden. Dies empfiehlt auch ein ungarisches Sprichwort den schwan- 
geren Frauen. Der Sinn dieses Aberglaubens ist wahrscheinlich da- 
rin zu suchen, dass die Frau, wenn von Wehen überrascht, stets in 
der Nähe ihres Hauses sei. 

Wenn man unaufgewaschenes Geschirr aus dem Hause heraus- 
trägt, so gehe sie an letzterem nicht vorüber (Häromszeker Comitat). 

Wenn während des Ganges zur Hochzeit Niemand siugt, so 
wird das neue Paar taube Kinder bekommen (Neutraer Comitat). 

Wenn sich in Kalotaszeg die Frau während der Schwanger- 
schaft etwas „Schlechtes“ zu Schulden kommen liess (d. h. wenn sie 
ihrem Manne untreu wurde), so muss sie ein kleines Loch graben 
und in dasselbe wenigstens einmal täglich uriuiren, damit nicht ihr 
Kind für ihre Sünde büsse. 

Die Schwangere darf vom Christbaum keine Nüsse und keine 
Aepfel essen, denn sonst wird sie Zwillinge gebären. 


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Die Nägel darf die schwangere Frau nach dem Abschneiden 
nicht wegwerfen, sondern muss sie verbrennen, denn sonst wird ihr 
Kind weiche Knochen haben (Kalotaszeg, Palocen). 

Auch bei den Szöklem glaubt man, dass die Schwangere in 
kein Grab sehen darf, da ihr Kind davon blass resp. gelb wie eine 
Leiche werden wird. Wenn sie aber dennoch in ein Grab hinein 
gesehen hat, so muss sie eine Hand voll Erde hineinwerfen, und 
wenn das Kind trotzdem die Gelbsucht bekommt, so muss sie, bevor 
es 6 Wochen alt ist, auf das Grab gehen, von dort 9 Steine mitbringen 
und dieselben in des Kindes Badewasser thun. Dann ist Alles 
wieder gut. Die Schwangere darf auch keinen Hund oder Katze 
mit den Füssen stossen, deun sonst wird dem Kinde von dem „Haar 
ebensoviel nach innen wie nach aussen wachsen“ (?), was schliesslich 
das Kind tödtet (Jankö). 

Der schwangeren Frau ist es auch untersagt, beim Anbau, 
Schnitt, Dreschen oder Mahlen des Getreides zugegen zu sein, denn 
sonst wird ihr Kind grosses Elend erleiden. An einem Freitage 
darf sie weder spinnen, noch nähen, denn sonst wird sie ein todtes 
Kind zur AVelt bringen. 

Bei den Hetfaluser Szeklern darf die Frau während ihrer gan- 
zen Schwangerschaft den Kehricht nicht nach der Thüre zu fegen, 
sondern immer nach der entgegengesetzten Richtung, damit „der Tod 
nicht hereinkomme“ (Bartha). 

Bei den Siebenbürger Rumänen geniesst die Schwangere am 
Mittwoch und Freitag keine Fleischspeisen, am Sonntag dagegen 
keine Hülsenfrüchte, um nicht ein blödes, schwachsinniges und bos- 
haftes Kind zu bekommen. Damit sie leicht gebäre, trägt sie am 
nackten Unterleib ein Säckchen, in welches sie Friedhofserde und 
Basilienkraut eingenäht hat. 

Bei den Erdelyer Sachsen darf die Frau an einem Sonn- 
abend nicht spinnen, denn sonst wird ihr Kind frühzeitig eine Glatze 
bekommen, darf über die Thürschwnlle nicht kauend treten, denn 
sonst wird es oft von Zahnschmerzen geplagt sein, und darf in ihrer 
Schürze keine Hülseufrückte tragen, denn sonst wird es eine un- 
heilbare Hautkraukheit haben. 

Bei den Deutschen darf die Frau während der Schwangerschaft 
nicht fröhlich sein, darf sich nicht schön kleiden, und darf sich nicht 
mit ihrem schwangeren Zustande brüsten, denn sonst wird sie Un- 
glück bei der Entbindung haben. 


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Während der Gravidität hüten sich die Frauen vor Stössen, 
besonders vor Gestossenwerden von Katzen und Ferkeln, und dem 
Auiiegen irgend eines Gegenstandes auf den Bauch, denn sonst wird 
das Bild desselben unbedingt am Kinde sichtbar sein. 

Die Schwangere darf auch kein Salz in ihrer Schürze tragen, 
denn sonst wird ihr Kind einen Ausschlag haben. Des Abends darf 
sie das Haus nicht verlassen. 

Schwangere Frauen müssen beim Ueberschreiten der Schwelle 
sowohl im Kommen als im Gehen vorangelasseu werden. 

In manchen Gegenden sieht mau schwangere Frauen kaum auf 
den Strassen, theils um dem „Beschrienwerden“ auszuweichen, theils 
aber, weil sie es für eine Schande halten, schwanger zu sein (Hunyader 
Comitat). 

Der Coitus ist in Kalotaszeg in der zweiten Hälfte der 
Schwangerschaft verboten. 

14. Diät der Schwangeren. 

Von den diätetischen Mitteln, Speisen und Geträuken, welche 
besonders gegen Erbrechen und Sodbrennen verwendet werden, sind 
folgende in Gebrauch: 

Branntwein, Borovicska (Wachholderbranutwein), Pflaumen- 
schnaps, Cognac, Ingwer-, Kampher- und Kümmelbranntwein, ge- 
würzte Weinsuppe, in Wein gekochter Zimmt und gedörrte Pflau- 
men, Majoran-, Kräuter-, Pfeffermünz-, Wermuththee, warme Milch, 
saure Milch, Molken, Essig, Citronen wasser, Krautblätter, kalter 
schwarzer Kaffee, eventuell mit Rum, kaltes Wasser, Sodawasser, 
Brodrinde, oder auf nüchternen Magen ein ganzer Brodranft, Küchen- 
salz, Kreide, von der Wand abgeweichter Kalk, Weihwasser (Krassö- 
Szörenyer Comitat), Holzkohle (Borsoder Comitat), Alaun, weisser 
Balsam (Gömörer Comitat), Hoffmannstropfen, Aloe, Thon (Heveser 
Comitat), Nüsse, Mandeln, Citrone, Waldäpfel, Bratäpfel, unreifes 
Obst, saure Gurken, Kraut, Mohn, Kürbiskerue u. s. w. 

In Csanäd lässt die Schwangere ihren Urin in die hohle Hand 
laufen und riecht an demselben. Bei den Rutheneu „beschwört“ mau 
Bowohl die Frau, als den Branntwein, von welchem sie trinkt. 

Aeusserlich wendet man — besonders in der Magengegend — 
warmes Salz an. 

Man kocht ferner Wermuth in Essig, um mit einem damit 


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getränkten Tuche Umschläge auf den Magen zu machen. Andere 
wieder lassen sich deu Magen schmieren. 

Es giebt auch Frauen, welche gegen das Erbrechen nichts ge- 
brauchen, weil sie meinen, dass das Kind desto längeres Haar haben 
wird, je mehr die Schwangere an Sodbrennen leidet oder je häutiger 
sie erbricht (Jäsz-Kuuer Comitat). 

Was die Nahrung der schwangeren Frau im Uebrigen anlangt, 
so lautete die Antwort, wie vorauszusehen war, fast durchgängig: 
„Sie isst das, was sie hat.' 1 

Es ist indessen natürlich, dass die schwangeren Frauen, wie 
wir dies ja auch aus der Physiologie der Schwangerschaft wissen, 
für gewisse Speisen eine Vorliebe, gegen andere wieder eine Ab- 
ueigung haben. Ein ungarisches Sprichwort sagt: „Ist begierig (be- 
gehrend, voll von Wüuscheu, hat Gelüste) wie ein schwangeres Weib.“ 

Auffallen muss das viele Branntweintrinken, welches leider in 
ganz Ungarn ausserordentlich verbreitet ist und, wie wir sehen 
werden, besonders im Wochenbett eine grosse Rolle spielt. Auch 
das schwangere Weib trinkt viel Branntwein entweder mit einigen 
Mandeln oder mit Ingwer, Kümmel, Pfeffer oder Kampher, damit 
das Kind eine weisse Gesichtsfarbe haben soll. 

Ein beliebtes Getränk ist Milch, denn mau glaubt, dass es 
auch dem Kinde in der Gebärmutter nach Milch gelüste, da es sich 
davon nähre. Man trinkt auch Krautbrühe und Kohlenwasser (Abauj- 
Toruaer Comitat). 

Liebliugsspeisen sind: Knoblauch oder Zwiebeln, Hiilseufrüchte, 
Paprika (ungarischer Pfeffer). 

Man glaubt auch, dass die Schwangere ein weisses und dickes 
Kind zur Welt bringt, wenn sie viel Branntwein trinkt und Zwiebeln 
isst (Märmaroser Comitat). 

Viele Schwangere essen wenig, damit sich das Kind nicht übermässig 
entwickele, oder nähren sich aus demselbeu Grunde ausschliesslich von 
Obst, oder essen nur ungesalzene, magere Speisen. (Unbewusste 
Anwendung der Prochowuick’schen Methode!) 

Auch viel Wasser darf die schwangere Frau nicht trinken, da 
sie sonst zu viel Fruchtwasser haben (Zalaer Comitat) oder ihr 
Kind mit einem Wasserkopf (Hydrocephalus) auf die Welt kommen 
würde (Szabadka). 

Bei den Temeser Rumänen isst das schwangere Weib keinen 
Fisch, damit es kein stummes Kind bekomme, und kein Hasenfleisch, 


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denn sonst wird das Kind nicht schlafen köuneu. (Schlafen der 
Hasen mit „offenen Augen“!) 

Mit viel Salz oder Zwiebeln zubereitete Speisen darf die 
Schwangere nicht essen, da das Kind sonst voller Geschwüre sein 
würde (Esztergomer Comitat). 

Weissen Fluss während der Schwangerschaft hält man für 
den Schweiss des Kindes (Maros-Tordaer Comitat). 

15. Kleidung. 

Die Bekleidung der schwangeren Frau unterscheidet sich iu 
der Regel nicht von der Alltagstracht. 

Den Kopf hält man für gewöhnlich warm. 

Viele vermeiden — sehr richtig — das Tragen zu eng an- 
liegender Kleider, während man anderwärts im Gegentheil darauf 
sieht, dass die Kleider eng anliegen, ja man ist sogar unklug genug, 
sich den Bauch zu umwickeln, damit das Kind nicht zu sehr wachse. 
Bei den Märmaroser Ruthenen binden sich die Frauen den Bauch 
so stark „wie der Drahtbiuder das zerbrochene Gefäss“, dass sie 
kaum zu athmen im Stande sind. 

Namentlich werden gefallene Mädchen mit Vorliebe von ihren 
Freundinnen in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft in ein grob- 
gewebtes enges Hemd gesteckt, das, straff angespannt, hinten fest 
zugenäht wird. Dieses Hemd darf dann die Schwangere bis zu 
ihrer Entbindung nicht ablegeu. Die eigentliche Ursache dieses 
Brauches ist wahrscheinlich nicht nur in der beabsichtigten Ver- 
bergung der Umstände, sondern auch in erster Reihe in der Vor- 
schubleistung von Fehl- und Frühgeburten zu suchen. 

Bei den Torontaler Rumänen umgiirten sich die schwangeren 
Frauen des Morgens und des Abends den Bauch tüchtig mit einem 
drei Meter laugen, starken, selbstverfertigten Gürtel. Ihre Kleidung 
besteht im Uebrigen aus einem „Unterhemd“ und zwei Schürzen. 

Im Krassd-Szörenyer Comitat zieht die schwangere Frau ihr 
Hemd verkehrt auf den Leib. 

Die Slowakinnen binden während der Schwangerschaft die Tücher 
um, welche sie anlässlich ihrer Trauung trugen. 

Im Feherer Comitate hält man es für eine Sünde, wenn eine 
verheirathete Frau uhue Haube herumgeht oder liegt. 


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16. Hygiene der Brüste. 

Die Brüste bereitet man für ihre spätere Bestimmung in einigen 
Gegenden schon während der Schwangerschaft vor, ja im Gömörer 
Comitat ist es dem jungen Ehemanne sogar schon in der Hochzeits- 
nacht untersagt, die Brust seines Weibes auzufassen, da dieselbe 
sonst nach der Geburt wund werden würde. (S zelte ly.) 

Der grösste Theil der ärmeren Volksklasse thut indessen gar 
nichts für die Pflege der Brüste, sondern in den mir vorliegenden 
Berichten lese ich vielmehr von Schmutz und Unrath, welcher die 
Warzen krustenartig bedeckt, was durch die Wasserscheu, von der 
noch die Rede sein wird, zur Genüge erklärt wird. Andererseits trachtet 
man dort, wo das Volk schon aufgeklärter ist, die Brüste bereits 
während der Schwangerschaft zum Stillen vorzubereiten. Zu diesem 
Zwecke werden die Warzen einfach mit lauem oder kaltem Wasser, 
Seifenwasser (die Bulgaren thun dies wöchentlich), Branntwein, Rum, 
starkem Wein, Franzbranntwein gewaschen oder mit Talg, Oel, 
Vaselin, Glycerin, Schafbutter, ranzigem Fett, Milchrahm, Butter, 
menschlichen oder thierischen Excrementen (Szolnok-Dobokaer Co- 
mitat) eingerieben, oder die Frau reibt die Warzen mit ihrem Speichel 
ein (Szilägyer und Bäcser Comitat), oder macht darauf Urinumschläge 
(Szolnok-Dobokaer Comitat). 

Die oberungarischen Magyaren und Slowaken binden die Brüste 
während der Schwangerschaft meistens in die Höhe oder drücken 
sie hinunter. 

Wo die Warzen nicht genügend prominiren, lässt man entwe- 
der durch den Mann (Borsöder, Gömörer, Nögrader Comitat) oder 
durch grössere Kinder (Csiker Comitat) an denselben Saugversuche 
vornehmen, oder man reibt sie mit den Fingern, oder presst einen 
Fingerhut oder eine Nussschale darauf (Fester Comitat). 

Uebrigens ist man darauf bedacht, dass die Brüste keinen Druck 
erleiden (das wollüstige Drücken derselben ist während der Schwan- 
gerschaft verboten), dass man mit denselben nicht irgendwo anstösst, 
dass man sie nicht erkältet und dass sie kein Männerauge erblicke! 

Wenn die Brüste während der Schwangerschaft schmerzen, be- 
deckt man sie mit essiggetränkter gelber Erde, oder streicht sie mit 
einem Schleifstein, welcher zu Weihnachten auf dem Tische gelegen 
hat (Muraköz). 

Die Rumänen massiren die Brüste, damit sie genug Milch haben, 
und trinken Branntwein, damit dieselben tüchtig wachsen. 


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Auch an abergläubischen Gebräuchen fehlt es in dieser Be- 
ziehung nicht. So pflegt die Schwangere solche Wöchnerinnen auf- 
zusuchen, deren Kinder gestorben sind, oder zu solchen Frauen zu 
gehen, die ihre Kinder entwöhnen, damit „die Milch der Betreffen- 
den auf sie übergehe“. 

Die Serbinnen trachten, ihre Milch vor dem „Beschrienwerden“ 
sowie vor dem Donner (bösen Geistern) zu behüten. 

Im Feherer Comitat herrscht der Glaube, dass, wenn die Milch 
der schwangeren Frau spontan zu Hiessen anfängt, dies dafür spräche, 
dass die Frucht abgestorben ist. 

17. Vorhersagune des Geschlechts. 

Interessant ist auch die Frage, aus welchen Anzeichen auf das 
Geschlecht des zukünftigen Kindes geschlossen wird. 

Es sind dies hauptsächlich drei Umstände, denen fast überall 
grosse Bedeutung beigelegt wird. 

Erstens glaubt man, dass die Frau mit einem Knaben schwanger 
sei, wenn ihr Bauch mehr hervorstehe, „spitzer sei“, „die Last mehr 
vom im Bauche liege“, während sie ein Mädchen zu erwarten hat, 
wenn ihr Bauch breiter, flacher sei, das Gesäss dagegen mehr pro- 
minire, die Frau „steissiger 4 sei. 

Zweitens heisst es, dass die Frfh einen Knaben gebären würde, 
wenn ihr Gesicht rein ist, dass sie dagegen ein Mädcheu zur Welt 
bringe, wenn ihr Gesicht mit Leberflecken und Sommersprossen be- 
deckt ist. 

Der dritte Umstand, dem man prognostische Bedeutung zu- 
schreibt, ist die Lage des Kindes oder besser die Seite, auf der die 
Frau die Kindesbewegungen fühlt. Wenfi das Kind auf der rech- 
ten Seite liegt, oder wenn die Frau die Kindesbeweguugeu auf der 
rechten Seite verspürt, so bekommt sie einen Knaben, wenn auf der 
linken, ein Mädchen. (Hippokrates’sche Anschauung!) Viele be- 
haupten freilich das gerade Gegen theil. 

Auch nach der Färbung des Warzenhofes richtet mau sich in 
einigen Gegenden. Ein dunkel gefärbter Warzenhof spricht für 
einen Knaben, ein hellerer für ein Mädcheu. 

Das Allgemeinbefinden der Frau pflegt bei einem Knaben schlech- 
ter zu sein, als bei einem Mädchen, während die Frau im ersteren 
Fall weniger Gelüste hat und ihre Gemüthsstimmung eine ruhigere 
ist. Schwache Kindesbewegungen sprechen für ein „faules Mädchen“. 


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Aus Zahnschmerzen wird auf einen Knaben geschlossen (Nyi- 
traer Comitat), während die Frau ein Mädchen gebären wird, wenn 
ihre Beine geschwollen sind (Nögrader Comitat). Ein Mädchen 
wird auch dann erwartet, wenn die Schwangere viel erbricht, eben- 
so wenn sie dunkle Ringe um den Augen hat, oder „wenn sie beim 
Gartengraben viel herumspringt“. (?) 

Wenn die Frau beim Beischlaf laut gelacht hat, so wird sie 
ein Mädchen gebären. Wenn aber nicht, so wird sie einem Knaben 
das Leben schenken, denn „Ernst ist des Mannes Zier“. 

Für wichtig hält man vielen Ortes noch das eingebildete „Ueber- 
tragen“ der Frucht. Wenn die Frau später als zu dem erwarteten 
Termin niederkommt, so glaubt man sicher zu sein, dass sie einen 
Knaben zur Welt bringen wird. Ein ungarisches Sprichwort be- 
zieht dies nur auf einen dummen Knaben. „Ein dummer Junge 
wird auch im Mutterleib erst spät reif.“ 

Wenn die Schwangere Süssigkeiteu gern hat, so bekommt sie 
einen Knaben, und wenn sie Vorliebe für saure Speisen zeigt, ein 
Mädchen. Manche meinen, dass sie einen Knaben bekommen, wenn 
es sie nach Saurem oder nach Fisch gelüstet, ja an einem Orte 
glaubt man, dass, wenn die Frau keinen Brechreiz und dabei Appetit 
auf saure Speisen hat, ihr eine Zwillingsgeburt bevorstehe (Abauj- 
Tomaer Comitat). 

Bei den oberungarischen Slowaken begiebt sich die Schwangere 
in die Spinnstube, nimmt dort eine Spindel in den Mund und geht 
damit auf die Strasse. Wenn sie da zuerst einen Mann sieht, so 
hat sie eineu Knaben zu erwarten, uud umgekehrt. In einem Hause, 
auf dem des Morgens der Todteuvogel seine Stimme ertönen lässt, 
wird bald ein Mädchen das Licht der Welt erblicken. Wenn die 
Frau einen hinuntergefallenen Gegenstand mit der rechten Hand 
aufhebt, so wird sie einen Knaben gebären, w r ährend, wenn sie ihn 
mit der linken Hand aufhebt, das Kind ein Mädchen sein wird 
(Istvänffy). 

Im Hajduer und Csiker Comitat lässt man die Frau sich auf den 
Boden setzen; wenn sie dann beim Aufstehen sich auf die rechte 
Hand stützt, bekommt sie einen Knaben, wenn auf die linke, ein 
Mädchen. 

Wenn bei den Palöczen die Frau wissen will, ob sie einen 
Knaben oder ein Mädchen bekommen wird, so schneidet sie in der 
zweiten Hälfte ihrer Schwangerschaft von dem Ringfinger ihrer linken 


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Hand ein Stückchen Nagel ab und thut es auf glühende Kohlen. 
Verbrennt es knisternd, so schenkt sie einem Mädchen, im anderen 
Palle aber einem Knaben das Leben (Istvänffy). 

Wenn die Frau eine Stecknadel findet, bekommt sie einen 
Knaben, wenn eine Nähnadel, ein Mädchen. Träumt mau von 
einer Schwangeren, sie sei gestorben, so bekommt sie einen Knaben 
(Debreczen, Dees). 

Bietet man, wie dies in der Regel geschieht, der besuchenden 
Schwangeren Brod an, und sie schneidet sich davon einen Ranft ab, 
so hat sie einen Knaben zu erwarten (Bekeser Comitat). 

Wenn die Sokäczin während ihrer Schwangerschaft in ihrem 
rechten Schenkel Schmerzen verspürt, so wird sie von einem Knaben 
entbunden werden. Will sie bestimmt wissen, ob sie einen Knaben 
oder ein Mädchen gebären wird, so taucht sie in den ersten neun 
Wochen ihrer Schwangerschaft einmal gegen Mitternacht ein silbernes 
Geldstück in Weihwasser und legt es auf die grosse Zehe ihres rechten 
Pusses. Wenn dann das Geldstück beim Heben des Fusses nach 
rechts hinunterfällt, so wird sie einen Knaben gebären, wenn nach 
links, ein Mädchen, (v. Wlislocki.) 

Im Heveser Comitat fragt man die Schwangere, was ihrer Hand 
fehlt. Zeigt sie darauf ihren Handrücken, so wird sie mit einem 
Knaben niederkommen, wohingegen sie ein Mädchen gebären wird, 
wenn sie den Handteller zeigt. Auch im Bäcser Comitat hat das 
häufigere Betrachten des Handrückens während der Schwangerschaft 
dieselbe prognostische Bedeutung. 

Schneit es im Winter öfter des Tags, als des Nachts, so wird 
es in dem betreffenden Jahre mehr Knabengeburten geben. Im 
entgegengesetzten Falle werden mehr Mädchengeburten stattfinden. 

Bei Frauen, die schon einmal geboren haben, schliesst man auf 
das Geschlecht des Kindes daraus, wie die Leibesfrucht während 
der ersten Schwangerschaft lag und welchen Geschlechts das dann 
geborene Kind war. 

War „Papa“ das erste Wort des vorigen Kindes, so wird das 
nächstfolgende ein Kuabe sein, wenn „Mama“ — ein Mädchen. 

Auch aus einer Hautfalte (Zwickel) in der Analfurche schliesst 
man auf ein männliches Geschlecht des nächstfolgenden Kindes. 

Wenn man zu Neujahr als ersten Besuch den eines Mannes be- 
kommt, so steht ein Knabe zu erwarten, im entgegengesetzten Falle 
ein Mädchen. 


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Viele Frauen gehen übrigens zu den Kartenschlägerinnen, da- 
mit diese ihnen das Geschlecht des Kindes Vorhersagen. 

Sitzt die Frau viel auf dem ßackkorb, so steht ihr ein Mäd- 
chen bevor (Bekeser Comitat), ebenso wenn sie leugnet, in anderen 
Umständen zu sein (Soproner Comitat). 

Bei den Bunyewäczen glaubt man, dass die schwangere Frau ein 
Mädchen bekommen wird, wenn ihr linkes Auge kleiner ist. 

In Csanäd (Pester Comitat) durchsticht die Schwangere mit 
ihrem Finger ein Spinngewebe. Wenn die Spinne das entstandene 
Loch wieder zuspinnt, so kann die Frau auf einen Knaben rechnen, 
wenn das Loch jedoch offen bleibt, so wird sie von einem Mädchen 
entbunden werden. 

Dem Loche (sit venia verbo!) legt man also einen prognosti- 
schen Werth bei. Die schon erwähnte Wichtigkeit des Findens 
einer Nähnadel (entgegen dem einer Stecknadel) gehört auch in diese 
Kategorie. 

Wenn die Frau in ihr Kleid oder in ihre Schürze ein Loch 
brennt und dasselbe länglich ist, so bekommt sie einen Knaben. 
Ist es kreisförmig, so bringt sie ein Mädchen zur Welt (Bököser 
Comitat). 


IS. Willkürliche Knabeucrzeusung, 

Interessant genug sind auch die hauptsächlich während des Bei- 
schlafs angewandten Verfahren und Gebräuche, mit welchen die 
Zeugung eines Knaben bezweckt wird. 

Bei den oberungarischen Slowaken wälzt man zu diesem Zweck 
vor der Brautnacht einen Knaben im Ehebett herum und näht in 
das Brautkleid eine Mütze ein. Näht man in dasselbe eine Haube, 
so wird das erste Kind ein Mädchen sein (Istvänffy). 

Wenn man bei den Sokäczen einen Knaben haben möchte, 
so verrichtet der Mann den ersten Coitus in Tschizmen (Stiefeln), 
oder die Braut windet einen Aehrenkranz und schaut durch diesen 
unbemerkt zu ihrem Bräutigam hin, oder sie hängt am Hochzeits- 
tage ihr Brautkleid vor dem Anziehen an einen Nagel. Legt sie 
es zuvor auf das Bett, so wird sie mehr Mädchen als Knaben be- 
kommen (v. Wlislocki). 

Wenn das Ehepaar während des Coitus gegen das Kopfende 
des Bettes liegt, so wird es einen Knaben zeugen, wenn nach dem 
Fussende, ein Mädchen (Göcsej). 

Temesviry, Volksbr&ache. 3 


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Allgemein verbreitet ist die Ansicht, dass, wenn der Mann 
„feuriger“ ist, respective beim Coitus „grösseren Genuss empfindet“ 
oder „gutgelaunt ist“, oder membrum in vaginam bene immittit, das 
so gezeugte Kind ein Knabe sein wird. Der Talmud sagt gerade 
das Gegentheil. Nach ihm ist bei Zeugung eines Knaben die Frau 
der feurigere Theil. 

Wie wir oben gesehen haben, ist jener uralte (hippokratische) 
Glaube, dass die Knaben in der rechten Seite des Bauches, die 
Mädchen aber in der linken Seite gezeugt werden, auch jetzt noch all- 
gemein verbreitet. Es sind diesem Glauben auch mannigfaltige Ge- 
bräuche entsprungen. Nur wird bald die rechte Seite als die knaben- 
spendende betrachtet, .bald die linke Seite. 

In manchen Gegenden legt sich die Frau, die sich einen Knaben 
wünscht, nach dem Coitus auf die linke, in anderen Gegenden auf 
die rechte Seite. Auch der Coitus selbst geschieht von links — oder 
aber von rechts, respective die Frau liegt während des Coitus auf 
der betreffenden Seite. 

Der Mann steigt nach dem Coitus links vom Bett hinunter, 
oder steigt zu dem Coitus rechts ins Bett und dann links, oder 
wenigstens zuerst mit dem linken Bein hinunter, oder steigt — 
umgekehrt — zur linken Hand der Frau ins Bett. 

Daraus ersehen wir, wie sich der Volksglaube in den ver- 
schiedenen Gegenden widerspricht. Interessant ist es, dass sowohl 
bei Bestimmung des Geschlechts der Frucht nach ihrer Lage, als 
auch hier beim Verhalten der Eheleute während des Beischlafs die 
beiden einander widersprechenden Ansichten sich numerisch ziem- 
lich gleichsteheu. 

Auch noch andere sonderbare Gebräuche giebt es. So muss 
der Mann während des Beischlafes eine Mütze auf dem Kopfe haben 
(Bäcser Comitat, Szekely-Udvarlielyer Comitat), oder die Frau muss 
während der Schwangerschaft die Unterhose und den Hut ihres 
Mannes unter ihr Kissen legen, oder das Uuterhosenband ihres 
Mannes sich um den Leib binden (Temeser Comitat). Während 
des Beischlafs zünde sich der Mann eine Pfeife an (Maros-Tordaer 
Comitat), öder die Frau halte den Mund während des Coitus nicht 
offen (Bäcser Comitat, Torda-Aranyoser Comitat), ja eventuell halte 
ihr der Mann den Mund zu (Krassö-Szöreuyer Comitat), oder beide 
pressen während des Coitus die Lippen fest aufeinander (Csanäd, 
Fester Comitat), oder die Frau schlafe in der ersten Hälfte der 


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35 


Schwangerschaft, so lange sie Dämlich keine Kindestewegungen fühlt, 
stets auf der rechten Seite ein (Pester Comitat). 

Während der Schwangerschaft muss man beständig an Knaben 
denkeu, von Knaben sprechen und Knaben ansehen. Auch pfeife 
der Mann viel während der Schwangerschaft seiner Frau (Buda). 
Nach Einigen muss die Frau nach dem Beischlaf schnell aus dem 
Bett steigen, denn ein träges Weib bekommt ein Mädchen oder 
Zwillinge. Andere sagen wieder, dass eine Zwillingsgeburt darauf 
zurückzuführen sei, dass die Mutter nach dem Coitus aus Faulheit 
auf dem Rücken liegen blieb. 

Wenn mau sich, was allem Anschein nach — mirabile dictu 
— ebenfalls Vorkommen soll, ein Mädchen wünscht, so muss sich 
die Frau nach dem Coitus kurze Zeit im Bett aufsetzen. 

Im Hajduer Comitat nimmt eine Frau, die sich einen Knaben 
wünscht, etwas von den Lochien oder Blutgerinuseln einer solchen 
Primipara ein, die einen Knaben zur Welt brachte. 

.Jüdinnen halten das bei der Circumcision abgeschuitteue Prä- 
putium für einen knabenbringenden Talisman. 

Bei den Erdelyer Zigeunern muss die Hebamme, wenn sie 
die Schwelle überschreitet, einen Sprung thun und lachen, damit ein 
Knabe geboren werde. 

Während der Schwangerschaft darf die Frau 4'/j Monate nicht 
in den Spiegel sehen (Bekeser Comitat). Im Bäcser Comitat muss 
die Schwangere stets auf Kissen sitzen. 

Auch den Speisen wird ein gewisser Einfluss zugeschrieben. Das 
Essen von Kreide, der Genuss vielen Salzes, bei den Slowaken vieles 
Branntweintrinken, bei den Wallachen das Essen von gesalzenem 
Brode oder das Kaueu von gebranntem Kaffee machen die Frauen 
zur Zeugung von Knaben inclinirt, sowie überhaupt ausschliessliche 
Fleischdiät, gute Getränke und Vermeidung schwerer Arbeit für 
zweckdienlich gehalten w r erden, weil die Knaben „zur Entwickelung 
mehr Kraft brauchen J (Rumänen des Temeser Comitates). 

Symbolische Bedeutung hat der Glaube, dass die Schwangere 
von einem Knaben entbunden werden wird, wenn sie viel Nudeln 
und Nockerln“ isst (Krassö-Szörenyer Comitat). 

Einer Schwangeren muss, damit sie einen Knaben bekomme, 
vom Brod stets ein Ranft angeboten werden. 

Nach Einigen fällt auch dem Kalender eine gewisse Rolle zu. 

3 * 


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Ln der Muraköz herrscht der Volksglaube, dass, wenn der 
Beischlaf am Montag, Dienstag, Donnerstag oder Freitag von Erfolg 
begleitet ist, das Kind männlichen Geschlechtes sein wird. Mit der 
Statistik steht dieser Glaube insofern nicht in Widerspruch, als er 
für die Zeugung von Knaben vier und für die von Mädchen nur 
drei Tage der Woche annimmt. Wie bekannt, überwiegen that- 
sächlich die Knabengeburten die der Mädchen, wenn auch nicht in 
dem Verhältnisse wie 4 : 3. 

Bei den Slowaken hält man die geraden Monate zur Zeugung 
von Knaben für ganz besonders geeignet. 

Wenn die Frau das neugeborene Kind au einem Montage zur 
„Einsegnung - * trägt, so wird das nächstfolgende Kind ein Knabe 
sein (Ruthenen). 

Nach Einigen lässt sich auch bei der Geburt das Geschlecht 
des nächstfolgenden Kindes beeinflussen. Wenn sich z. B. die Frau 
unmittelbar nach der Geburt auf die linke Seite legt, so wird das 
nächste Kind ein Knabe sein ; dagegen ein Mädchen, wenn sie sich 
auf die rechte Seite legt (Jäsz-Kuner Oomitat). Wenn sie ein Mäd- 
chen hatte, so muss der Strohsack umgedreht (Kopf- und Fussende 
vertauscht) werden, damit das nächstfolgende Kind ein Knabe werde 
(Gödöllö), oder der alte Badetrog muss durch einen neuen ersetzt 
werden (Komomer Comitat), oder man darf von der Taufe nicht auf 
demselben Wege zurückkommen, auf welchem mau hingegangen ist. 

Nach der Geburt eines Mädchens muss sofort ein Hahn ge- 
schlachtet werden, damit das nächste Kind ein Knabe sei (Cson- 
gräder Comitat), oder der Mann muss den Mutterkuchen vergraben, 
oder den Nabelschnurrest des kleinen Mädchens einem Hahn zu 
fressen geben (Szekler. Jankü). 

Den Werkzeugen messen besonders die Slowaken grosse Be- 
deutung bei. So legt die Frau, wenn sie einen Knaben haben will, 
einen Bohrer, und, wenn ein Mädchen, ein Handbeil unters Bett. 
Befindet sich eine Axt im Haus, so ist sie zu entfernen, denn sonst 
wird die Frau ein Mädchen gebären (Trencsener Comitat). 

Nach einem anderen Aberglauben muss man, wenn man einen 
Knaben haben will, unters Bett ein solches Werkzeug thun, 
mit welchem der Mann arbeitet, sei dies ein Bohrer, eine Axt oder 
ein Hammer (Nyitraer Comitat). Wünscht sich die Gödöllöerin 
(Pester Comitat) einen Knaben, so trägt sie während der Schwanger- 
schaft ein geöffnetes Messer in ihrer Tasche. 


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19. Das Versehen der Schwangeren. 

Der, wie wir wissen, zu allen Zeiten und bei jedem Volke anzu- 
treffende Glaube an das „Versehen“, über welches die Akten — 
wie dies auch Weisenburg in seiner jüngst erschienenen Arbeit*) 
darlegt — auch heute noch nicht geschlossen sind, besteht auch in 
ganz Ungarn. 

Ich rechne hierher: 1. die Furcht davor, dass, wenrf die Schwan- 
gere einen hässlichen Gegenstand, ein hässliches Thier u. s. w. er- 
blickt, ihre Leibesfrucht eine ähnliche Entstellung oder abnorme 
Bildung erfährt, 2. den Aberglauben, dass das Kind, wenn die 
schwangere Frau vor Etwas erschrickt und sich unwillkürlich nach 
irgend einem Körpertheile greift, an einer entsprechenden Stelle ein 
Muttermal bekommt, und 3. jene für schädlich geltenden psychischen 
Faktoren, welchen Fehl- oder Frühgeburten zugeschrieben werden. 

Damit sich die schwangere Frau nicht au den Heiligenbildern 
versehe, darf sie vielen Ortes nicht in die Kirche gehen (Rumänen 
des Temeser Comitates). Ebenso darf sie in vieleu Gegenden keiner 
Kasperl- (Puppen-) Theatervorstellung beiwohnen. Wenn sie eine 
hässliche, abstossende Sache oder einen solchen Menschen oder 
Thier gewahr wird, so muss sie stets daran denken, dass sie jetzt 
schwanger ist und wünschen, dass dem Kinde dadurch, dass sie 
sich eventuell versehen hat, kein Leid geschehen möge. Dabei ist 
es besser, wenn sie das betreffende Objekt länger betrachtet, als 
wenn sie sich von demselben plötzlich wegwendet. Für zweckdien- 
lich erachtet mau es auch, wenn die Frau in einem solchen Falle 
auf ihre Nägel oder zur Erde oder gen Himmel schaut, oder aber 
wenn sie ihre Augen schliesst oder dieselben mit ihren Händen 
zudeckt oder abwischt. 

Viel mehr, ja sogar allgemein verbreitet ist die Sitte, dass die 
Frau, wenn sie solches sieht, den einen oder ausgesprochen den 
rechten oder aber den linken Daumen, eventuell alle beide an das 
Bindeband oder an den Kragen ihres Kleides legt, oder aber dass 
sie die Daumen beider Hände gegen die Handteller presst. In 
keinem Falle darf sie sich jedoch ins Gesicht fahren. 

Der Sinn, der all diesen Verfahren zu Grunde liegt, ist offen- 
bar die Furcht davor, dass bei einem derartigen Versehen, wenn die 

•) Wo Isen bürg, Gerhard von. Das Verseilen der Frauen in Vergangen- 
heit und Gegenwart. Leipzig 1899. 


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Frau in ihrer Ueberraschung oder in ihrem Schreck nach ihrem Ge- 
sicht oder irgend einem anderen Körpertheile greift, sich auch beim 
Kinde an ebenderselben Stelle ein haariges oder feuerrothes oder 
sonst irgendwie beschaffenes Muttermal bildet, oder dass, sowie sie 
sich nach dem Bauch, beziehungsweise mittelbar nach der Frucht 
greift, dieselbe zu einer Missgeburt würde oder mit irgend einer Ent- 
wickelungsanomalie zur Welt käme. 

So ist auch die Sitte zu erklären, dass die Frau an vielen Orten 
ihre Hand nicht an das Kleiderbaud, sondern auf das Gesäss legt, 
einerseits vielleicht deshalb, weil sich letzteres nicht in der Nachbar- 
schaft der Frucht befindet, andererseits jedoch deshalb, damit, wenn 
das Kind infolge des hässlichen Anblickes ein Muttermal bekäme, 
dasselbe sich auf seinem Gesäss, also au verdeckter Stelle, nicht 
aber auf dem Gesicht oder sonst einer in die Augen fallenden 
Gegend zeige. 

Noch eiu Brauch ist beim Volke besonders gegen den soge- 
nannten „bösen Blick“, aber auch gegen das „Versehen“ verbreitet. 
Dies ist das Anspucken des betreffenden oder überhaupt eines jeden 
abstossenden Wesens oder Gegenstandes oder, wie wir später sehen 
werden, auch der Wöchnerin und des neugeborenen Kindes, damit 
denselben der betreffende Zuschauer oder Besucher nicht schade. 
Das Anspucken geschieht gewöhnlich dreimal nacheinander, und zwar 
wird es meisteus nur durch entsprechende Mundbewegungen mar- 
kirt, ohne dass man die betreffende Person oder den Gegenstand 
wirklich mit seinem Speichel anspuckt. 

Wenn sich die Frau im Zimmer versah, so muss sie sofort ins 
Freie gehen. Versah sie sich dagegen im Freien, so muss sie un- 
verzüglich in ein nahegelegenes Haus einkehreu. Wenn die Frau 
vor ihrem Manne erschrocken ist, so spucke dieser in ein Glas 
Wasser und wasche damit ihre Stirne ab, oder aber er reisse von 
seiner Hose eiu Stück ab, zünde es an und räuchere damit seine 
Frau (Südungarn). 

Wenn die Frau vor irgend einem Gegenstände erschrak, so 
reisse sie, falls dies möglich ist, ein Stück davon ab und räuchere 
damit ihren Körper. Erschrak sie so sehr, dass ihr davon schlecht 
wurde, so benetze ihr Mann mit ihrem Urin im Geheimen den 
Strang der Kirchenglocke (Kalotaszeg). 

Wie oben erwähnt, hat nach dem Volksglauben das Versehen 
nur daun schädliche Folgen, wenn die Frau nicht daran denkt, dass 


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sie sich in anderen Umständen befindet. Deshalb muss sie dabei 
in einigen Gegenden ausrufen: „Nicht ich allein habe es gesehen“, 
„zu Zweit haben wir es gesehen“, „oh, dass ich mich nur nicht 
daran vergaffe“ oder „Gott bewahre mich vor einem solchen Wunder“, 
oder sie muss dreimal ausspuckeu und dabei Aehnliches wie „es 
komme über dich!“ oder „ohne Schaden u. s. w.“ vbr sich hinsagen. 

Wenn es der Frau in den der Geburt des Kindes folgenden sechs 
Wochen einfällt, dass sie sich während ihrer Schwangerschaft irgend- 
woran versehen hat, so genügt diese Rückerinnerung zur Aufhebung 
der schädlichen Wirkung. 

Der schwangeren Frau ist es verboten, Tliiere, besonders Affen, 
Hunde, Katzen u. s. w. zu betrachten, zu schlagen oder mit dem 
Fusse zu stossen, denn man glaubt, dass, wenn sie einen Hund 
schlägt oder ihm mit dem Fusse einen Tritt versetzt, ihr Kind 
ebenso behaart wie der Hund sein wird, und dass, wenn sie eine 
Katze schlägt oder mit dem Fusse stösst, das Kind hinterlistig, 
heimtückisch wie letztere sein wird, sowie dass sie durch einen solchen 
Fusstritt leicht abortirt, was übrigens als ziemlich logisch zu be- 
zeichnen ist, da bekanntlich derartige plötzliche ungestüme Körper- 
bewegungen thatsächlich einen Abort hervorrufen können. Freilich 
auch daun, wenn sie nicht gegen eiu hässliches Thier ausgeführt wurden. 

Die Szeklerin darf kein Ferkel betrachten, denn sonst kommt 
ihr Kind mit einem Kropf auf die Welt (Jankö). 

Bei den Slowaken trägt die Frau, um sich vor einer Missgeburt 
zu schützen, während ihrer Schwangerschaft unter ihrer Achselhöhle 
stets drei Zehen (Selinittchen) Knoblauch. 

Im Pozsonyer Comitat binden sich die Frauen einen mit Speichel 
beschmierten Faden um den Bauch. 

Eine Leiche darf das schwangere Weib nicht schauen, denn 
sonst wird es ein blasses, bleiches Kind gebären. Auch in eine 
Gruft darf es nicht hineinsehen, denn sonst wird es ein gelbes Kind 
bekommen. 

Bei den Rumänen sagt man, dass, wenn ein Kind mit einem 
Muttermale geboren wird, die Mutter desselben während der Schwanger- 
schaft einen dem Male ähnlichen Gegenstand, z. B. eine Weintraube, 
Brombeeren u. s. w. gestohlen hat. 

Die Schwangeren dürfen auch nicht mit Obst oder Blumen be- 
worfen werden, denn sonst bekommen die Kinder diesen Gegen- 
ständen ähnliche Muttermale. 


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In einigen Gegenden zieht die Frau während der Schwanger- 
schaft ihr Hemd oder Kleid stets verkehrt an. 

Bekannt ist auch, dass es Volksbrauch ist, nach einem Schreck 
Wasser zu lassen. Dasselbe geschieht vielen Ortes, auch wenn man 
sich an Etwas versehen hat. 

Die slowakischen Frauen streicheln sich mit der Hand dreimal 
das Gesicht und klopfen sich dreimal auf das Gesäss. 

In ein Glas Wasser geworfene glühende Kohlen spielen des- 
gleichen eine grosse Rolle. Taucht vou drei in das Wasser geworfenen 
glühenden Kohlen eine im Glase unter, so ist eine stattgehabte „Be- 
hexung“ sichergestellt und man wäscht mit diesem Wasser das Ge- 
sicht der Frau und giebt ihr davon zu trinken. 

Gegen Aborte, Frühgeburten und Todtgeburten sollen 
zumeist sanftes Reiben, Massiren, das Auf binden des Bauches, das 
Vermeiden zu vieler Bewegung, das Unterlassen von Heben schwe- 
rer Lasten, sowie des Indiehöhehebens der Hände, häufiges Baden 
oder das Gegentheil (d. i. vollständige Bäderunterlassung) schützen. 
Zu vieles Coitiren ist auch schädlich. Einzig steht der Glaube der 
Bewohner von Künszentmärton da, dass vieles Arbeiten gegen Abort 
schütze, weil „nur die träge Frau ihr Kind vor der Zeit zur Welt 
bringe“. 

Wie schon erwähnt, darf eine schwangere Frau, um kein 
todtes Kind zu gebären, an keiuem Begräbniss theilnehmen, auf 
keinen Frosch treten und kein solches Thier tödteu, sowie, um sich 
keiner Frühgeburt auszusetzen, keinen Hanf entwurzeln. 

Für ein gutes Mittel gegen Abortus wird Honig oder Honig- 
branntwein angesehen. 

Bei den Slowaken des Trencsener Comitates empfiehlt man als 
sehr wirksames Mittel gegen Frühgeburt, u. s. w r . vom Weher ent- 
liehene Leinwandreste, die um die Füsse gebunden getragen werden. 

Die Slowaken des Torontäler Comitates halten Kümmelzucker 
und das Räuchern mit Schlangenhaut für antiabortive Mittel. Im 
Pozsonyer Comitat räuchern sich die Frauen ihre Scliamtheile mit 
Ritterspornblüthe. 

Im Komäromer Comitat baden sich die ungarischen Frauen in 
den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft täglich 3 bis 4 Mal in 
einem Bad aus Quittenbaumzweigen, damit sie nicht vor der Zeit 
gebären. In Komärom begegnet mau übrigens auch noch dem aber- 
gläubischen Gebrauche, währeud der Schwangerschaft eine neue in 


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Essig getauchte Schürze zu tragen. Im Tolnaer Comitat bindet sich 
die Schwangere einen Faden dreimal um den Leib herum. Die 
Rumäninnen des Szolnok-Dobokaer Comitates verwenden zu diesem 
Zwecke das Unterhosenband (,,Gatya“-Band) ihrer Männer. 

Viele antworteten natürlich auch auf diese Frage malitiös, dass 
die Frauen zur Vermeidung von Aborten gar nichts thun, sondern 
dass sie im Gegentheil (!) tanzen, sich schmieren lassen u. s. w., 
um zu abortiren. 

Allgemein verbreitet ist der Aberglaube, dass ein spontaner 
Abort oder eine Frühgeburt, sowie überhaupt eine Erkrankung der 
schwangeren Frau besonders darauf zurückzuführen ist,' dass es die- 
selbe nach irgend einer Speise oder nach irgend einem Getränk 
verlangte, ohne dass es ihr möglich war, ihr Gelüste zu befriedigen. 
Darum besteht die Sitte, der Schwangeren stets von allen Speisen und 
Getränken anzubieteu, die sie sieht, so wie auch sie verpflichtet ist, 
von Allem zu essen und zu trinken. 

Auch in Szabadka muss man einer Schwangeren jeden ihrer 
Wünsche erfüllen, denn sonst würde das Kind mit dem der Mutter 
verweigerten Gegenstand im Munde auf die Welt kommen (Väli). 

. Die Wünsche und Gelüste der Schwangeren werden so sehr 
respektirt, dass man vielen Ortes eine schwangere Frau, wenn sie 
Esswerk stiehlt, dafür gar nicht bestraft. Es wird erzählt, dass es 
einer schwangeren Frau auf dem Markte nach dem entblössten 
Arm eines Metzgergehilfen „gelüstete“ und dass dieser sich dann 
freiwillig aus Rücksicht auf den erwähnten Aberglauben von der 
schwangeren Frau in den Arm heissen liess. Se non £ vero .... 

Wenn die Frucht der schwangeren Frau schon abgestorben war, 
gab man der letzteren in früheren Zeiten (1727) in Wein gekochte 
Rainfarn stengel und -Blätter, sowie Muskatblüthe ein (Veres). 


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V. Geburt 


30. Scliutzeöttin der Geburt. 

Als Göttin der Geburt betrachtete man bei den alten Magyaren 
die bereits erwähnte „Nagyboldogasszony“, deren Wirkungskreis sich 
ganz mit demjenigen deckt, der bei den Römern der Juno Lucina 
und bei den Griechen der Eileithyia zufiel. Die „Nagyboldogasszony“ 
haucht dem Kinde Leben ein und steht der Gebärenden bei der 
Entbindung bei. Sie ist bei jeder Geburt unsichtbar zugegen und 
schützt die Gebärende vor den „bösen Geistern“. Ihr untergeben 
sind die ebenfaUs schon erwähnte „Boldogasszony“ und zwei Engel, 
von denen der eine die Mutter, der andere das Kind behütet. Die 
, ^Boldogasszony“ (die unbefleckte Tochter der „Nagyboldogasszony“), 
von der später noch die Rede sein wird und an deren Stelle, wie 
wir gesehen haben, seit Verbreitung des Christenthums die Jungfrau 
Maria getreten ist, gilt dagegen für die Schutzgöttin des Wochen- 
bettes. Mit Beendigung des Geburtsaktes ist nämlich auch die 
Mission der „Nagyboldogasszony“ zu Ende (Kälmäny). Noch jetzt 
glaubt das Volk im „Alföld“ (die niederungarische Tiefebene) an 
das segensreiche Wirken der „Nagyboldogasszony“ sowie der „Boldo- 
gasszony“. 


2L Vorbereitungen für die Geburt. 

Bei Eintritt der ersten Geburtswehen pflegt man die Frau in 
manchen Gegenden zu massiren, mit Weihwasser zu besprengen und 
mit verschiedenen, meist schon in Bereitschaft gehaltenen Mitteln 
zu räuchern, oder das Bett zu segnen, damit die Entbindung gut 
verlaufe. 

Bei den Ruthenen baden sich die Frauen in einem Spü- 
lichtschaff und schmieren sich ihre Geschlechtstheile mit frischer 
Butter ein. 

In einigen Gegenden (bei den Erdelyer Rumänen) hält man 


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die Geburt geheim, weil man glaubt, dieselbe gehe schwerer von 
Statten, wenn Jemand davon Kenntniss hat. Darum verstecken 
sich die Frauen in den Stall, gebären dort auf der nackten Erde, 
tragen das Kind nach Hause und rufen erst dann die Hebamme, 
Anderwärts verhängt man wenigstens die Fenster, so dass das 
Zimmer ganz dunkel ist. In Russland ist das Verheimlichen der 
Geburt allgemein verbreitet, weil man auch dort meint, dass die 
Geburt desto schwerer von Statten gehe, je mehr Leute von ihr 
Kenntniss haben. 

In manchen Gegenden Ungarns (z. B. in Kün-Szt.-Marton) ruft 
man dagegen die Nachbarsfraueu zusammen, damit möglichst viel 
Personen da sind, welche die Gebärende aueifern, ihr Muth zu- 
sprechen u. s. w. 

An dem Fenster wird gewöhnlich eine Kerze angezündet, die 
bis zur Geburt des Kindes brennen muss. 

Bei den Szeklern schlägt der Manu bei Eintritt der ersten Ge- 
burtswehen in die Wand des Backofens oder des Schornsteins einen 
Nagel ein, wickelt darum einige Haare von der linken Schläfegegend 
seiner Frau und sagt: 

„ Blindes Auge (— Schläfe) werde lebendig! 

Gott hat die Erde erschaffen, 

Himmel, Wasser hat er erschaffen; 

Er gab uns das Jesukindlein, 

Seinen hochheiligen Sohn; 

Der hochheilige Geist, 

Auch der sei hier bei uns! 1 “ (v. Wlisloeki.) 

Bei den Erdclyer Sachsen zieht der Manu bei Beginn der Ge- 
burt die Deichsel aus dem Wagen. 

Während der Geburt wird meistens — sogar im Sommer — 
ordentlich eingeheizt und weder das Fenster noch die Thüre geöffnet. 
Je langsamer die Geburt fortschreitet, um so tüchtiger heizt man ein. 

23. Stell untr während des Gebärens. 

Die Geburt selbst geht, wo sie nicht von einer geschulten Heb- 
amme geleitet wird, oder selbst wenn eine solche anwesend ist, ihre 
Vorschriften und Weisungen jedoch keine Beachtung finden, sozu- 
sagen nirgends lege artis im Bett vor sich. 

Die von der Gebärenden eingenommene Lage betreffend, können 
die Gebräuche in vier Hauptgruppen eingetheilt werden: 

>f j •= '■ ' 

f > Of TKl 

f UNIVtK'JT'* ; 

if c B ' ^ 


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t) Das Entbinden im Stehen, 2) auf den Knieen, 3) im Sitzen 
und 4) im Liegen. Alle diese Verfahren haben wieder zahlreiche 
Abarten. 

Schon hier möchte ich die fast allgemein verbreitete Sitte er- 
wähnen, dass die Frauen wenigstens so lange ausser Bett bleiben, 
bis die Ausstossung des Kindes nicht ihren Anfang nimmt. In 
vielen Gegenden laufen die Frauen im Zimmer kreuz und quer 
herum und versetzen, so oft sie bei der Thür aulangen, derselben 
einen Stoss. ja, damit die Bewegung des Körpers eine heftigere sei, 
berühren sie die Thürklinke mit ihren Füssen (Pester Comitat), oder 
springen z. B. über einen Besen (Udvarhelyer Comitat) u. s. w. 

Mit dem Fortschreiten der Geburt, beziehungsweise in einem 
späteren Stadium der Ausstossungsperiode, nehmen sie dann eine 
der folgenden Lagen ein. 

I. Das Entbinden im Stehen. Das Entbinden im Stehen 
(Ungarn, Rumänen und Slowaken), in freier Stellung oder gegeu die 
Wand gelehnt, geschieht zumeist in der Weise, dass sich die Frau 
an eiueu an der Thürpfoste oder am Zimmerbalkeu befestigten Strick 
anklammert (Duua-Szerdahely). oder dass der Gebärenden zwei 
Weiber unter die Arme greifen. Bei den Märmaroser Rutheneu 
herrscht die haarsträubende Sitte, die Gebärende, besonders wenn 
die Geburt zu langsam fortschreitet, bei den Armen an einem an 
einem Balken befestigten Strick in die Höhe zu ziehen, sie aufzu- 
hängen, so dass ihre Füsse den Boden nicht berühren. Diese Sitte 
resp. Unsitte ist meines Wissens sonst nirgends in Europa beobachtet 
worden, und von Ploss und Engelmann wird sie als ein nur bei 
einigen wilden amerikanischen Volksstämmen (z. B. bei den Apache- 
Indianern) anzutreffendes Verfahren erwähnt. 

II. D as Entbinden im Knieen. Hierbei kniet oder hockt 
die Frau in der einen Ecke oder in der Mitte der Stube auf dem 
nackten oder mit Stroh bedeckten Fussboden nieder und hält sich 
mit beiden Händen an einem umgedrehten Backtrog oder au einem 
Stuhle oder an zwei Stühlen oder an einem Webstuhle fest, während 
ihre Angehörigen sie von beiden Seiten unterstützen. Diese Lage ist 
fast ausschliesslich bei den Erdelyer Rumänen anzutreffen. 

Die Serbinnen des Bäcser Comitates legen sich mit allen Vieren 
auf den Boden hin. (Knieellenbogenlage?) 

Bisweilen werden der auf der Erde kauernden Gebärenden von 


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drei oder vier Weibern die Arme so ausgestreckt, wie man sie 
„Christus am Kreuze ausstreckte u . 

Die Hebamme sitzt oder kniet vor der Gebärenden oder er- 
wartet das Kind hinter ihr sitzend oder knieend. 

111. Das Entbinden im Sitzen. Am meisten,. sozusagen in 
ganz Ungarn, und zwar fast ausschliesslich bei den Magyaren ist das 
Entbinden im Sitzen verbreitet. 

Dieses ist das im Pester, .Täszer, Bäcser, Heveser, Tolnaer, 
Györer. Komäromer, Pozsonyer Comitat, sowie in noch einigen 
hauptsächlich von Ungarn bewohnten Comitaten allgemein verbreitete 
Verfahren. Das Entbinden im Sitzen geht meistentheils in der 
Weise vor sich, dass sich die Frau auf zwei möglichst niedrige 
Stühle setzt, so dass ihre Schenkel auf je einem von zwei unter 
einem Winkel nebeneinander gestellten Stühlen ruhen, wobei die 
Vulva frei ist, oder dass sie auf einem umgekehrten Stuhl oder auf 
einem oder zwei Schemeln sitzt. Ihre Füsse lässt die Gebärende 
nicht am Boden, sondern auf zwei umgedrehten Backschüsseln oder 
auf einem oder zwei Körben ruhen. 

Alle diese Modalitäten sind als Ueberreste des Jahrhunderte hin- 
durch im Gebrauch gewesenen Gebärstuhles anzusehen. 

Die Gebärende hält sich mit ihren Händen am Bett, am Stuhle, 
an der Ofenbank u. s. w. fest. 

In manchen Gegenden setzt sich die Frau in den Schooss ihres 
Mannes, so dass ihre Schenkel auf den seiuigen ruhen (Györer, 
Komäromer Comitat). 

Bei dem Entbinden im Sitzen nimmt die Hebamme fast immer 
vor der Gebärenden Platz, und zwar entweder auf einem Stuhl oder 
auf einem Schemel oder aber knieend, und leitet die Geburt nur 
selten von hinten (Abauj-Tornaer Comitat). Der Damm wird in 
allen diesen Stellungen entweder gar nicht oder nur in unzureichen- 
der Weise geschützt. 

Es wird uuter die Gebärende häutig irgend ein grösseres Ge- 
fäss, z. B. ein kleiner Badetrog zum Auffangen des Fruchtwassers, 
des Blutes, der Placenta u. s. w. untergeschoben. 

Eventuell umspannt eine — hinter ihr stehende oder sitzende 
— Frau die auf zwei Stühlen sitzende Gebärende und stemmt ihre 
Kniee oder Füsse gegen deren Rücken, was angeblich die Geburt 
erleichtert. 


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IV. Das Entbinden im Liegen geschieht entweder auf 
dem Fussboden, und zwar auf der nackten Erde, oder auf einer 
schmutzigen Kotze (Decke) oder auf Fetzen (Lumpen), oder aber 
4uf eigens zu diesem Zwecke in die eine Ecke der Stube ge- 
streutem Stroh oder Heu, über welches man eventuell eine schmutzige 
Decke breitet. 

An einigen Orten (bei den Slowaken) muss das Stroh parallel 
mit den Stubenbalken liegen. Es ginge so, sagt mau, die Geburt leichter 
von statten. Das Querlegen des Strohes scheint im Volksglauben 
zu einer Querlage zu dispomreu. 

Wenn die Entbindung im Bett vor sich geht, so nimmt man 
aus demselben vorher den Strohsack und das Kissen heraus und 
legt die Gebärende einfach auf Schüttenstroh oder breitet darüber 
auch einen Sackfetzen oder eine Kotze, jedoch nie ein reines Bett- 
tuch oder andere reine weisse Wäsche aus. Im besten Falle thut 
mau dies erst nach der Geburt. Vielen Ortes legt mau der Gebären- 
den die Unterhose des Mannes, welcher, so wie dessen übrigen 
Kleidungsstücken, auch sonst eine über Gebühr grosse Rolle zufällt, 
unter den Rücken. Als Decke gebraucht mau meisteutheils eine Kotze. 

Es zeigt schon von Fortschritt, wenn ein Leinentuch auf das Stroh 
ausgebreitet wird. Aber auch dort ersetzt man den Strohsack durch 
gewöhnliches Stroh. 

An einigen Orten fürchtet man sich völlig — theilweise frei- 
lich aus Sparsamkeitsrücksichten, um das Bett nicht zu verunreini- 
gen — vor dem Entbinden im Bett, so dass die Frauen oft nur so 
lange zu Bette bleiben, bis die Ausstossung des Kindes beginnt, 
und es dann schleunigst verlassen, um auf der Erde zu entbinden. 
Nach der Geburt legen sie sich daun wieder ins Bett zurück. 

Die Lage der Gebärendeu während des Entbindens ist oft in einer 
und derselben Gegend bei den verschiedenen Nationalitäten eine ver- 
schiedene. So gebären im Toroutäler Comitate die deutschen Frauen 
im Bett, die Ungarinnen auf dem Stuhl, die Serbinnen auf der Erde. 

Die Frauen mosaischen Glaubens entbinden in ganz Ungarn 
im Bett. 

Uebrigens ist das Entbinden im Bett auch in Ungarn der all- 
gemein angenommene Brauch bei der intelligenteren und besser 
situirten Klasse aller Nationalitäten und Oonfessionen. Die oben 
geschilderten verschiedenen Gebräuche beziehen sich fast ohne Aus- 
nahme auf die ärmere Volksklasse. > 


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47 . — 


Die erwähnten Verfahren werden auch bei ein und derselben 
Nationalität mit verschiedenen Varianten angewandt. So entbinden 
z. B. die Slowakinnen stehend oder auf zwei Stühlen sitzend oder 
kauernd. In einigen Comitaten trifft man alle vier Verfahren an. 

Die Zigeunerinnen, Rumäninnen, Serbinnen und Bulgarinnen 
entbinden alle auf der Erde. 

Es herrscht übrigens überall der Glaube, dass das Entbinden 
im Bett am ungünstigsten ist, weil es am längsten dauert. Deshalb 
pflegen auch solche Frauen — ich habe da immer nur die ärmere 
Volksklasse vor Augen — , die sonst im Bett entbinden, wenn sich 
die Geburt zu sehr in die Länge zieht und schmerzhaft ist, aus dem 
Bett zu steigen, um auf einem Stuhle oder auf der Erde zu ent- 
binden. 

Seitdem Walcher bei engem Becken das Entbinden in schwe- 
bender Lage insofern für vortheilhafter befunden hat, als sich da- 
bei der Graddurchmesser des Beckens vergrössert, ist die Frage der 
Ausfindigmachung der für die Gebärende günstigsten Lage bekannt- 
lich wieder actuell geworden. 

Bei den Bulgaren legt man die Gebärende in eine Ecke 
unter das Mutter Gottes-Bild mit dem Kopfe nach der Thüre zu; 
in der entgegengesetzten Lage müsste das Kind todt zur Welt 
kommen (Czirfusz). 

In Kalotaszeg verwendet mau zum Geburtslager zwei bis drei 
nebeneinander gestellte Wandbänke. 

In der niederungarischen Tiefebene (Alföld) entbindet die Frau 
auf in die Mitte der Stube geschüttetem Stroh und geht erst nach 
der Entbindung in ihr eigentliches, in der einen Stubenecke auf- 
geschlagenes Wochenbett, in das sogenannte Zeltbett oder „Boldog- 
asszony-Bett“. 

Nach den meisten Berichten kostet es den Aerzten und geschul- 
ten Hebammen einen heissen, harten Kampf, die Frauen zu be- 
wegen, im Bett zu entbinden. Selbst wo es hier und da gelingt, 
die „Jungen“ mit dem „neuen Verfahren“ zu befreunden, halten 
doch die „Alten“ immer noch zäh am Entbinden im Stehen, Knieen, 
Sitzen oder auf der Erde fest, indem sie — wie ich schon erwähnte 
— meinen, dass dabei das Kind leichter und schneller zur Welt 
komme. Dem Entbinden auf der Erde reden übrigens nicht selten 
auch die Hebammen selbst das Wort, um nicht viel zu waschen zu 


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haben. An vielen Orten wird nämlich in der ärmeren Volksklasse 
von der Hebamme trotz ministeriellen Verbotes auch das Waschen 
der Schmutzwäsche gefordert. 

*33. Kleidung der Gebärenden. 

Die Kleidung der Gebärenden betreffend, habe ich sozusagen 
durchgängig die Antwort bekommen, dass die Frauen in ihren lum- 
pigsten, schmutzigsten Kleidern entbinden. In diesem Punkte sind 
sich alle Nationalitäten gleich. Ungarn, Deutsche, Rumänen, Ser- 
ben, Slowaken u. s. w. von der armen Volksklasse sehen alle nur 
darauf, dass weder das Bett oder Bettzeug, noch die Kleider oder 
Wäsche der Frau verunreinigt werden, ja es wird sogar berichtet, 
dass die eventuell vor der Entbindung getragene reine Wäsche bei 
den ersten Wehen durch schmutzige ersetzt wird. 

Die meisten Frauen entbinden im Hemd und Unterrock oder 
in einer weiten Taille und Unterrock, oder nur im Hemd oder in 
einem „Pendel“ genannten Unterhemd; die Strümpfe werden zumeist 
anbehalten. Einige, besonders die stehend Entbindenden, bleiben 
ganz angezogen und hängen über ihre gewöhnliche Tracht auch noch 
ein grosses Tuch um. 

Andere (die Rumäninnen des Hunyader Comitates) entbinden 
dagegen auch in ganz nacktem Zustande. 

Auch in Bezug auf die Kleidung der Gebärenden haben die 
diplomirteu Hebammen einen schweren Stand. Gegen das Anziehen 
reiner Wäsche wehren sich Erstere nämlich auf das Erbittertste. 
Denn es herrscht auch der Glaube, dass sich die bei der Geburt 
schmutzig gewordene Wäsche nicht auswascheu lasse, und deshalb 
gebraucht man auch im besten Fall — wie bereits erwähnt — 
keine Weisswäsche, sondern fast durchweg nur farbige, bunte Wäsche, 
Kleider u. s. w. 

Die Rumäninnen des Häromszeker Comitates ziehen acht Tage 
lang (bis zum ersten Bad) kein frisches Hemd an. 

In Abauj-Torna zieht man den Rock tüchtig zusammen, damit 
auf diese Weise die Geburt leichter von statten gehe. 

Vielen Ortes wickelt man der Gebärenden ein kleines Tuch 
um den Hals (gegen Kropfbildung). 


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24. Behandlung der Geburt. 

Behufs Beschleunigung der Geburt einerseits, sowie Linderung 
der Schmerzen andererseits wendet das Volk die verschiedensten Ver- 
fahren und Ceremonien an. 

Dieselben können, abgesehen von den Gebeten, von welchen sich 
die au die Mutter Gottes, besonders aber die an den heiligen An- 
tonius von Padua gerichteten grosser Beliebtheit erfreuen, in der 
Hauptsache in fünf Gruppen eingetheilt werden, nämlich in: 

1) active Bewegungen der Gebärenden, 

2) passive mechanische Einwirkungen, 

3) Düustungeu und Räucherungen, 

4) Getränke und Medicamente und 

5) sonstige Verfahren. 

I. Zu der ersten Gruppe gehört: das oben erwähnte Herum- 
spazieren, welches eine beinahe allgemein verbreitete Sitte ist, an 
vielen Orten sogar, wenn schon die Ausstossung des Kindes be- 
gonnen hat. Nicht selteu geht man dabei so weit, dass die Ge- 
bärende, wenn sie sich vor Ermüdung und Erschlaffung schon nicht 
mehr auf den Füssen zu halten vermag, von zwei Frauen unter den 
Arm genommen und so im Zimmer kreuz und quer herumgeschleift 
wird, da „sich nur auf solche Weise die Knochen öffnen“. Ferner 
ist das ebenfalls schon angeführte Stossen der Thüre und Thür- 
klinke mit den Füssen, welches eine Sonderheit der Rumäninnen 
des Häromszeker Comitats ist, das Vousichstossen eines Hundes, 
einer Katze u. s. w. mit dem Fusse, das dreimalige Herumgehen 
um den Tisch und dreimaliges Küssen seiner Ecken (Szabolcser Co- 
mitat), das mehrmalige Heruuterspringen von einem Stuhl, einem 
Tische oder einer Wandbank, starkes Blasen in ein leeres Glas (so- 
genanntes „Kraftgeben“) u. s. w. zu erwähnen. 

Wenn dies Alles nichts nützt, so wird hei den Rumänen die 
Gebärende auf eine Schaufel gesetzt und unter dem Gemurmel von 
Zauberworten „in die Kammer geworfen“ (Csiker Comitat). 

In der Muraköz lässt man die Frau auf allen Vieren herum- 
kriechen, zieht sie hin und her „wie einen Bären“ und legt sie auch 
auf den Bauch. 

Zur Beschleunigung der Entbindung prügelt an vielen Orten 
die Gebärende ihren Mann; unterlässt sie dies, so geht, heisst es, 
die Geburt nur langsam vorwärts. 

Temesv&ry, Volkebriiuche. 4 


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II. Die passiven mechanischen Einwirkungen bestehen 
besonders darin, dass der Mann seine Frau in die Höhe hebt und 
sie dreimal ordentlich zusammenrüttelt, „wie einen vollen Sack“ 
(namentlich bei den Serben und Ungarn), oder sie auf seinen Rücken 
nimmt, mit ihr so herumgeht und sie dabei ein paar Mal tüchtig 
abschüttelt (bei den Ungarn im Feherer, Zalaer, Bekeser und Szat- 
mürer Comitat). Eventuell ist die Hebamme oder eine zur Hülfe- 
leistung herangezogene Nachbarsfrau verpflichtet, diese Abschütte- 
lungen zu besorgen. Ein anderes Verfahren besteht dariu, dass sich 
die Frau auf die Erde oder ins Bett legt und ihr Mann dreimal so 
über sie hinwegtritt, dass er mit seinen Füssen vorsichtig ihren Bauch 
berührt (Ungarn des Pester, Jäszer, Heveser Comitates), oder dass 
man ihren ganzen Körper oder nur ihren Rücken reibt und schmiert, 
was übrigens allgemein Gebrauch ist, oder nur ihren Bauch, „da- 
mit das Kind weiter hinuntergehe“. Vorher schmiert man den Bauch 
oft mit Butter ein. Manchmal geht man bei den Schmierungen so 
stark ins Zeug, dass beinahe die Haut herunterkommt. Man glaubt 
nämlich, dass man durch die Massiruugen dem Kiude helfe, sich 
mit dem Kopfe nach unten zu wenden. 

An manchen Orten drückt Jemand seine Kniee gegen das 
Kreuzbein der Gebärenden. Anderwärts steckt man Letztere in 
einen Mehlsack und wälzt sie darin herum (Jäszer, Biharer Comi- 
tat), oder man schaukelt sie in einem Leinentuch (Hüromszeker 
Comitat), oder in einem Trog und schüttelt sie kräftig ab 
(Gj’örer, Nögräder Comitat), oder mau bindet ihr ein Tuch um 
den Leib und schüttelt sie so ab (Udvarhelyer Comitat), oder man 
presst ihr den Bauch tüchtig mit einem Handtuch zusammen (Abaujer 
Comitat) u. s. w. 

Es giebt auch Gegenden, wo man die Frauen bei dem Herau- 
nahen der „schweren Stunde“ noch herumfahren lässt in der Absicht, 
durch dieses Rütteln die Geburt zu erleichtern. 

III. Die Dünstungen und Räucherungen, welche man im 
Falle von Erfolglosigkeit auch dreimal wiederholt, geschehen mit: 
heissem Wasser, Dillsamen, Pfefferkraut, Kümmel, Zwiebelschalen- 
aufguss, Verbrennung eines ganzen Zwiebelkranzes, Kleie, Heu, 
Weihrauch (Pester Comitat), Wachhold erbeeren (Alsö-Fejerer Co- 
mitat), weissem Zucker, süsser Milch (Trencsener Comitat), Kamillen- 
thee, Aloe, Asa foetida (Bekeser Comitat), Essig, Safran, Kamillen 
(Zalaer Comitat), wilder Mohrrübe oder wildem Hanfsamen (Mura- 


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köz), Hafer, Federn (Nyitraer Slowaken), auf warme Ziegeln ge- 
gossenem Branntwein (Szatmärer Comitat). Auch wird Pferdemist 
abgebrüht und zu Dünstungen und Kataplasmen verwendet (Bekeser 
Comitat). Am verbreitetsten ist das Räuchern mit Zwiebelschalen 
und Kümmel. 

Bei den Erdelyer Sachsen räuchert man die Frau, um die 
Geburt zu beschleunigen, mit den Federn einer schwarzen Henne 
und mit Schweinsborsten. 

Im Heveser Comitat setzt man die Frau über gekochte Bohnen- 
stengel oder streut ein Gemisch von Kümmel, Zwiebelschalen und 
weissem Zucker auf glühende Kohlen. 

Die Erzeugung dieser Dämpfe geschieht meistens durch direktes 
Kochen und Sieden des betreffenden Mittels, zuweilen jedoch nur 
durch Giessen desselben auf heisse Ziegel oder glühende Kohlen, 
eventuell im Nachttopf, über welche Gegenstände sich die Gebärende 
mit gespreizten Beinen stellt. 

Manchen Ortes stellt man die Gebärende einfach über die 
Flamme von auf einen Teller gegossenem und angezündetem Wein- 
geist (Fälegyhäzer und Uuger Comitat), oder über glühende Kohlen, 
durch welche Verfahren schon viele Brandunglücke entstanden sind, 
oder man legt einen Stein, ein Stück Eisen ins Feuer, löscht dann das- 
selbe in einem Eimer mit heissem Wasser oder Essig und dünstet 
sich damit. 

Hierher zu rechnen sind auch noch die warmen Bäder, welche 
jedoch schon mehr von der intelligenteren Volksklasse gebraucht 
werden. 

IV. Verschiedene Getränke und sonstige Medicamente. 
Man trinkt Wein — eventuell mit Ingwer, Zimmt und Gewürznelken 
— oder Rum, meistens jedoch Branntwein, entweder aufgekocht oder 
mit Ingwer, Safran, Kümmel, Zuckermelonenschale oder mit Schaf- 
garbe (Achillea) (Jäszer und Bäcser Comitat) gewürzt, ja sogar 
Branntwein mit Schiesspulver (Jäszer Comitat, Ugocsaer Comitat) 
oder Branntwein, in welchen man von Silbergeld heruntergekratzten 
Schmutz gerührt hat (Slowaken des Torontäler Comitates). Oft trin- 
ken die Frauen so lange, bis sie berauscht sind. Ausserdem trinkt 
man Kümmelwasser, aufgekochte gezuckerte oder einfach laue Milch, 
Kamillenthee oder Pfingstrosen in Rothweiu, Rauten- und Rosen- 
blüthenthee (Hunyader Comitat), oder aus Verbascum (Szabadka), aus 
Kuckuckskraut, blauem Rittersporn, Bitterwurz (Krassö-Szörenyer 

4 * 


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Comitat), Mohnblumen und anderen Kräutern zubereiteten Thee, deu 
Absud von weissen Lilien, sowie Safran (Bekeser Comitat), kaltes 
Wasser. Auch Zwiebeln giebt mau der Frau zu essen (Abaujer Co- 
mitat). Es werden hier also dieselben Mittel verwendet, die wir 
als in der Volksmediciu benutzte Fruchtabtreibungsmittel kennen 
gelernt haben. Das Secale coruutum ist jetzt schon ohne ärztliche 
Verordnung weniger zugänglich. 

Die Erdelyer Rumänen thun Flinteukugeln ins Wasser und 
lassen die Fraueu von diesem abtrinken. 

In früheren Zeiten war abgeschabtes Gold von den ob ihres 
feinen Gehaltes berühmten ungarischen Geldstücken ein beliebtes 
Mittel zur Erleichterung der Geburt. 

V. Von den verschiedenen sonstigen Verfahren ist vor 
allen Dingen zu erwähnen, dass man während der Geburt, sogar auch 
im Sommer, das Zimmer ordentlich heizt und die Gebärende event. 
noch mit warmen Ziegeln und Töpfen bedeckt, was übrigens be- 
kanntlich ein ziemlich rationelles Verfahren ist. 

Das Wehklagen oder Schreien hält man desgleichen für ein 
der Geburt förderliches Mittel. 

Gegen krampfartige Wehen gebraucht man heisse Wasser-, 
warme Branntwein- oder Kamillentheeumschläge (Csallököz), oder 
einfach gewärmte Lappen oder Teller oder geräucherten Hanf (Hon- 
ter Comitat), oder gewärmtes oder gekochtes Garn, Kleie, Hafer, 
Schellkraut (Esztergomer Comitat) und andere gewärmte Kräuter oder 
warm gedünstetes Hasenfell (Nögräder Comitat), gewärmtes Salz 
(Bekeser Comitat). 

Deu Bauch schmiert man mit Zwiebelsaft ein Abaujer Comi- 
tat), bindet um deu Leib ein Unterhoseuband und zerrt die Frau 
an demselben herum, oder bindet um den Leib solch abgebrühtes 
Garn, welches von eiuem Mädchen als Erstlingsarbeit gewebt wurde 
(Heveser Comitat), oder man bindet der Gebärenden das Unterhoseu- 
baud des Mannes (Unger Comitat) oder in heissem Wasser durch- 
feuchtetes gewöhnliches Garn um den Leib (Väcz). Im Bekeser 
Comitat hält die Gebärende ihren Lieblingstopf in der Hand. 

Bei lange dauernder Geburt spannt mau einen Strick aus und 
lässt die Frau darunter dreimal hinwegkriechen, da mau meint, dass 
die Entbindung deshalb so schwer von statten geht, weil sich die 
Nabelschnur um den Hals des Kindes gewickelt hat, was indessen 
nur so geschehen konnte, dass die Frau während ihrer Schwanger- 


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■schaft unter einem Strick hinweggegangen ist. Wie viel mal sie 
dies gethan habe, so viel mal habe sich die Nabelschnur um den 
Hals des Kindes geschlungen. Wenn nun die Frau während der 
Geburt von Neuem unter einem Strick wegkriecht, so dreht sich die 
Nabelschnur wieder auf (Pester Comitat). 

Bei den Serben tritt die Frau über die Oeffnung des Back- 
ofens hinweg und trinkt aus den Stiefeln ihres Mannes Wasser, oder 
aber speciell solches Wasser, in dem sich vorher ein Mädchen das 
Haar gewaschen hat (Bäcser Comitat). 

Vielen Ortes thun die Frauen ein wenig Mutterkorn in ein Glas 
Wasser und trinken dies (Toluaer, Ugocsaer, Pester Comitat). 

Bei den Szeklern stellt sich die Frau auf die Unterhose des 
Mannes (Jankö). 

Anderwärts lehnt man an das Bett der Gebärenden eine alte 
Leiter und hängt eine Unterhose des Mannes rittlings darauf (Buda), 
oder die Frau trinkt dreimal aus dem eingedrückten Hute ihres 
Mannes (Rumänen des Bäcser Comitates) oder aus dessen Hand- 
teller (Häromszeker Comitat), oder tritt dreimal über einen „Suba“ 
(ungarischer Bauernpelz) hinweg (Bekeser Comitat). 

Die Mutter oder Schwiegermutter der Gebärenden legt ihr Kopf- 
tuch auf den Bauch der Gebärenden und macht dreimal ein Kreuz 
darauf (Kolozsvär, Szaboleser Comitat), oder man bindet der Ge- 
bärenden ihr Hochzeitstuch um den Leib und zieht ihr die Hochzeits- 
handschuhe an (Hunyader Comitat). 

Die Thüren und Schubladen macht man auf, um „dem neu- 
geborenen Kinde einen Weg zu bahnen“. Die Schlösser müssen 
sämmtlich geöffnet sein, ebenso die Ohrgehänge, da sich so auch 
„die Gebärmutter leichter öffnet“. Diese Sitte ist auch bei den 
Juden allgemein verbreitet. Dieser Brauch dürfte Utilitätsgründen 
seinen ITrspruug verdanken, indem im Wochenbett der Ehemann 
die Stelle der Hausfrau zu vertreten hat, und da er die Schlüssel 
in der Regel nicht genau kennt, wird ihm sein Geschäft durch das 
Offenlassen der Thüren erleichtert. 

Bei den Ruthenen löst man der Frau das Haar und nimmt 
ifir sowohl das Ohrgehänge, als auch ihre Ringe herunter. Ander- 
wärts löst mau bei Eintritt der Geburtswehen alle Knoten am Kleide 
der Frau auf. 

Die Zigeunerin küsst beständig die Erde und betet. 


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im Heveser Comitat tritt der Mann, um die Geburt zu be- 
schleunigen, mit seinem rechten Fusse dreimal über die Gebärende 
hinweg und räuchert dann deren Schamtheile mit seinem Unterhosen - 
band oder aber mit seinen und seiner Frau Scham- und Achsel- 
höhlenhaaren, oder coitirt, wenn dies Alles nichts hilft, während der 
Entbindung! De gustibus . . . 

Im Jäszer Comitat steckt man bei einer schweren Geburt eine 
brennende Kerze in den Nabel der Frau. 

Im Csongräder Comitat legt mau der Gebärenden den Kirchen- 
schlüssel unter den Kopf. 

In der Muraköz muss die Frau vor der Geburt einen auf die 
Erde gestellten Krug umstossen, um leichter entbinden zu können, 
während man ihr während der Geburt den Bauch mit Schlangen- 
haut reibt, damit sie so leicht entbinde, als sich die Schlange leicht 
häutet. Daselbst muss auch die Hebamme, wenn sie zum ersten 
Male das Zimmer betritt, die Gebärende mit ihrem Kopftuche und 
ihrem Rosenkranz dreimal schlagen, damit die Geburt normal und 
schnell von statten gehe und das Wochenbett ein fieberfreies sei. 

Bei den Erdelyer Rumäuen bindet sich die Gebärende eine 
Schlaugenhaut oder die Unterhose ihres Mannes um den Leib, nach- 
dem sie auf ihrer Brust und ihrem Bauch ein Ei einige Mal auf- 
und abrolleu liess. 

Bei den Slowaken des Nögräder Comitates giebt der Mann 
seiner kreissenden Frau aus seinem Munde zu trinken, bindet ihr 
sein Unterhosenband um den Leib, uriuirt in die Stiefeln und lässt 
die Frau von dem Urin trinken! Auch bei den Märmaroser Ruthe- 
neu glaubt man, dass die Frau ihr Kind nicht eher zur Welt bringen 
könne, bis sie von ihrem Mann „nicht noch einmal Wasser erhält". 
Das erste Mal erhielt sie nämlich beim Coitus Wasser (Sperma für 
Wasser!). Daher der Brauch, dass der Mann seine Frau während des 
Kreisseus (dreimal) aus seinem Munde tränkt. 

In Gömör kommen sämmtlicke Frauen des Dorfes in die Wochen- 
stube, um zu beten, wofür man ihnen daun Branntwein und Brod 
schenkt. 

In Miirmaros „löscht mau Kohlen'*, wovon bei den gegen bösen 
Blick angewandten Verfahren noch die Rede sein wird, wäscht mit 
dem Kohleuwasser sämmtliche Möbel, Thüren, Fenster ab und giesst 
den Rest desselben auf das Kleid der Gebärenden. 

Wenn im Bekeser Comitat die Geburt lange dauert, so tritt der 


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Mann dreimal nackt über die Frau hinweg und giebt ihr darauf aus 
seinem Munde zu trinken. Im Hajduer Comitat legt sich der Mann 
auf die Erde, und die Frau steigt einigemal über ihn hinweg. 

Der Kalotaszeger Bauer läutet, wenn seine Frau schwer ent- 
bindet, an der Kirchenglocke. 

Im Maros-Tordaer Comitat füllt mau vier Eierschalen mit Wasser 
und giebt dieses der Gebärenden zu trinken, damit „der Mutter- 
mund so gross werde, wie die vier Eier es sind“. 

Charakteristisch beschreibt eine Hebamme aus dem Arader 
Comitat die dort bei den ungarischen Bauern während einer schwe- 
ren Entbindung herrschenden Gebräuche: 

„Wenn die Geburt lange dauert, so ko mm en fünf oder sechs 
Frauen zusammen, vou welchen eine jede etwas Anderes zu rathen 
weiss. Der Mann packt die Frau an und schüttelt sie dreimal tüch- 
tig durch, denn dadurch „kommt das Kind weiter herunter“. Dann 
giebt er ihr aus seiuer linken hohlen Hand dreimal zu trinken, die 
Frau wieder stösst die Thüre dreimal heftig mit ihrer linken Ferse. 
Hierauf wäscht der Mann seine Frau, trocknet sie mit der Kehr- 
seite seiner Unterhose ab und bindet ihr das Unterhosenband drei- 
mal um den Leib. Wenn dies Alles nichts hilft, so räuchert man 
die Frau mit einem Gemisch von neunerlei verschiedenen Kräutern 
und Zwiebeln und deckt sie so warm zu, dass sie beinahe erstickt. 
Hilft auch dies nicht, so lässt man die Frau beten und legt ihr 
einen Rosenkranz auf die Brust. Inzwischen reibt man weisse Mal- 
venwurzel und giebt ihr diese, Zimmt und Safran in Milch gekocht 
ein. Unter ihren Rücken tliut man warme Kleie (in einem Säck- 
chen), und wenn die Zeit der Kindesausstossung naht, unterbindet 
mau ihr die Schenkel, damit das Blut in die Höhe steige, nicht aber 
in die Extremitäten sinke. Nach der Geburt des Kindes lässt mau 
die Frau in ein Glas hiueinblasen, oder man stellt sie über warmes 
Wasser, damit die Nachgeburt schnell ausgestosseu werde. Darauf 
wischt man mit derselben das Gesicht der Frau dreimal ab und 
lässt letztere in sie dreimal tüchtig hineinbeissen Nach der Geburt 
trinkt die Frau viel Branntwein, in welchem Ingwer, Kampher, Küm- 
mel und Safran aufgelöst wurden. Nach einer Massage des Bauches 
deckt man die Frau gut zu, damit sie schwitze, und umgiebt ihren 
Bauch mit Petersilien-, Wermuth-, Kamillen-, Schierlings- und 
Klettenblättern u. s. w. Sofort nach der Entbindung isst die Wöch- 
nerin ein Stück Brod mit Speck und verschiedenes Andere. Zur 


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Kindtaufe weisst die Frau schon selbst die Ofenbank, streicht 
andere Gegenstände an, bereitet das Vesperbrod (Jause) vor, ver- 
richtet also mit einem Worte schon Alles selbst.“ 

Auch bei den Slowaken lässt man die Gebärende sich nicht 
ins Bett legen, sondern lässt sie beständig herumlaufen, heizt gut 
ein und räuchert sie mit in einen kleinen Topf gethanen Zwiebel- 
schalen, oder giebt ihr Milch mit Ingwer zu trinken, damit die Wehen 
stärker und häufiger kommen mögen. Zieht sich die Geburt lange hin, 
so schüttelt man die Kreissende tüchtig durch oder legt sie auf einen 
Strohsack, dessen Zipfel zwei Frauen halten, und zerrt sie dreimal 
hin und her, damit „das Kind frei werde“. Man glaubt der Ge- 
bärenden Erleichterung zu verschaffen, wenn man ihr den Bauch 
und die Kreuzgegend tüchtig „schmiert“. 

Während der Geburt klammern und lehnen sich die Frauen 
natürlich an Alles an, was sich in ihrer Nähe befindet, und zwar um- 
schlingen sie, je nach der Lage, in welcher sie gebären, den Hals 
ihres Manues, der Hebamme oder der Nachbarsfrau oder eines an- 
deren zu diesem Zwecke anweseuden Weibes, oder sie halten sich 
au der Bettseite oder, wenn das Bett an der Wand steht, an einem 
zu diesem Behufe in dasselbe gelegten Brett, dem sogenannten Bett- 
brett, oder an einem Stuhle oder an einem Tische fest, oder sie 
legen einen Besen ins Bett, oder binden einen Wickel an das Eude 
des Bettes und klammern sich an diese Gegenstände an. Wenn die 
Frau sitzend entbindet, so legt sie für gewöhnlich ihre beiden Hände 
auf ihre Schenkel und lehnt sich gegen die Brust einer sie von 
hinten umarmenden Person an. 

In Abauj-Toma lehnen sich die .Russinnen mit dem Rücken 
gegen die Thüre, während Jemand dieselbe von aussen öffnet und 
so die Frau vor sich schiebt, welche sich gegen die Thür anstemmen 
muss. (Schwedische Gymnastik !) Mau meint, dass das Kind auf diese 
Weise ermüdet uud daher schneller zur Welt kommt. 

Die Märmaroser Rutheniu wird, wie wir gesehen haben, an 
einem ihr unter den Armen um den Leib gebundenen und am 
Stubenbalken befestigten Strick in die Höbe gezogeu, so dass ihre 
Füsse die Erde nicht berühren. 

Schliesslich verdient noch ein freilich äusserst seltener Brauch 
Erwähnung, der meines Wissens sonst auch nur bei einigen wilden 
Stämmen anzutreffen ist, uud der darin besteht, dass der Ehemann 


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zur Beschleunigung der Geburt einen Schuss über dem Kopfe seiner 
kreissenden Ehehälfte abfeuert. 

Wenn eine Kreissende phantasirt. so befestigt man zu ihrem 
Kopf- und Fussende je zwei Esslöffel in Kreuzform (Oberungarische 
Slowaken. Istvänffy). 

In Felegyhäza herrscht die Sitte, einer Erstgebärenden in den 
untersten Saum ihres Rockes Salz und Speck zu binden. Beides 
dient dann als „Liebesspeise“. Wenn nämlich mit diesem Salze 
ein Mädchen das Essen eines jungen Mannes salzt oder mit diesem 
Speck das Brod desselben bestreicht, so wird sich der Betreffende 
in sie verlieben. 

Zur Sicherung eines leichten und glücklichen Geburtsverlaufes 
herrschen vielen Ortes schon »während der Schwangerschaft die 
verschiedensten Gebräuche. 

Des Betens und Wallfahrens haben wir schon gedacht. 

Man hält es für gut, wenn die Schwangere ein Stückchen von 
einem Baume bei sich trägt, in den der Blitz eiugeschlagen hat. 
So wird sie keine zu schmerzhafte Entbindung haben und wird ein 
kräftiges, gesundes Kind zur Welt bringen (Kalotaszeg. Jankd). 

Eine schwangere Frau darf im Zimmer kein Messer schleifen, 
denn sonst wird sie schwer entbinden. 

Frau von AVlislocki erwähnt, dass die schwangeren Frauen 
in den Donaugegenden zur Sicherung einer schnellen und sicheren 
Geburt Amuletten, im Bäcser Comitat an einer rothen Schnur das 
Bild des heiligen Antonius, in Vörösmart ein priapusförmiges Stück- 
chen Holz tragen. Anderwärts hängt man auf die Innenseite des 
Stiefelschaftes einen Entenfuss, „damit der Teufel die Frau nicht 
drücke“. In der Szabadkaer und Szegediner Gegend hängt die 
Schwangere ein aus Eselshaut verfertigtes, Weihrauch enthaltendes 
Säckchen um, auf welchem mit rothem Garn das Bild einer Schlange 
gestickt ist, oder man knetet in ein dünnes Lehmtäfelchen zwei 
Knochen, welche von einer im Kindbett verstorbenen Frau her- 
rühren. Auf diesem Täfelchen befindet sich auch ein Loch, durch 
das die Frau einige ihrer Haare zieht, dann bindet sie diese 
am Täfelchen fest und vergräbt das Ganze unter ihr Bett in die 
Erde oder unter den Fussboden , damit sie leicht entbinde 
und das Kind gesund sei und lange lebe. In derselben Ge- 
gend trägt man auch aus ähnlichem Material verfertigte Amulette, 
welche die Vulva darstellen, während jenseits der Donau kleine, aus 


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Nussbaumholz verfertigte Kreuze als Amulette getragen werden, in 
deren Mitte ein Stückchen von dem Kleide eines ungetauft verstor- 
benen Kindes untergebracht ist. 

Eltern, deren frühere Kinder zeitig gestorben sind, vergraben 
bei neuerlicher Schwangerschaft ein dem beschriebenen ähnliches 
Kreuz unter die Thürschwelle oder unter den Backofen. Vorher 
bindet man indessen noch ein paar Haare vom Vater und von der 
Mutter dazu. Dieses Kreuz wird erst nach der Taufe des Kindes 
wieder ausgegraben und hierauf verbrannt. Brennt es mit heller 
Flamme, so wird das Kind gesund sein, ist die Flamme trübe, so 
wird letzteres beständig mit Krankheit zu kämpfen haben. Die 
Asche des Kreuzes schmiert mau, mit Wasser vermengt, dem Kinde 
auf die Stirn. Es ist dies gut gegen Behexung (v. Wlislocki). 

Am St. Johannistage darf ein Mädchen nicht ohne Kopftuch 
in der Sonne stehen, da es sonst schwer gebären wird (Oberungarn). 

Vielen Ortes fastet die Frau während der Zeit ihrer Schwanger- 
schaft jeden Dienstag und Sonnabend, setzt sich jeden Sonnabend 
beim Vesperläuten auf die Schwelle des Hauses, und zwar so, dass 
das eine Bein sich ausserhalb, das andere innerhalb der Schwelle 
befinde. 

Verirrt sich ein fremdes Huhn auf den Hof der Schwangeren, 
so wird sie leicht entbinden. 

Von sonstigen während der Geburt angewendeten Volksbräu- 
chen möchte ich noch folgende erwähnen: 

Die Thüre, auf welche der Pfarrer an den Heiligen Drei Königen 
bei Einsegnung des Hauses die Buchstaben G. M. B. geschrieben 
hatte, wird bei einer schweren Entbindung in die Nähe der Kreissen- 
den gebracht. Auch daun geht dio Geburt leichter von statten, 
wenn die Frau irgend ein Gelübde thut. 

Bei den Szeklern legt man in das Bett der Gebärenden ein 
Kleidungsstück des Mannes, welches man vorher auf einem Siebe 
hin- und hergewendet hat, und sagt dabei dreimal: 

„Löchrig ist dieses Sieb; 

Wie das Wasser in dem Bach, 

Fliesse deiner Mutter Wasser; 

Und deiner Mutter (Leibes-) Frucht 
Folge bald ihm nach.“ (v. Wlislocki.) 


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Wem) im Fogaraser Comitat die Schwangere von einer Geburt 
Kunde erhält, so schickt sie der betreffenden Gebärenden eine Schürze, 
welche diese auf ihren Bauch legen muss, weil sie sonst nicht 
fähig wäre, ihr Kind zur Welt zu bringen. 

Bei den Slowaken des Trencsener Comitates fasst der Mann 
seine Frau bei Eintritt der ersten Geburtswehen um den Leib und 
führt sie „mit starker Hand“ dreimal vom Tisch bis zur Thüre und 
zurück. Wenn die Gebärende später das Bett aufsucht, streichelt 
ihr der Mann dreimal sauft den Bauch. Es herrscht der Glaube, 
dass sodann die Geburt rasch, nach drei W eheu beendet sein werde. 
Uebrigens sind auch die Slowaken schon bei der Hochzeit auf eine 
glücklich ablaufende Geburt in der Weise bedacht, dass der Bräuti- 
gam vor der Kirchenthüre unbemerkt einen Finger hinter seinen 
Hosenriemen legt und denselben dreimal von seinem Körper weg- 
zieht (lüftet). So wird seine Frau das Kind glücklich und leicht 
(mit drei Wehen) zur Welt bringen. 

Die Slowakinneu trinken bei einer schweren Entbindung auch 
Himbeerwurzelaufguss, oder essen Safran in Milch und Wein. Daun 
setzen sie sich auf zwei Stühle, binden Hanfgarn um ihren Leib 
und legen zu diesem Zwecke herausgegebene fromme Schriften, wie 
„Nebe-Zilmkuw“ oder „Wsucne Modlitby“ u. s. w., auf ihre Brust 
oder auf ihre linke Seite. 

Das Gebet „Nebe-Zämkuw“ ist eigentlich die slowakische Ueber- 
setzung der „7 Himmelsriegel“ oder „Himmelsschlösser“, ungarisch 
„Het mennyei zär“. Der Druck und die Verbreitung desselben 
wurde in neuerer Zeit verboten, weshalb es mir erst nach vielen 
Bemühungen gelungen ist, je ein ungarisches, deutsches und slo- 
wakisches Exemplar zu erwerben. Der vollständige Titel des 
deutschen Gebetes ist: „Die heiligen sieben Himmels -Riegel, 

welche ein frommer Einsiedler von seinem heiligen Schutzengel 
bekommen“. Das Ganze ist acht Seiten stark und besteht aus 
mehreren Theilen. In der Einleitung wird der Frau empfohlen, 
das Gebet, welches besonders gegen böse Geister schützt, während 
der Geburtswehen auf ihre Brust oder auf ihren Kopf zu legen, 
denn auf diese AVeise habe sie keine grossen Schmerzen und bringe 
das Kind leicht zur Welt. Unter den „sieben Himmels-Riegeln“ 
siud die sieben Worte zu verstehen, die Christus vor seinem Tode 
am Kreuz gesagt hat. Von diesen ist im Gebete auch die Rede, 
ohne jedoch dass sie selbst darin namentlich angeführt würden. 


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Meistens sind den „sieben Himmels-Riegeln“ auch noch andere 
Gebete, wie „Unserer liehen Frau Traum“ u. s. w. beigefugt. Auf 
das Titelblatt mancher Ausgabe sind sieben Schlösser abgebildßt. — 

Diese Gebete werden im Geheimen noch jetzt viel verwendet 
und zwar von den bigotten Katholiken verschiedener Nationalitäten. 

Von anderen Gebräuchen sind noch folgende zu erwähnen: Der 
Ehemann lässt während der ganzen Schwangerschaft seiner Frau 
eine zerlegte Axt unter dem Bette derselben liegen und schlägt vor 
der Geburt einen grossen Nagel in das Fenstergesims und bindet 
daran eine aus Ziegen- oder Eselshaut verfertigte Schnur. Im 
Uebrigen muss der Ehemann sowohl im Interesse seiner Frau als in 
dem des zu erwartenden Kindes während der ganzen Schwanger- 
schaft einen gottesfürchtigen Lebenswandel führen. 

An den meisten Orten muss der Mann der Geburt bewohnen. 
Ebenso haben bei derselben für gewöhnlich auch die Grosseltern des 
Kindes zugegen zu sein. 

In einigen anderen Gegenden wieder darf sich der Mann wäh- 
rend der Entbindung seiner Frau nicht im Zimmer aufhalteu 
(Ungarn des Hunyader Comitats. Kolumban). 

Auch in Kalotaszeg dürfen in der Geburtsstube nur weibliche 
Personen anwesend sein (Jankü). 

Bei den Rumänen schickt man zur Zeit einer Geburt alle le- 
digen Mädchen aus dem Hause (Märmaroser Coinitat). 

Bei den Erdelyer Rumänen schlägt der Mann zu Beginn der 
Geburt in einen Balken des Dachfirst zwei Beile übers Kreuz, 
zündet einige vom Popen geweihte Kerzen an und stellt sie vor die 
Oeffnung des Backofens. Vor dem Bilde des Familienheiligen (Jo- 
hannes der Täufer, heiliger Peter oder heiliger Nicolaus) brennt man 
eine Kerze an und besprengt das Zimmer und das Bett mit Weih- 
wasser. 

Bei den Juden des Szabolcser Comitates schneidet man, wenn 
sich die Geburt lange hinzieht, aus dem Fensterbrett sowie aus der 
Schwelle je einen Span heraus und legt beide der Frau unter den 
Kopf. Auch werden bei den orthodoxen frommen Juden Gebete 
verrichtet („Tilem gesagt“), der Tempelschlüssel unter das Kissen 
gelegt und das Band der heiligen Schrift (Thora) um den Leib der 
Gebärenden gebunden. In früheren Zeiten war es eine Streitfrage, 
ob die Thora selbst in das Gebärzimmer gebracht werden dürfe; 
sie wurde durch die jüdischen Gelehrten endgiltig so gelöst, dass 


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die Thora in das Gebärzimmer selbst nicht gebracht werden dürfe 
(wegen Unreinlichkeit!), ins anstossende Zimmer jedoch. 

25. Geburtsanomalien. 

Betreffs der nicht normal verlaufenden Geburten will ich noch 
im Allgemeinen bemerken, dass man an vielen Orten, zumal bei deu 
Rumänen, Serben, Ruthenen, Slowaken, nur im alleräussersten Noth- 
falle, für gewöhnlich erst so spät nach einem Arzt schickt, dass der- 
selbe die Gebärende zumeist schon nicht mehr zu retten vermag. 

Bei den Ruthenen und Rumänen des Ugocsaer Comitates sucht 
mau den Vorfall eines Armes (bei Querlage) zu verheimlichen, denn 
es herrscht die Ansicht, dass die Frau, wenn Viele sagen, dass der 
Arm des Kindes vorgefalleu ist, nicht fähig sein wird, ihre Frucht 
zu gebären. Um die Sache geheim zu halten, wird daher die Frau 
auf den Dachboden des Stalles hiuaufgeschleppt, wobei es mehr als 
einmal vorgekommen ist, dass sie von der Leiter herunterfiel und 
schwere Verletzungen davon trug. Anderwärts wird die Frau, wenn 
das Kind quer liegt, in die Stubenecke gedrückt und dort ihr Bauch 
und ihre Seitentheile gedrückt und gerieben, um eine richtige Lage 
zu erzeugen. 

Wenig Fruchtwasser oder zu frühes Abgehen desselben wird 
gewöhnlich für ein ungünstiges Zeichen gehalten: „Trockene Geburt, 
schwere Geburt“. 

Nabelschnurumschlingungen und Nabelschuurknoten werden, wie 
wir gesehen haben, fast überall für ominös angesehen, und zwar 
nicht nur für das Kind, sondern auch für die Mutter. 

Erwähnen möchte ich noch, dass nach dem Szegeder Volks- 
glauben unmoralische Personen (Dirnen, Puellae aus den Wirths- 
häusern und Csardas) leichter entbinden, was damit erklärt wird, 
dass bei der Geburt Jesu eine solche „Person“ ihre reine, weisse 
Schürze der Heiligen Jungfrau zur Bedeckung des Kindleins hingab, 
wofür ihre „Colleginnen“ seit damals sich des besonderen Schutzes 
der Heiligen Jungfrau erfreuen. 

26. Behandlung der Naehgeburtsperiodc. 

Ueberall, wo es an einer fachkundigen Leitung fehlt, gilt als 
souveränes Mittel zur Ausstossung der Placenta das Blasen, Sichan- 
strengen der Gebärenden, was durch das Hineinblasen in ein leeres 
Glas, in eine leere Flasche, in ein Rohr oder in die Hohlhand ge- 


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achieht, und zwar wird gewöhnlich so stark geblasen, dass die Ge- 
bärende davon ganz blau im Gesicht wird. Dieses Verfahren ist 
in allen Gegenden und bei allen Nationalitäten Ungarns verbreitet. 

Ausser diesem giebt es noch zahlreiche Verfahren, welche zum 
grossen Theile mit dem oben angeführten, zur Beschleunigung der 
Geburt angewandten übereinstimmeu. 

Auf den Bauch legt man: warme Lappen oder ein in heisses 
Wasser getauchtes getrocknetes Hasenfell (Duna-Szerdahely, Gödöllö) 
oder einen Haufen Werg oder warmes Salz, warmen Hafer (Heveser 
Comitat), abgebrühten Rindennist, vom Dache des Hauses herunter- 
geklaubtes und im Wasser aufgekochtes Moos (Heveser Comitat) oder 
geröstetes Brod (Zalaer Comitat). 

Ausserdem trinken die Frauen Branntwein (Hüromszeker Co- 
mitat), eventuell mit frischer Butter (Märmaroser Comitat), Safran, 
Salz und Brühe von abgekochtem Flachssamen oder Rossgras- (Planta 
scoparia-) Samen (Soproner Comitat). 

Bekannt ist das alte Verfahren des Nabelschnurziehens, welchem 
man bedauerlicherweise auch jetzt noch häufig genug begegnet. 

Stärkeres Schütteln des Körpers ist auch in dieser Geburtsperiode 
besonders bei den Rumäninnen ein gebräuchliches Verfahren. 

Allgemeiner Verbreitung erfreuen sich noch die einfach mit 
heissem Wasserdampfe vorgeuommenen Dünstungen. Eventuell 
macht man auch einen Stein heiss, legt denselben in einen Topf 
(meistens Nachttopf) mit heissem Wasser und setzt die Gebärende 
darüber, oder man räuchert sie mit dem Dunste von in einem grossen 
Topfe gekochten Kartoffeln (Gödöllö) oder mit Kümmel (Szolnok- 
Dobokaer Comitat) oder einem Zwiebelkranz. Man giesst ferner der 
Frau heisses Wasser auf den Bauch (Tolnaer Comitat), oder setzt 
sie in ein warmes Sitzbad oder über abgebrühtes Strickgarn, lässt 
sie über Kräutern dünsten, oder räuchert sie über glühenden Kohlen 
u. s. w. 

Der Bauch der Frau wird mit einem Besenstiel oder einem 
Nudelholz (Torontäler und Szatmärer Comitat) gedrückt oder eiuge- 
wickelt (Nyitraer Comitat). Man reizt die Gebärende zum Niesen, 
lässt sie husten oder die Thüre mit dem Fusse stossen, oder giebt 
ihr einen Besen in die Hand, damit sie ihn fest zur Erde drücke 
(Csanäder Comitat), oder streut ihr Salz auf die Kniee, welches sie 
dann auf lecken muss (Pester Comitat). Im Märmaroser Comitate 
schüttet man Schiesspulver in die Scheide. 


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Anderwärts kocht man einen alten Hut und bedeckt mit diesem 
die Schamtheile (Esztergomer Comitat), weicht das Ende der Nabel- 
schnur in Essig ein (Gömörer Comitat), giebt der Frau Sauerteig- 
wasser zu trinken (Trencsener Comitat) u. s. w. 

Bei den Erdelyer Sachsen räuchert mau die Frau mit Hasen- 
fell oder schmiert ihr den Bauch mit Oel ein, wobei man zu sagen 
hat: 

„Bärmutter du bist leer, 

Bärmutter geli’ von her (liier), 

Geh’ in den schwarzen Berg, 

Geh’ in den weissen Berg, 

Geh’ in den kalten Berg, 

Geh’ in den heissen Berg, 

Bärautter, geh’ von her!“ 

ln einigen von Sachsen bewohnten Gegenden (Nagy-Küküllöer 
•Comitat) legt man die Wöchnerin auch auf die Erde, macht auf 
ihrem Rücken mit einem Messer ein Kreuz, wobei man den erwähn- 
ten Vers hersagt, und sticht das Messer dreimal in die Erde und zwar 
vor der Thürschwelle, vor dem Thore und auf einem Kreuzweg. 
Beim Zurückkommen hat man zu sagen: „Donner und Blitz sollen 
Euch Würmer im Wald trocknen, dörren und mahlen. Im Namen 
Gottes u. s. w.“ Man glaubt nämlich, dass es Würmer sind, welche 
die Nachgeburt in der Gebärmutter zurückhalten. In einigen Ge- 
genden legt mau der Frau schon vor der Entbindung einen Haus- 
wurz- (Sempervivum-) Stengel ins Bett, damit die Gebärmutter nicht 
von den Würmern zu leiden habe. 

Schliesslich ist zu bemerken, dass das „Schmieren“ und das 
Drücken der Gebärmutter („Brechen der Gebärmutter“) auch wäh- 
rend der Placentarperiode — wenn auch bei weitem nicht so häufig 
wie in den beiden ersten Stadien der Geburt — angewandt wird. Den 
eingelaufenen Antworten lässt sich nicht überall entnehmen, ob es 
sich in den betreffenden Fällen um eine lege artis ausgeführte Ex- 
pression der Nachgeburt handelt oder nicht. 

Die Retention der Nachgeburt hält man übrigens nicht für 
besonders gefährlich. Wenn die angeführten Hausmittel nicht helfen, 
lässt man die Nachgeburt sogar Tage laug in der Gebärmutter 
■stecken und schickt deswegen niemals um einen Arzt. Dies wurde 
übrigens auch in den vor hundert Jahren erschienenen ungarischen 
Hebammenbüchern so gelehrt. 


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27. Nachgeburt und Eihiiute. 

Man misst vielen Ortes der Nachgeburt selbst eine grosse 
Bedeutung bei und pflegt sie zu vergraben oder zu verbrennen. 

Wenn in Kalotaszeg die Frau keine Kinder mehr haben will, 
so verbrennt sie einen Theil der Nachgeburt und mengt die Asche 
in den Trank ihres Mannes. Wünscht sie sich dagegen einen Kna- 
ben, so legt sie die Nachgeburt eines von einem Knaben entbunde- 
nen Weibes unter ihr Bett; will sie ein Mädchen, so thut sie ein 
Gleiches mit der Nachgeburt eines von einem Mädchen entbundenen 
Weibes. 

Man schreibt der Nachgeburt auch eine befruchtende Wirkung 
zu und vergräbt sie deshalb in den Düngerhaufen, auf den auch 
das erste Badewasser ausgeschüttet wird. Später wird das Ganze 
auf den Fruchtacker getragen, um dessen Fruchtbarkeit zu steigern. 

Im Soproner Comitat vergräbt man die Nachgeburt der Erst- 
gebärenden am Ufer des Baches, damit das Kind am Leben und 
die Mutter gesund bleibe und die nächste Geburt einen normalen, 
glücklichen Verlauf nehme. 

Die Ruthenen vergraben die Nachgeburt einige Tage lang nicht 
und ziehen der Wöchnerin während dieser Zeit auch keine frische 
Wäsche auf den Leih, weil sie glauben, dass die Frau so viel Jahre 
kein Kind haben wird, als sie Tage damit warten (Ugocsaer Comitat). 

Wünscht man hei der nächsten Geburt einen Knaben, so wird 
die Nachgeburt unter einen Birnbaum vergraben, soll es ein Mäd- 
chen sein, dann unter einen Apfelbaum (Esztergomer Comitat). 

Betreffs der Eihäute möchte ich hier erwähnen, dass man es 
fast in ganz Europa für ein glückliches Vorzeichen hält, wenu 
der Kopf des Kindes mit den Eihäuten geboren wird, ln 
Ungarn sagt man von solchen Kindern, sie sind „in der Hülle 
geboren“ oder „im Hemd geboren“. In Deutschland nennt mau 
dies „Glückshaube“, „Glückshemd“, „Westerhaube“, „Westerhemd- 
lein“, in Modena „la camicia della Madonna“, in England „caul“, 
(Kutte), bei den Serben „koschillitza“ (Hemdchen) und das damit 
geborene Kind „Vidovit“. Mehrere asiatische Volksstämme haben 
dafür die Bezeichnung „Helm“. 

In Ungarn sagt man von einem glücklichen Menschen, „er ist 
in der Eihaut geboren“. In Szeged sagt mau: „Wer in der Hülle 
geboren, den trifft keine Kugel“. Auch in anderen Gegenden Süd- 


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Ungarns sagt man: „Welches Kind im Hemde geboren wurde, das 
sieht den Tod (?) und wird von keiner Kugel getroffen : es wird 
immer glücklich sein 1 * (Bellosics). Im Szilägyer Comitat ist die 
gegenteilige Meinung verbreitet; dort heisst es: „Wer in der Hülle 
geboren, der stirbt am Stricke“ (Baläzs). 

In Kalotaszeg werden die Eihäute aufbewahrt, und wenn das 
Kind schon so gross ist, dass es nach Gegenständen greift, pul- 
verisirt man sie und streut mit einem Theile des Pulvers dem 
Kinde die Hände ein, damit demselben jede Arbeit gelinge. Wenn 
es dann schon zu gehen anfängt, streut man ihm einen weiteren 
Theil des Pulvers auf die Sohlen, damit das Kind überall, wohin es 
das Schicksal treibt, glücklich sei. Wenn es schliesslich zu sprechen 
beginnt, streut man ihm den Rest des Pulvers auf die Zunge, damit 
es immer klug rede. 

In Szabadka giebt man dem Kinde die zu Pulver zerstossenen, 
getrockneten Eihäute deshalb zu essen, damit es gegen die ver- 
schiedensten Krankheiten gefeit sei ( V Ali). 

Nicht unerwähnt will ich ferner den bei den Sokäczen ver- 
breiteten Volksglauben lassen, dass die Flamme einer Talgkerze, 
welche mit dem Blute eines bei einer Zwillingsgeburt verstorbenen 
Weibes verfertigt wurde, den die Kerze Gebrauchenden unsichtbar 
mache (Lieblings-Leuchtmittel der Diebe). 


Temesv&ry, Volksbrftuche. 


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VI. Das Woehenbett. 

28. Wochenzimmer und Wochenbett. 

Nach der Geburt legen sich die Frauen fast überall, auch 
dort, wo die Geburt ausserhalb des Bettes vor sich gegangen war, 
in das Bett, das sogenannte Wochenbett, Kindbett. 

Eine Ausnahme bilden die Rumäninnen, die sich drei volle 
Tage auf der Erde auf einem schmierigen Fetzen, in demselhen 
Schmutz, Blut, Koth und Wasser herumwälzen, in dem sie während 
und nach der Entbindung lagen, ja, es muss sogar die Nachgeburt 
während dieser Zeit neben der Wöchnerin gelassen werden. Erst am 
vierten Tage stehen die Frauen von diesem wenig beneidenswerthen 
Lager auf, und auch die Nachgeburt darf erst dann weggeworfeu 
werden. 

Die Szekler nennen die Wöchnerin „bennülö asszony“ (Darin- 
sitzende, stubensitzende Frau) und das Wochenbett „bennüles“ (Darin- 
sitzen). Auch die Erdelyer Sachsen heissen es das „Einsitzen“. 
Die Csängös sprechen von einer „in den sechs Wochen liegenden 
Frau“, ad normam „Sechswöchnerin“. 

Die Magyaren, namentlich die Bewohner der niederungarischen 
Tiefebene („Grossungam“), nennen das Wochenbett auch „Bett der 
Boldogasszony“ (Bett unserer lieben Frau), von der, als der ur- 
magyarischen Schutzgöttin des Wochenbettes, schon oben die Rede 
war. Heute wird die heilige Jungfrau als Schutzgöttin des Wochen- 
bettes verehrt. 

Kälmäny giebt vom Bett der Boldogasszony folgende Be- 
schreibung: 

„Wenn das Kind geboren ist, macht man sofort das Bett der 
Boldogasszony. In ihm dürfen keine Getränke, kein Tabak oder 
andere derlei Dinge sein. Man legt in dasselbe frisches Stroh und 


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breitet ein Leinentuch darüber. Ein Gelsennetz wird angenagelt. In das 
Bett der Boldogasszony thut man Knoblauch, Kuckuckskraut (Thymus), 
Brod und Salz, auch ein Messer, damit die Hexe nicht hingehe. 
Jeden Tag weiht mau es mit dem Wasser der „Drei Könige“ und 
empfiehlt es der Gnade der Boldogasszony. Dem Bett der Boldo- 
gasszony darf sich Niemand nähern, denn wenn die Wöchnerin von 
Jemandem mit bösem Blick angesehen wird, so muss sie, wenn die 
betreffende Person gar noch zur Erde schaut, sterben. Blickt die 
betreffende Person nach oben, so ist die Wöchnerin noch zu heilen. 
Wenn die Frau im Bett der Boldogasszony liegt, muss Jemand in 
der Stube bleiben. Wenn man nichts Anderes bei ihr lassen kann, 
ist auch die Katze gut, denn sonst wird sie so behext, dass sie zu 
Grunde geht. Das Bett der Boldogasszony dauert nur bis zum 
Kirchengang. Während die Angehörigen anlässlich dieses Actes 
fort sind, wird das Bett der Boldogasszony auseinander genommen, 
das Stroh verbrannt und die Betttheile an einen Ort gelegt, wo Nie- 
mand zu ihnen gelangt“ (Szöreg). 

Als Ergänzung muss ich noch hinzufügen, dass das Bett der 
Boldogasszony gewöhnlich von der Hebamme zurecht gemacht wird, 
dass das Befestigen des Gelsennetzes noch manchen Ortes mittels 
Messer oder Gabel geschieht, dass man ein Messer der Frau unter 
den Kopf legt, welches sie, wenn sie vom Bett hinuntersteigt, stets vor 
sich in die Erde stechen muss, damit „die Bösen“ sie in Ruhe 
lassen. In das Gelseunetz bindet man Brod und Salz und wirft auch 
ein rothes Tuch darüber. Um den Hals der Frau bindet man einen 
Rosenkranz, während auf ihre Brust die oben geschilderten „Sieben 
Himmelsriegel“ und neben ihren Kopf ein Gebetbuch gelegt wird. 

Die Szökler kenuen das „Gelsennetzbett“ oder „Zelt“ nicht; 
in Szabadka wird es nur von den Serben und Bunyeväczen ver- 
wendet, von den Ungarn jedoch nicht. Erwähnenswerth ist, dass 
schon die Römer das zeltartige Wochenbett kannten. 

In der Szegeder Gegend nennen die Serben das Wochenbett 
„Materni krevet“ (Bett der Mutter). Die Deutschen (in Ungarn) haben 
dafür die Bezeichnungen Kindbett, Wochenbett oder Kindlbett. 

Wenn bei den Szegeder Ungarn bei der Entbindung eine Heb- 
amme assistirte, so fragt dieselbe die Frau nach dem Geburtsact: 
„Wohin gehst du?“ worauf sie die Antwort erhält: „In das Bett 
der , Boldogasszony“!“ „Gott stehe dir bei,“ versetzt darauf die 
• Hebamme. Erst nachdem dies dreimal wiederholt wurde, legt sich 

5 * 


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die Frau in das Bett der Boldogasszony, in welchem sie dann sammt 
ihrem Kinde so lange bleibt, bis sie zur „Einsegnung“ in die Kirche 
geht, wovon noch später die Rede sein wird. 

*29. Schutz gegen „böse Geister 44 , den „bösen Blick* 4 
und das „Beschreien 44 . 

Eine grosse, ja mau kann sagen die grösste Rolle spielt in der 
Volksmedicin der „böse Blick“, das „Beschreien“, „Verhexen“, „An- 
gethanwerdeu“ als ätiologische Momente, und das „Abbeteu“, „Be- 
schwören“ und verschiedene damit zusammenhängende Ceremonien 
als therapeutische Verfahren. Namentlich im Wochenbett und bei 
der Pflege der Neugeborenen dreht sich dem Volksglauben nach 
das Um und Auf aller Krankheiten, aller psychischer und somati- 
scher Störungen um diese abergläubischen Ansichten. 

Da hierbei die „Wochenbettshygiene“ mit der „Pflege der Neu- 
geborenen“ so ziemlich zusammentrifft und die Volkstherapie in 
beiden Kapiteln dieselbe ist, möchte ich, um Wiederholungen zu ver- 
meiden, hier diese Volksprophylaxe und -therapie für die Wöchnerin 
und das neugeborene Kind in einem besprechen. 

Wie erwähnt, glaubt das Volk — ohne Unterschied der Natio- 
nalität und Confessiou — , sowohl die Wöchnerin, als auch ihr Kind 
besonders vor dem schädlichen Einfluss von bösen Geistern, Hexen, 
Kobolden (Nagy-Küküllöer Comitat), Zauberern, Leuten mit bösem 
Blick u. s. w. schützen zu müssen. Vielen Ortes gelten auch die 
alten Hebammen für Hexen. 

Als Schutzmittel gebraucht mau namentlich die Symbole des 
Christenthums (Weihwasser, Weihrauch, ein Kreuz u. s. w.), oder 
solche Gegenstände, von welchen man glaubt, dass die Hexen sie 
nicht leiden können oder dass sie ihnen (den Hexen) Schaden zu- 
fügen, wie einerseits Knoblauch, Salz, andererseits Besen und scharfe 
Werkzeuge. Gegen Flintenkugeln sind Teufel und Hexen bekannt- 
lich gefeit. 

Da dieses Kapitel nicht von medicinischem, sondern nur von 
allgemein ethnographischem Interesse ist, möchte ich von dem ge- 
sammelten ungeheuren Datenmaterial nur einen möglichst gedrängten 
Auszug geben. 

Gewöhnlich wird schon das Wohnhaus selbst gegen böse 
Geister beschützt. Man besprengt die Thüre mit Weihwasser, 


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oder nagelt ein rothes Tuch auf die Thüre oder die Schwelle, eventuell 
in Kreuzform, oder macht mit Knoblauch oder mit geweihter Kreide 
ein Kreuz auf die Thüre, das Fenster und die Klinke. 

Auch das Zimmer selbst und besonders das Bett schützt man 
mit solchen Mitteln. Die vier Zimmerecken werden geweiht, ebenso 
das Bett, das Zelt, die Frau selbst u. s. w. 

Diese verschiedenen Verfahren dienen ebenso zum Schutze der 
Wöchnerin als zu dem ihres Kindes. 

Bei den Juden hängt man gegen die bösen Geister an den 
vier Wänden des Zimmers (den vier Himmelsrichtungen entsprechend) 
die sogenannten „Kindbetttaferln“ auf (siehe nebenstehende Figur), 

deren Inhalt — aus dem Hebräi- 
schen übersetzt — folgender- 
massen lautet: 

1. Schutz dem Neugeborenen. 
Viel Glück! 

2. Im Namen des Gottes Israels, 
welcher gross und mächtig 
auf Erden ist. 

3. Der Satan werde vernichtet. 

4. Abraham und Sarah. 

5. Adam und Eva. 

6. Allmächtiger. 

7. Isaak und Rebekka. 

8. Jakob und Lea. 

9. (121. Psalm): Ich hebe meine 
Augen auf zu den Bergen, 
von welchen mir Hülfe kommt. 
Meine Hülfe kommt von dem 
Herrn, der Himmel und Erde 
gemacht hat. Er wird deinen 

Fuss nicht wanken lassen ; dein Hüter schläft nicht! Siehe, der 
Hüter Israels nicht schläft, noch schlummert er! Der Herr be- 
hütet dich, der Herr ist der Beschirmer deiner rechten Hand! 
Dass dich des Tages die Sonne nicht steche, noch der Mond 
des Nachts! Der Herr wird dich vor allem Uebel behüten und 
deine Seele vor allem Bösen bewahren. Der Allmächtige wird 
deinen Ausgang und Eingang bewachen von nun an bis in alle 
Ewigkeit! 



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10. Er ist allmächtig, gross und gewaltig, denn er gebietet seinen 

Engeln. 

11. und 12. Eine Hexe soll nicht leben, 

Nicht leben soll eine Hexe, 

Es lebe keine Hexe. 

Die Umschrift der Tafeln lautet: 

„Du bist meine Obhut; du bewahrst mich vor Schreck; verleihe 
mir Frohsinn. Schütze mich wie deinen Augapfel; beschirme mich 
unter dem Schatten deiner Fittiche. Der Engel, welcher mich vor 
allem Uebel bewahrt hat, segne die Kleinen. Mögen dieselben nach 
mir und nach unseren Vätern, nach Abraham und Isaak genannt 
werden uud mögen sie sich vermehren wie die Fische. Siehe, das 
Bett Salomons umstehen 60 von den Helden Israels. Alle siud 
kampfeskundig und greifen zum Schwert gegen die nächtliche 
Furcht“ — 

In manchen Gegenden Ungarns, wie z. B. im Szabolcser Co- 
mitat, kommen 10 kleine Judenkinder während des ganzen Wochen- 
bettes jeden Abend zur (jüdischen) Wöchnerin, umstehen das Bett 
oder die Wiege des Kindes und sagen im Chor das Abendgebet 
her („Krisme leinen“). Sie werden dafür mit Nüssen, Backwerk, 
Obst u. s. w. beschenkt. 

Die Juden halten übrigens speciell die der Circumcision vor- 
angehende (also 7.) Nacht für gefährlich; sie verbringen deshalb 
diese „Wachnacht“ in fröhlichem Beisammensein bei Essen und 
Trinken in nächster Nähe der Wöchnerin. Namentlich die Hexe 
Liiith (= nächtlich) ist es, vor der sie das Kind schützen zu müssen 
glauben. 

Bei den Andersgläubigen stellt man zum Schutz gegen die 
Hexen zumeist einen Besen in die Thüre, mit dem Stiele nach 
unten, mit dem Kopfe nach oben, eventuell an die Thürklinke ge- 
lehnt, oder man legt den Besen übers Kreuz in die Thüröffnung. 
An einigen Orten verwendet man zu diesem Zwecke nur Rossgras- 
besen, ebenfalls immer mit dem Kopfe nach oben gekehrt; eventuell 
steckt mau auch Knoblauch oder ein Messer, eine Gabel, eine Bürste 
hinein oder streut Salz darauf u. s. w. In den Thürpfosteu oder in 
das Fenster oder in beide wird ein Messer oder eine Gabel einge- 
stochen, während das Schlüsselloch zugestopft wird. Vor die Küchen- 
thüre stellt man einen Farbetopf (Heveser Comitat). Die Thüre 
bindet man des Nachts mit Unterhosenbändern zu. 


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71 


Wenn die Frau aus dem Bett steigt, so sticht sie neben das- 
selbe ein Messer in die Erde, und wenn sie aus dem Zimmer geht, 
so sticht sie es in die Thürschwelle. 

Im Häromszeker Comitat geht die Wöchnerin sechs Wochen 
lang nur in beschlagenen Stiefeln herum. 

Im Bökeser Comitat darf die Frau weder im Dunkeln, noch 
ohne Haube schlafen. Auch darf sie sich nicht im Spiegel besehen, 
denn sonst würde sie „der Teufel rücklings zupfen“. 

Wenn des Abends Jemand zum Fenster der Wöchnerin herein- 
spricht, oder an das Fenster klopft, so darf man ihm nicht ant- 
worten (Abaujer, Bäcser, Baranyaer Comitat), denn sonst kommt 
die Hexe und „verdirbt“ das Kind. 

Die Wöchnerin wäscht sich täglich mit Harn oder Kohlenwasser. 

Das oben erwähnte „Bett unserer lieben Frau“ wird auch, wie 
wir gesehen haben, Wochenbett, Zeltbett genannt und zwar deshalb, 
weil das Bett mit Hülfe eines Leinentuches oder eines „Gelsennetzes“ 
in ein Zelt umgewaudelt wird. Dieses Leiuentuch wird in der Regel 
am Balken oder au den Stangen, den sogenannten Zeltstangen, be- 
festigt und damit das Wochenbett umgeben, damit so die Wöch- 
nerin und ihr Kind vor den bösen Geistern und dem Behexen ge- 
schützt seien. 

Bei den Palöczen nennt mau die Geburt und das Kindbett 
„Zeltfest“, welches sieben Tage, nämlich bis zur Einsegnung, dauert. 

Das Boldogasszony-Bett geht meistens, sammt dem Gelsennetz 
(Zeltleinentuch), von der Mutter auf die Tochter über und wandert, 
wie schon erwähnt, nach jedem Wochenbett bis zur nächsten Ge- 
legenheit wieder auf den Boden. Nach einer Mädchengeburt muss 
der Manu das Zelt auseinandernehmen, damit das nächste Kind 
ein Knabe sei. 

Das Leinentuch befestigt man vor dem Bett mit vier Nägeln oder 
aber mit Messern oder Gabeln. In einen, zwei oder alle vier Zipfel 
des Leinentuches oder Netzes näht man etwas Salz, Ingwer und ein 
Stückchen Knoblauch oder Brod ein. 

In das Bett der Wöchnerin, namentlich unter das Kissen oder 
ihr zu Füssen legen die Reformirten mit Vorliebe: ein Messer 
(Taschenmesser), eine Scheere, Hefe, Knoblauch, Zwiebel ; die Katho- 
liken: Weihwasser (in einem Glase), geweihte Wachskerzen, einen 
Spiegel, Blumen, einen Rosenkranz, Gebetbücher, Weihrauch, oder 
auch ein Messer, eine Scheere, Knoblauch, Zwiebel, Hefe u. s. w. ; 


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72 


die Juden: Gebetbücher, ein Messer, Knoblauch. Es ist jedenfalls 
interessant, wie sich die Massregeln gegen die „bösen Geister“ bei 
den verschiedenen Confessionen gleichen. 

Auch legen die Wöchnerinnen mit Vorliebe irgend ein Klei- 
dungsstück ihres Mannes in ihr Bett, wie die Unterhose, Weste, 
Hose, Strümpfe oder seinen Rock; Andere wieder einen Kamm, ein 
Rollholz, ein Handbeil, Silbergeld, Löschkohle, spitzige, stechende 
Gegenstände, wie Nägel, Nadeln, eine Sichel u. s. w. 

Im Somogyer Comitat wird das Bett mit am Tage der Heiligen 
drei Könige geweihtem Wasser besprengt und Knoblauch, ausge- 
glühte Kohle, ein Messer, Birkenholz, ein Rosenkranz, ein Buch 
und die Unterhose des Mannes unter das Kopfkissen gelegt. 

An einigen Orten thut man auch Hefe auf das Kissen und 
Paprika (ungarischen Pfeffer), sowie Pfeffer unter den Kopf der 
Wöchnerin u. s. w. 

Das Bett selbst darf nicht in der Richtung der Balken aufge- 
stellt werden. Auch darf die Frau nicht mit den Füssen nach der 
Thüre zu liegen, da sie sonst im Wochenbett stirbt. (Eine Leiche wird 
nämlich stets mit den Füssen nach aussen aus dem Zimmer ge- 
tragen ) Wenigstens drei bis vier Tage darf die Frau ihr Gesicht 
nicht der Thüre zu wenden, damit ihr kein in das Zimmer Ein- 
tretender durch seinen „bösen Blick“ schade. 

Das neugeborene Kind, welches, wie wir später sehen werden, 
in der ersten Zeit fast überall zur Mutter gelegt wird, glaubt man 
besonders davor bewahren zu müssen, dass es die bösen Geister 
und Hexen austauschen und dafür einen sogenannten Wechselbalg 
bringen. In erster Reihe wähnt man die noch nicht getauften 
Kinder dieser Gefahr ausgesetzt, weswegen man um den Säugling 
hauptsächlich bis zur Taufe besorgt ist. Die Hexen kommen mit 
Vorliebe zum Rauchfang herein. Das Kind wird vor ihnen dadurch 
geschützt, dass man es nie allein lässt und seinen Wickel an die 
Schürze der Mutter bindet u. s. w. 

Bei den Rumänen (Torontäler Comitat) ist am dritten Abende 
nach der Geburt die sogenannte „Urszitora“ (?) die für eine even- 
tuelle Austausehung des Kindes gefährlichste Zeit, wo man weder 
die Wöchnerin noch ihr Kind allein lassen darf, und wo bei letzte- 
rem gewöhnlich die Hebamme die ganze Nacht wacht. Oberhalb 
des Kopfes des neugeborenen Kindes legt man an jenem Abend 
drei Pogatscherln (eine Art Kuchen), Salz, Fett, einen Kreuzer, 


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einen Kamm, einen Spiegel, eine Kerze, ein Messer, einen Teller 
auf das Kissen. Am nächstfolgenden Morgen müssen dann diese 
Gegenstände, wenn der Säugling ein Knabe ist, unter drei Knaben, 
und wenn er ein Mädchen ist, unter drei Mädchen vertheilt werden. 

Im Bäcser Comitat sind die drei der Geburt folgenden Nächte, 
die sogenannte „Babina“ (Kinderwache), die gefährlichsten ; diese wer- 
den deshalb im Hause der Wöchnerin mit Belustigungen und Tanz, 
bei Speise und Trank, zugebracht, wobei auch Mädchen und Jünglinge 
redlich mitthun. Wie zuträglich diese Unterhaltungen den Wöch- 
nerinnen so kurz nach der Entbindung sind, lässt sich leicht denken. 
Während dieser drei Tage darf übrigens das Kind nicht aus dem 
Zimmer getragen und auch nicht in die Nähe eines Rauchfanges 
gelegt werden. 

In mehreren Gegenden (Csiker Comitat, Hetfaluer Csängös) 
reisst die die Wöchnerin besuchende Frau ein kleines Stück Zeug 
von ihrem Kleide herunter und wirft es aufs Bett, damit sie dem 
Kinde nicht seinen Schlaf wegtrage. Im Huuyader Comitat nennt 
man deshalb diesen Kleiderfetzen „älom“ (Schlaf) und sagt: „Wer in 
ein Haus geht, in welchem ein kleines Kind ist, lässt dort einen 
„Schlaf“ (ein kleines Stückchen vom Kleid), damit dem Kinde 
sein Schlaf nicht fortgetragen werde,“ 

Es ist übrigens auch verboten, sich während der ersten sechs 
Wochen auf das Bett der Wöchnerin zu setzen, da man sich furch- 
tet, dass davon die betreffende Person (auch wenn es ein Mann ist!) 
auf Kosten der Wöchnerin Milch bekommt. 

Ebenso ist es dem Fremden verboten, sich auf die Wiege zu 
setzen oder von derselben etwas herunterzunehmen, weil man damit 
dem Kinde seinen Schlaf raubt und dasselbe viel weinen wird. In 
den Rauchfang steckt man einen als Puppe angezogenen Holzklotz, 
damit ihn die Hexe in der Meinung, es sei das Kind selbst, mit 
sich nehme und austausche. 

Das Kind darf auch bis zur Taufe nicht aus dem Zimmer ge- 
tragen werden! 

Das Badewasser des Kindes darf nur nach Sonnenuntergang 
ausgegossen werden. Ebenso dürfen weder die Wäsche der Frau, 
noch die des Kindes, oder die Windeln des Nachts im Freien ge- 
lassen werden. 

Wenn die Mutter das Zimmer zu verlassen gezwungen ist, legt 
sie einen Besen, ein Messer oder eine Scheere auf das Kind, wäh- 


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rend sie selbst ein Messer zu sieh steckt. Die Lampe muss die 
ganze Nacht brennen. Das Kind badet man nie vor dem Ofen. 

In Kalotaszeg wird das Badewasser zur Hälfte auf einen Kreuz- 
weg und zur Hälfte unter einen Weidenbaum gegossen, denn man 
glaubt, dass bei den Kreuzwegen um Mitternacht die bösen Geister 
hausen, „welche das Schicksal des guten Menschen mit Weiden- 
ruthen behexen“ (Jankö). 

Die Griechisch-Orientalischen sind um das ungetaufte Kind so 
besorgt, dass sie es ehestens, gewöhnlich noch am Tage der Ge- 
burt taufen lassen. Die Magyaren dürfen so lange nicht das neuge- 
borene Kind anschauen, als es nicht getauft ist. Bis dahin spricht 
man auch nicht von dem „Kind“, sondern nur von dem „kleinen 
Heiden“. Wenn z. B. ein ungarischer Bauer unmittelbar nach der 
Niederkunft seiner Frau von Jemandem gefragt wird, wie sich sein 
Kind befinde, so antwortet er, dass er noch kein Kind, sondern nur 
einen kleinen Heiden habe. 

Aus jener grossen Wichtigkeit, welche der Taufe beigelegt wird, 
folgt von selbst, dass man die Wöchnerin und den Säugling nur so 
lange vor den Hexen schützt, bis erstere nicht zur „Einseguung“ 
in die Kirche gegangen und das Kind nicht getauft ist. 

Dort, wo das Kind nicht neben der Mutter liegt, besprengt man 
auch sein Bett mit Weihwasser und thut in ersteres eines oder 
mehrere von den folgenden Gegenständen: Besen, Beil, Messer, 
Scheere, Sichel, Knoblauch, Gebetbuch, Weihrauch, Taschenspiegel, 
Schlüssel, Paprika, Pfeifer u. s. w., oder man bindet einen Nagel 
auf das Kissen des Säuglings (bei den Juden*) sticht man zwei 
Messer hinein), oder man näht Knoblauch in das Ende des Bett- 
tuches, oder legt dem Kinde die Wäsche, die Hose, Weste u. s. w. 
seines Vaters unter den Kopf, oder deckt es, besonders des Nachts, 
mit solchen Kleidungsstücken oder mit der Schürze der Mutter zu, 
oder umbindet es mit dem Halstuche seines Vaters, oder hängt ihm 
einen Rosenkranz um den Hals. Der Rosenkranz spielt übrigens 
eine grosse Rolle. Entweder legt man ihn auf den Wickel oder 
das Wickelband oder auf das Kissen oder die Decke, oder bin- 
det ihn dem Kinde um. In Baja wird 6 Wochen lang ein Rosen- 
kranz in das Wickelband gelegt. 


*) Die meisten auf die Juden Bezug habenden Gebräuche kommen fast aus- 
schliesslich nur bei den strenggläubigen, orthodoxen Juden vor. 


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Wie wir gesehen haben, darf das Kind nicht allein gelassen 
und nicht unter dem Hauptbalken gewiegt werden. Auch darf man 
es nicht hinter den Rücken der Hutter legen, denn davon bekommt 
es Gelbsucht, und darf es nicht scharf anblicken oder loben, denn 
dadurch behext man es. Bei den Rumänen lässt man das Kind 
drei Tage in ein und demselben Hemd liegen. 

Der Glaube au den „bösen Blick“ oder, wie der Ungar sagt, 
„szemveres“ (Geschlagenwerden mit den Augen) und au das von 
diesem herrührende „Augenübel“, d. h. der Aberglaube, dass die 
meisten Kinderkrankheiten „von den Augen kommen“, respective 
dass das Kind, wenn es erkrankt, sicherlich von irgend Jemandes 
„bösem Blick“ behext, „verdorben“, „beschrieen“, „berufen“ wurde, 
ist nicht uur allgemein in Ungarn, sondern wohl in der ganzen Welt 
verbreitet. Die Italiener fürchten sehr das „mal occhio“, und schon 
die alten Juden sprachen von einem „Ajin Horoh“. Namentlich 
solche Personen, deren Augenbrauen sich treffen oder, wie man sagt, 
„zusammengewachsen" sind, waren und sind in dieser Beziehung 
besonders gefürchtet. Viele Angeklagte der mittelalterlichen Hexen- 
processe hatten den Scheiterhaufentod diesem Naturspiel zu ver- 
danken. Um sich vor einer solchen Behexung zu schützen, wendet 
man überall abergläubische Gebräuche an. Einen Theil derselben 
habe ich bereits erwähnt. 

Unter anderem ist zu erwähnen, dass, wenn Jemand das Kind 
ansieht, er dabei sagen muss: „Wie hässlich!“ „O wie hässlich!“ 
oder „Dass ich dich nicht behexe“ u. s. w. und es dreimal (ent- 
weder dreimal beim Kommen oder dreimal heim Gehen) anspuckt. 
Niemals darf man das Kind bewundern oder rühmen. 

Das Spucken ist, wie bereits bemerkt, ein allgemein beliebtes 
Zaubermittel. In Erdely spuckt die Hebamme in ein jedes Bad 
des Kindes. Auch die Mutter spuckt bis zur Einsegnung des Kindes 
immer dorthin, wo sie das Kind hinlegt. Ein Gleiches thut sie 
während des Stillens oder wenn sie über die Schwelle tritt. Wenn 
das Kind schon behext wurde, so schmiert man an vielen Orten mit 
seinem Speichel die Thürklinke ein und meint, dass auf Denjenigen 
die Behexung übergehe, der letztere abtrocknet. Auch schmiert die 
Mutter dem Kinde die Gliedmassen und sagt: „Krankheit heraus 
aus den Beinen, Krankheit heraus aus den Armen, Krankheit heraus 
aus dem Kopfe u. s. w. Laufe von dannen!“ wobei sie nach Schmie- 
rung eines jeden Körpertheiles ausspuckeu muss (Frau v. Wlislocki). 


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Mit der ersten Windel wischt man sowohl das Gesicht der 
Mutter als auch das des Kindes dreimal ab. An vielen Orten wird 
das Kind vor der Taufe Niemandem gezeigt. Nach der Ge- 
burt sagt die Hebamme den draussen befindlichen Verwandten und 
Nachbarsleuten nicht das wirkliche Geschlecht des Kindes, um so 
die „Hexe irrezuführen“. 

Wenn das Kind Jemanden stark anlacht, so schneidet sich der 
Betreffende ein paar Haare vom Kopfe und ein Stück Zeug aus 
seiner Unterhose und räuchert das Kind damit (Jäszer Comitat). 
Des Morgens ptlegt man das Kind gewöhnlich mit Urin (mit dem 
Urin der Mutter) zu wascheu und mit dem unteren Theil des Hemdes 
der Mutter abzutrocknen. 

Im Trencsener Comitat benetzt die Mutter ihr schlafendes Kind 
mit ihrem Urin, iudem sie unter ihre Röcke greift, in die Hand 
Wasser lässt und dieses so auf das Gesicht des Kindes streicht. 
Zum Ueberflus8 leckt sie daun noch den Urin vom Gesicht ab!! 
Dieses Verfahren soll vorzüglich sein, damit das Kind nicht ,,au 
den Augen (bösem Blick) zu Grunde gehe“ und stets ein frisches, 
schönes Gesicht bewahre. 

In einem alten ungarischen medicinischen Hausschatz fand ich 
folgenden Passus: „Die Ursache von Wallungen bei Kindern, die auch 
Behexung genannt werden, ist manchmal die Pereffluvia, d. i. der 
mörderische Blick der schädlichen Augen. Deshalb trauen sich Manche 
nicht einem Kinde fest in die Augen zu blicken“ (Szent-Mihälyi).*) 

Eventuell räuchert man das Kind mit „gemeinem Ziest“ 
(Gömörer Comitat), oder man t.hut ihm solchen in sein Bad (Pester, 
Hajduer Comitat). Die Brühe von gekochtem Ziest (Emmerling, 
Ammer; Stachys) gilt in Ungarn schon seit uralten Zeiten als wirk- 
sames Mittel gegen bösen Blick und Behexung. Die Sokäczen 
gebrauchen gegen bösen Blick die „Sztarcsacz“-Pflanze (?). 

Dem Kinde zieht man übrigens an vielen Orten (bei Manchen nur 
bis zur Taufe) sein Kleidchen oder Hemdchen verkehrt an, bin- 
det ihm ein rothes Bändchen um den Hals oder an die Hände, 
oder hängt ihm alte gebrauchte Violinsaiten, rothe oder blaue Perlen 
um, oder schmiert ihm die Stirn mit Russ oder Speichel ein, 
oder näht ihm ein durchlochtes Geldstück in die Kopfhaube, oder 
bindet ihm ein solches auf den Kopf, die Hand u. s. w. Die 

*) Szent-Mihälyi Mihälv, botzonädi plebänos (Pfarrer von Botzunäd). Häzi 
«rvossägok. (Hausmittel.) Vätz 1791. 


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Palöczen (Nögräder Com.) binden dem Kinde einen Bindfaden aus 
Seide, Zwirn oder Spagat um das Handgelenk, der bis zum Ent- 
wöhnen des Kindes nicht heruntergenommen werden darf. 

Einem Knaben hängt man einen mit Eselhengsthaaren, einem 
Mädchen ein mit Eselstutenhaaren gefülltes Säckchen um den Hals 
(Zalaer, Soproner, Jäszer Comitat), oder man näht dem Kinde 
Eselshaare in die Kopfhaube (Tolnaer Comitat). Im Hajduer Co- 
mitat wird das Kind mit Kümmel oder Spinnengewebe geräuchert 

Wenn ein Manu zu Besuch kommt, so wirft derselbe seinen 
Hut auf das Kind. 

Während des Ganges zur Taufe darf das Kind Niemandem ge- 
zeigt werden. 

Im Bäcser Comitat steckt mau das Kind fusswärts zum Fenster 
hinaus und „löscht Kohlen“. Die Serben dieses Comitates legen 
Geld zu den Füssen des Kindes in das Kissen und schütten ihm, 
wenn es zur Taufe getragen wird, das Badewasser nach (Väli). 

Wenn das Kind erkrankt, z. B. Bauchkrämpfe bekommt, un- 
ruhig und infolge von Magenüberladuug unwohl ist, oder viel weint 
u. s. w., so ist es sicher durch bösen Blipk behext worden. Um 
sich darüber Gewissheit zu verschaffen, werden „Kohlen gelöscht“, 
„Kohlen gesät“ u. s. w., welches allgemein beliebte Verfahren dann 
besteht, dass in ein Glas oder in eineu Topf mit Wasser (oder Urin) 
drei glühende, „lebende“ Kohlen geworfen werden. Sinkt eine der- 
selben unter, so hat Jemand das Kind mit seinem bösen Blick be- 
hext. Anderwärts bezieht man ein jedes einzelne der drei Stück 
Kohlen auf je einen von drei Besuchern verschiedenen Geschlechts, 
nämlich das eine auf einen Mann, das andere auf eiue Frau, das 
dritte auf ein Kind oder aber direkt auf je eine bestimmte Person, 
die die Wöchnerin besucht hatte, und je nachdem das eine oder 
andere Stück Kohle untersinkt, schliesst man auf das Geschlecht 
derjenigen Person, resp. auf die Person selbst, die das Kind mit 
bösem Blick behext hat. Mit dem Wasser wird dann dem Kinde 
dreimal das Gesicht abgewaschen und ihm davon zu trinken ge- 
geben. Abgewischt wird das Gesicht mit der Kehrseite des Kinder- 
hemdchens oder mit dem unteren Theile des Hemdes der Mutter. 
Vielen Ortes gebraucht man neun oder sieben Stück Kohlen und 
zählt von neun resp. sieben zurück, indem man dabei beständig 
an die verdächtigten blauen oder schwarzen Augen denkt. Von 
dem Wasser trinkt man neun- oder siebenmal. 


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An manchen Orten pflegt man in jedes Badewasser, sowohl in 
das der Mutter als auch in das des Kindes, Kohlen zu werfen. 

In Kalotaszeg tropft man von dem Kohlenwasser“ mit der 
Messerspitze drei Tropfen ins Feuer, drei auf die Thürklinke, drei 
in den Mund des Kindes, drei auf seine Stirn, je drei in seine 
Handteller, und giebt ihm davon drei Schluck zu trinken, während 
man den Best auf die Thürangel giesst (Jankö). 

Auch die Juden gebrauchen neun Stück Kohlen oder ebensoviel 
Brodkrümchen und zählen, wenn sie dieselben ins Wasser werten, 
auf folgende Weise zurück: „Nicht 9. nicht 8, nicht 7“ u. s. w. 

Die Magyaren giessen das Kohlenwasser entweder hinter die 
Thüre oder auf einen Hund, damit „die Krankheit au diesem haf- 
ten bleibe“. 

Dieses Kohlenwasser wird auch „Augenwasser“ genannt. 

In manchen Gegenden wird von dem Wasser ein bestimmtes 
Quantum (3 — 4 Esslöffel voll) in ein Glas gegossen und dann wie- 
der über dem Kopfe des Kindes zurückgemessen; wenn nun bei 
dem Zurückgiessen scheinbar mehr Wasser gefunden wird, indem 
von demselben, wie es auch gewöhnlich der Fall ist, nach dem Ab- 
messen mit dem Löffel noch etwas übrig bleibt, so ist das „Be- 
schrieensein“ oder „Behextsein“ zweifellos festgestellt. In diesem 
Falle muss das Kind mit dem Wasser gewaschen werden u. s. w. 
(Somogyer, Soproner Com.). 

An manchen Orten bringt man von neun Brunnen Wasser und 
badet darin das Kind, oder man leckt demselben nach Weggang 
des Gastes die Augen aus. Haben sie einen salzigen Geschmack, 
so „ist das Kind behext“. 

Im Krassö-Szörenyer Comitat geht die Frau vor Sonnenaufgang 
lautlos an einen Bach, schöpft aus ihm Wasser und wäscht damit, nach- 
dem sie drei glühende Kohlen in das Wasser geworfen hat, das Kind ab. 

Im Märmaroser Comitat weicht mau neun Schnittchen Knoblauch, 
in die man mit einer Nadel eine Menge kleiner Löcher gestochen 
hat, in Wasser auf und giebt dies der Mutter und dem Kinde zu 
trinken. 

Bei den Slowaken des Nyitraer Comitates wäscht die Frau, be- 
sonders wenn sie von Jemandem mit zusammentreffenden Augen- 
brauen besucht wurde, sich seihst und ihr Kind mit ihrem eigenen 
Urin, wischt sich und das Kind mit dem unteren Tlieile des Hem- 
des ab und bindet noch ein Säckchen mit Wolfsfleisch um den 


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Hals. Gähnt das Kind, so unterliegt es keinem Zweifel, dass es 
durch bösen Blick behext wurde. In einem solchen Palle giesst 
man Blei durch einen Besen, oder legt den Säugling auf die Erde 
und lässt über ihn dreimal einen kleinen Hund springen. 

Bei den Slowaken des Trencsener Comitates pflegt man dem 
Kinde, wenn es von der Gevatterin von der Taufe nach Hause 
gebracht wird, unverzüglich die Augen in einem Schweinefresstrog 
abzuwaschen. 

Anderwärts schneidet man deijeniger. Person, von welcher die 
Behexung ausging, einige Haare vom Kopfe und räuchert das Kind 
damit, oder thut sie in dessen Badewasser, oder hängt einen Theil 
derselben in den ßauchfang (Szatmärer, Hajduer, Pester Comitat). 

Im Säroser Comitat nimmt die Mutter Wasser in den Mund, 
wäscht damit das Kind und spuckt den Rest übers Kreuz in die 
Ecke der Wiege. 

Im Csiker Comitat spuckt mau auf die Erde und schmiert den 
sich so bildenden Schmutz dem Kinde auf die Stirn. 

Im Csanäder Comitat macht man dem Kinde mit Spülicht ein 
Kreuz auf die Stirn, während man im Zalaer Comitat den Säugling 
in einem Spülichtschaff wäscht. 

Bei den Rumänen des Temeser Comitates bringt man nach der 
Geburt den Kopf des Kindes dreimal mit dem Zimmerbalken in 
Berührung („man schlägt seinen Kopf an den Balken“). 

Im Györer Comitat wird der Säugling in einem Wasser ge- 
badet, in dem ein mit menstruellem Blut beflecktes Hemd einge- 
w'eicht gewesen war. 

Im Szatmärer Comitat (Porcsalma) wird gegen bösen Blick ein 
grosses Glas halb mit Wasser gefüllt und darüber ein Sieb ge- 
geben. Darauf lässt man das Weisse von einem Ei durch das 
Sieb langsam ins Wasser tropfen. Zeigt dann das sich auf der 
Wasseroberfläche ausbreitende Eiweiss die Form eines Rockes, so 
ging die Behexung des Kindes von einer Frau aus, während letzteres 
von einem Manne behext wurde, wenn das Eiweiss die Form einer 
Hose zeigt. Mit dem Wasser wird dann der Säugling abgewaschen 
(Kiss).- 

Im Szabolcser Comitat trägt man das durch bösen Blick be- 
hexte Kind zu Jemandem, welcher ein Zwilling ist, und zwar wenn 
es sich um ein Mädchen handelt, zu einer Frau, und wenn es sich 
um einen Knaben handelt, zu einem Mann, und bittet die betreffende 


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Person, dem Kinde in den Mund zu spucken, oder fängt den 
Speichel derselben in einem mit Wasser gefüllten Glase auf und 
giebt das Ganze dem Säugling zu trinken. 

Im Somogyer Comitat wird das Kind bei den Füssen genommen 
und, erst von unten nach oben und dann umgekehrt, durch sämmt- 
liche Sprossen einer Leiter hindurcbgesteckt. Diese Procedur bat 
angeblich schon manchem Kinde das Leben gekostet (Csäky). 

In Debrecen wird bei einer Behexung durch bösen Blick immer 
die Hebamme beschuldigt, und deshalb holt man sie unverzüglich, 
wenn das Kind unwohl ist, nachdem ihr zuvor „zur Versöhnung“ 
Schinken, Bauchfleisch und Seife geschenkt worden war, denn „bei 
einer solchen Gelegenheit muss man sogar dem Teufel Weihrauch 
spenden“ (Zelizy). Es ist dies vielleicht der einzige Aberglaube, 
aus welchem wenigstens der Hebamme einiger Nutzen erwächst. 

In der „Szihigysäg“ bereitet man gegen Behexung „Kohleu- 
wasser“ und sagt dabei: 

„ Blaues Auge, schwarzes Auge, gelbes Auge, 

Tausend haben es gesehen, hundert abgeschnitten, 

Jesus Christus verschaffe ihm Heilung.“ 

Oder man schneidet mit dem Messer ein Kreuz auf den Herd, stellt 
ein mit Wasser gefülltes Glas darauf und wirft in letzteres drei Stück 
glühende Kohlen, bekreuzigt sich nach jedem einzelnen Stück, be- 
deckt das Glas mit dem Handteller und sagt nach dem ersten Stück : 
„War es ein schwarzes Auge, welches das Kind behexte, so komme 
es auf ein schwarzes;“ nach dem zweiten Stück: „War es ein blaues 
Auge, so komme es auf eiu blaues;“ nach dem dritten Stück: „War 
es ein gelbes Auge, so komme es auf ein gelbes.“ Wenn wenigstens 
das eine Stück Kohle untersinkt, was darauf hindeutet, dass .das 
Kind thatsächlich behext ist, so giebt man diesem von dem Kohlen- 
wasser zu trinken, in welches die Mutter dann zwei Finger taucht 
und dem Säugling die Stirn, den Bauch, die Handteller, die Sohlen, 
den Bücken mit dem Wasser wäscht. Den Best giesst man in 
Kreuzform auf die Thürangel. 

Eine andere Kegel ist die : „Thue ein wenig Salz, d. i. so viel 
wie du gerade mit den fünf Fingerspitzen fasseu kannst (oder so 
viel wie drei Maiskörner), sieben Pfefferkörner, drei Schnittchen 
Knoblauch, neun Bohnenkörner in ein Säckchen und trage dies stets 
in deiner Tasche oder um deinen Hals gebunden. Es kann dich 
dann Niemand behexen.“ 


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Personen mit zusammengewachsenen Augenbrauen werden des- 
halb für besonders gefährlich gehalten, weil sie „dem Kinde mit 
ihren Augen die Gedärme im Leibe umdrehen'*. 

In der Szilägysäg meint man noch, dass der „böse Geist“ dem 
Menschen auch in der Weise schadet, dass er dessen Fussspur 
an die Mauer des Rauchfanges wirft oder in den Feuerherd gräbt 
und verflucht. So wie die Spur im Rauchfang trocknet, so trocknet 
auch der Mensch ab, von dem die Spur herrührte (Baläzs). 

Im Biharer Comitat verbrennt man in einem Behexungsfalle den 
„Nabellappen“. 

Zum Schlüsse will ich noch eine Auslese von den von Edel- 
mann in den verschiedensten Gegenden Ungarns gesammelten „Heil- 
verfahren“ gegen das Behexen geben. 

Wie schon erwähnt, wird das Kind mit dem Haar des „Schul- 
digen“ geräuchert und wird von dem Haar auch in das Badewasser 
gethan. Dieses Badewasser muss noch enthalten Safran, Erde von 
neun Gräbern, neun Holzspäne von verschiedenen Grabkreuzen, 
neun Stück Kohle und ebensoviel Gras und Rohr, welches aus dem 
Dach kreuzweise herausgeholt wurde. All dies muss vor Tages- 
anbruch bereitet werden (Jäszer Com.). 

Anderwärts wird es für genügend gehalten, das Kind dreimal 
täglich in einem Wasser zu baden, in das von neun Gräbern ge- 
nommener Erde neun Handvoll gegeben wurden. 

Im Biharer Comitat müssen mit dem „Kohlenwasser“ die Schläfe, 
Stirn, Augenlider, Handgelenke und die Herzgegend gewaschen 
werden. 

Ein anderes Verfahren ist folgendes: bei Tagesanbruch muss, 
ohne dabei ein Wort zu sprechen, aus einer Schmiede von dem 
Wasser geholt werden, in das das glühende Eisen gelegt worden 
war. In diesem Wasser muss das Kind gebadet und dann mit 
dem Hemd des Vaters zugedeckt werden (Heveser Comitat). Eben- 
daselbst wird auch je eine Handvoll Mist genommen von den Mist- 
haufen neun solcher Häuser, wo es ein Kind mit dem gleichen Na- 
men giebt, wie das behexte hat. Dieser Mist wird in Wasser 
gekocht und dieses zum Baden verwendet, oder wenigstens werden 
drei Löffel voll davon auf das Kind gegossen. 

ln einem Absud verschiedener Kräuter wird das Kind gebadet 
und das Wasser gegen Westen ausgeschüttet, indem folgender Spruch 
gesagt wird: „Ein Auge hat es betrachtet, ein Herz hat es behext, 

Timei y kr y, Volkabr&ncbe. 6 


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heilige Dreifaltigkeit, ein Gott, wende es zurück.“ Dies wird drei- 
mal wiederholt (Pester Comitat). 

In Szeged wird folgendes Gebet zu drei Gelegenheiten je neun- 
mal hergesagt: „Die heilige Jungfrau ging hinweg mit dem gebene- 
deieten Jesuskind auf dem Arm; drei Juden begegneten ihr auf der 
steinernen Brücke. Der Eine sprach: oh, unsere Frau, Jungfrau 
Marie, wie schön ist der gebenedeiete Jesus, wie die schöne, glän- 
zende Sonne. Der Zweite sprach: oh, unsere Frau, Jungfrau Marie, 
wie schön ist Jesus, wie der Vollmond. Der Dritte sprach: oh, 
u. s. w. wie die Morgenröthe. Und so beschrieen und behexten sie 
Jesus. Marie trug dann Jesus zum Jordan, wusch und badete ihn 
dort und goss von dem Wasser auf rotheu Marmorstein. So möge 
auch auf diesem (z. B. Marie genannten) Kiude keinerlei Behexung 
und Beschreiung bleiben weder im Kopfe, noch auf dem Scheitel, 
weder in den Seiten, noch in den Seitenrippen, noch in irgend 
einem Knörpelchen, Amen!“ 

Im Gömörer Comitat wird, wenn man ein Kind behext glaubt, 
Epheu gekocht; ist das Kind lebensfähig, so quillt die Pflanze grün 
auf und man badet dann das Kind in diesem Wasser, wenn nicht, 
so wird die Pflanze gelb und alle Bemühungen sind dann vergebens. 

Im Bekeser Comitat wird das Behextsein mit folgendem Spruche 
abgebetet: „Auge sah und schlug es; Herz sah und wünschte es; 
Mutter gebar und liebte es. Oh, mein Herr Jesus, du sähest und 
tröstetest dieses geseguete kleine Kind.“ 

Andere solche Formeln sind: 

„Jesus ging auf einen weiten Weg, traf dort die „Bezauberer“ 
(Behexer) und frug sie: Wohin geht Ihr? Wir gehen die Gesund- 
heit des N. N. zu „verderben“, ihm Herz und Leber wegzunehmen. 
Gehet von dort hinweg in das Innere der schwarzen Erde, ich bin 
dorthin eingeladen, im Namen des Vaters, des Sohnes und des 
heiligen Geistes, Amen!“ Dies muss dreimal wiederholt werden 
(Erdely). 

„Jesus Christus ging auf den Weg der Wahrheit, traf die Be- 
schwörung und frug sie: Wohin gehst du, Beschwörung? Diese 
antwortet: Ich gehe in das Dorf N., um dem Mädchen (oder Kna- 
ben) N. die Farbe welk, das Haar struppig zu machen u. s. w.“ 
Während dem Hersagen dieses Spruches steht die Abbeterin mit 
einem Glas Wasser neben dem Herd. Dann wirft sie neun Stück 
glühende Kohlen iu das Wasser, indem sie sagt: „Es ist nicht eins, 


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es ist nicht zwei u. s. w. ; wenn es unter einem Hut hervorkam, so 
bleibe es unter diesem, wenn unter einem Zopf, so bleibe es unter 
diesem, und wenn es unter einer Haube hervorkam, so bleibe es 
unter dieser.“ Dann wird das Gesicht des „behexten“ Kindes mit 
dem Kohlenwasser gewaschen und zum Schluss noch folgendes ge- 
sagt: „Auge sah es, Mund verschrie es; unser Herr Christus heilte 
es“ (Somogyer Comitat). 

Ich glaube mich nun schon genug, vielleicht sogar zu viel mit 
diesen Albernheiten beschäftigt zu haben und möchte auf die Be- 
handlung der Wöchnerin übergehen. 

30. Diätetik des Wochenbettes. 

Was die Wochenbettdiät anbetrifft, so ist in ganz Ungarn als 
souveränes Mittel der Branntwein anzusehen. 

Dersellte ist den der unteren Volksklasse angehörenden Wöch- 
nerinnen Alles: Speise, Trank, Medicin. 

In der Hälfte der Antworten, -welche ich auf meine Frage l>e- 
züglich der Diät der Wöchnerin bekommen habe, wird der Branntwein 
erwähnt, und es ist sogar anzunehmen, dass auch in der anderen 
Hälfte der Antworten vom Branntwein die Rede gewesen wäre, wenn 
die betreffenden Hebammen den Genuss desselben nicht für selbst- 
verständlich gehalten hätten. 

Dass das Branntweintrinken auch in Ungarn sein - verbreitet ist, war 
mir bekannt: dass dieses Getränk jedoch in solchem Maasse und in 
einzelnen Fällen in so grossen Quantitäten consumirt würde, hätte ich 
denn doch nicht geglaubt. Ich will hier gleich die vielleicht etwas 
kühn erscheinende Behauptung aufstellen, dass die relativ günstige 
Mortalität der Wöchnerinnen vielleicht auf jenen übermässigen Alcohol- 
genuss zurückzufiihren ist Verhältnissmässig günstig nenne ich die 
Mortalität deshalb, weil wir uns, wenn ich die Antworten über- 
blicke, die ich bezüglich der Behandlung der Schwangerschaft, der Ge- 
burt und des Wochenbettes erhalten habe, bei dem heutigen Stande 
der Wissenschaft darüber wundern müssen, dass nicht noch viel mehr 
von jenen Frauen zu Grunde gehen, denen bei der Entbindung keine 
geschulten Hebammen assistirt haben, die also in der oben geschilder- 
ten Weise entbunden wurden. Und ich glaube, dass hierbei das viele 
Alcoholtrinken, welches jetzt bekanntlich auch in der rationellen Be- 
handlungsweise des Wochenbettes die Hauptrolle spielt, von grosser 

6 * 


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Wichtigkeit ist, indem es bei Bekämpfung der Wochenbetterkrankungen 
einen grossen prophylaktischen Werth hat.*) 

Der Branntwein in den verschiedensten Formen, als Silvorium 
(Pflaumenbranntwein), Borovieska (Wachholderbranntwein), „Törköly“ 
(Treber), Rosolio, Getreideschnaps, gewöhnlicher Spiritus, Honigschnaps, 
ferner gewürzt mit Pfeffer, Kümmel, Lorbeer, Ingwer u. s. w., wird zu- 
weilen in sein- bedeutenden Quantitäten genossen, und zwar zumeist gleich 
von der Entbindung angefangen. Es wird von einem täglichen Consum 
von 2 — 3 Decilitem, ja sogar eines ganzen Liters berichtet Manche 
Wöchnerinnen sollen so viel Branntwein geniessen, dass sie davon fast 
berauscht werden. Ein Sprichwort sagt auch deshalb: „Hat ’s gut wie 
eine Wöchnerin“ (Bäcser Comitat). 

Das Volk erklärt die günstige Wirkung des Branntweingenusses 
damit, dass dann „die Wöchnerin innerlich nicht friert“, dass „sich ihr 
Blut l>esser reinigt“, dass „er (der Branntwein) das schlechte Blut aus 
ihrem Körper treibt“ und „das Bauchgrimmen stillt“, weswegen man 
auch, so oft die Wöchnerin Nachwehen oder irgend welche anderen Be- 
schwerden hat, ihr als einziges Heilmittel immer nur von dem neben 
ihr stehenden Branntwein giebt. 

Ausser letzterem erfreut sich natürlich auch der Wein allgemeiner 
Beliebtheit. 

Hinsichtlich der Diät der Wöchnerimien ist noch zu erwähnen, 
dass bei der Wahl der Speisen und Getränke einzig und allein die 
Vermögensverhältnisse maassgebend sind. Die Wöchnerinnen essen 
schon unmittelbar nach der Geburt Alles, was sie gerade haben und 
was man ihnen bringt, sogar die schwerst verdaulichen Sachen, wie 
fünf bis sechs hart gesottene Eier oder aus ebenso viel Eiern zubereitete 
Rühreier (Eierspeise), ungesalzene Pogatscherln (eine Art fetten Kuchens), 
„Puliszka“ (Maisbrei mit Schafsmilch geknetet und gebacken), Mais, rohes 
Kraut, Birnen, Pflaumen, grünen Paprika (roh), Bohnensuppe u. 8. w. 

In einigen Gregenden beobachtet man unmittelbar nach der Ge- 
blüt noch einige Vorsicht, indem dort die Wöchnerinnen nur Milch, 
Einbrennsuppe, Thee u. s. w. zu trinken bekommen. Bei den Rumänen 
des Csiker Comitates müssen die Frauen gleich nach der Entbindung 

*) Der ungarische Dichterkönig Arany Jänos ist diesbezüglich anderer 
Meinung, indem er in einer seiner Volksdichtungen: „Az elaö lopäs“ (Der erste 
Diebstahl) von einer Wöchnerin sagt: „Eine Flasche Schnaps muss sie be- 
ständig unter ihrem Kopfe liegen haben, Denn dies kräftigt sie (glaube 

es der Narr!)“ 


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so viel esseu, mit wie viel sie glauben in ihrem Bauche den früher vom 
Kinde eingenommenen Platz ausfüllen zu können. Daselbst trinken 
auch die Wöchnerinnen Wahrscheinlich ist dies etwas übertrieben) mit 
der Hebamme zusammen in zwölf Stunden 5—6 Liter Schnaps aas. 

Ziemlich allgemein ist die Volkssitte, dass der Wöchnerin, so 
lange sie liegt, die Gevatterin und die im Dorfe wohnenden Verwandten 
und Bekannten zu essen und zu trinken bringen, und zwar so viel, 
dass daran das ganze Hausgesinde genug hat In der Regel hält man 
es so, dass die Wöchnerin an dem eisten Tage nach ihrer Niederkunft 
und am Tage vor dem Verlassen des Wochenbettes von der Gevatterin, 
an den übrigen Tagen aber von dem anderen Weibervolk abwechselnd 
einen beständig mit frischen Speisen und Getränken vollgepfropften und 
schön geschmückten Korb zugetragen bekommt. Diese Speisen werden 
im Alföld Gevatterschale, Gevatterschüssel, bei den Szeklem „Radina“ 
genannt. 

Im Hajduer Comitat müssen die Wöchnerinnen die ihnen von der 
Gevatterin gebrachten Speisen in Gegenwart der Letzteren verzehren. 
Die Speisen sind die gewöhnlichen — nur noch fetter, schwerer ver- 
daulich und reichlicher als sonst — und zwar ausser Fleischsuppe: 
papricirtes Fleisch, Bohnen. Kartoffeln, geräuchertes Schweinefleisch, 
Speck, gefülltes Kraut. Strudel. Nockerln, Quark- (Topfen-) kuchen und 
Honigbranntwein. 

In der Muraköz bringt die Gevatterin die ganze Woche hindurch 
das Essen. Am letzten Tage der Woche bringt sie so viel, dass die 
Wöchnerin daran mehrere Tage lang genug hat (Gönczi). 

Bei den Kroaten wird die Wöchnerin an dem der Entbindung fol- 
genden Sonntag von ihren weiblichen Verwandten besucht, von denen 
jede auf dem Kopf einen Teller voll Pogatscherl und in der Hand eine 
Flasche Wein bringt. Am dritten Sonntag bringen diese Verwandten 
ganze Körbe voll von Kuchen und Esswaaren und Getränken. Dieses 
Fest wird „Zibeli“ (Wiegenmahl) genannt, und geht es bei demselben 
gewöhnlich hoch her (Margalits). 

Bei den Matyös bringt die Gevatterin der Wöchnerin Suppe, Rind- 
fleisch, Nudeln oder „Schneeballen' 1 und gefülltes Huhn, zur Fastenzeit 
Einbrennsuppe und Schäberlsuppe. Auch bei den Palöczen versorgt die 
Gevatterin während des sieben Tage dauernden „Zeltfestes“ die Wöch- 
nerin mit Speise und Trank: Wein, Honigbranntwein, „Ferentö“ ge- 
nanntem geflochtenen Kuchen u. s. w. (Pinttir). 

Ein sehr beliebtes Nahrungsmittel sind überall die Rühreier, die 


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unmittelbar nach der Entbindung in ziemlichen Quantitäten genossen 
werden. 

Geröstetes zwiebeliges Brod ist als Galactogogum eine beliebte 
Speise. Auch bei den Ungarn des Soproner Comitates sind ausser dem 
Braimtwein in Schmalz gebackene „Schneeballen“ und „Zehnschlüssel- 
kuchen“ (geflochtener Kuchen) etwas Unerlässliches. 

Dagegen hüten sich die Wöchnerinnen vor dem Wassertrinken, 
da sie das Wasser für schädlich halten, weil man „davon che Wasser- 
sucht bekommen kann“, wie mir von einer Seite mitgetheilt wurde. 
Aus diesem Grunde gemessen die Wöchnerinnen in den betreffenden 
Gegenden während der ernten Tage nur imgesalzene Speisen, welche 
nicht zum Durst reizen. Auch bei den Deutschen des Soproner Co- 
mitates und bei den Kroaten enthält sich die Wöchnerin des Wasser- 
trinkens, doch trinkt, sie dafür Kamillen-, Flieder- oder russischen Thee 
oder ein Gemisch von diesen Sorten. In einigen Gegenden schreibt 
man auch der Milch einen schädlichen Einfluss zu. 

31. Nach wehen. 

Fast in ganz Ungarn herrscht der Aberglaube, dass die Frau, wenn 
sie nach der Entbindung zwei- oder dreimal in die Nachgeburt hinein- 
beisst (eventuell wickelt man diese vorher in einen Fetzen ein), im 
Wochenbett keine Nachwehen haben wird. Im Ungarischen heisst 
nämlich Kauen: „rägäs“, und ein Volksausdruck für Nachwehen ist: 
„hasrägäs“ (Bauchgrimmen). Also lässt sich auch hier, wie oben in 
der Klee-Behandluug gegen Sterilität, eine sprachliche Similia similibus- 
Behandlung nachweisen. 

Gegen Nachwehen legen übrigens die Bulgaren und Serben auch 
in Branntwein aufgeweichte Brod rinde auf den Nabel, was auch bei 
den im Nordosten Ungarns wohnenden Juden gebräuchlich ist 

3*2. Hängebauch. 

Es ist ein allgemein verbreiteter Brauch der Wöchnerinnen, sich 
gegen einen „grossen Bauch“ oder einen Hängebauch, von welchem 
das ungebildete Volk glaubt, dass er gleichbedeutend ist mit einer Ver- 
grösserung der Gebärmutter, zu schützen. Deshalb sagt man, dass sich 
bei derjenigen Frau, welche nach der Geburt einen grossen Bauch be- 
hält, die Gebärmutter nicht ordentlich zurückgebildet, nicht genug ge- 
blutet resp. sich nicht gehörig „gereinigt“ habe, was der Hebamme zur 
Last gelegt wird, die die Frau sicherlich nicht genügend „geschmiert“ habe. 


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— 87 — 

verbreiteten, zumeist täglich ausgeführten 
Schmierungen, Reibungen des Bauches, welche wir nach Beendigung 
der Nachgeburtsperiode natürlich nur gutheissen können, ist auch das 
Umbinden des Bauches besonders beliebt 

Man zwängt den Bauch gleich nach der Geburt ein, „bindet ihn 
auf“ (und zwar mit einem Leinentuch oder einem gewöhnlichen Tuch), 
oder wickelt ihn ein. 

In einigen Gegenden, besonders bei den Slowaken und Rumänen, 
bildet der Bauchwickel ein sehr wichtiges Requisit der Ausstattung des 
zu verheirathenden Mädchens und ist ungefähr 10 cm breit und 4 m 
lang. Die Rumänen nennen ihn „Hanica“. 

So wie die übrigen Bauchbinden bindet oder näht man auch den 
Wickel entweder einfach über dem Bauch zusammen und lässt ihn 
während des ganzen Wochenbettes darauf, oder nimmt ihn täglich herunter 
und bindet ihn von Neuem um. An den meisten Orten umbindet 
und umwickelt man den Bauch auch noch längere Zeit nach Verlassen 
des Wochenbettes. 

In manchen Gegenden wird ausschliesslich ein mehrfach zusammen- 
gefaltetes Leinentuch oder Tuch auf den Bauch gelegt Zur Erhöhung 
der Wirkung bindet man zuweilen noch einen Dachziegel oder einen 
schwereren Stein oder ein Brett (Bäcser Comitat) oder ein Plätteisen 
darauf. 

Ausserdem werden an vielen Orten mit den verschiedensten Mitteln 
Umschläge gemacht, hauptsächlich mit Kampher- oder Ingwer-Brannt- 
wein. Auch taucht man in brennenden Kampherbranntwein einen 
Lappen ein und umbindet mit letzterem den gut eingeseiften Bauch, 
oder legt stark gesalzenes Eigelb (Udvarhelyer Comitat), Butter, Alaun 
mit Eierklar (Bökeser Comitat), geriebene Zwiebel und Sauerteig, sowie 
mit Knoblauch und Spiritus, Hollunder- und Hagebuttenblättem zu- 
sammengerührten Sauerteig darauf. 

Andere trinken Malventhee in Rothwein, oder gemessen Safran 
oder Kümmel in Milch gekocht (Rumänen), sowie Kampher in Spiritus 
(Slowaken) u. s. w. 

An vielen Orten enthält sich die Wöchnerin auch deshalb des Wasser- 
trinkens, damit sie keinen aufgeblähten Bauch bekomme. 

Die Rumäninnen lassen sich, damit sie früh aufstehen können und 
keinen grossen Bauch behalten, ihren Bauch vom dritten Tage nach 
der Niederkunft angefangen fünf bis sechs Tage hindurch täglich zwei- 
mal mit Fett einschmieren. 




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Ausser den allgemein 


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Die serbischen Flauen legen sich sofort nach der Geburt (auf 
einem Brett) auf den Bauch. 

In Csanäd (Pester Comitat) schmiert sich die Frau ihren Baach 
mit Schweinefett ein und drückt ihn so lange und mit solcher Kraft 
gegen die Thürpfoste. dass sie fast ganz ermattet Anderwärts darf 
die Frau nur auf der Seite liegen, denn das Liegen auf dem Rücken 
hält man für schädlich, weil dabei das Blut „erstarrt“, die Frau also 
nicht gehörig „rein wird“ (Jüszer Comitat). 

83. Chloasma uterinum. 

Allgemein verbreitet sind auch solche Sitten und Aberglauben, 
welche auf Beseitigung der sogenannten Ijeberflecken, hauptsächlich aus 
dem Gesicht abzielen. Wie wir gesehen haben, ist nach dem Volks- 
glauben das Gesicht nur dann leberfleckig, wenn die Frau ein Mädchen 
unter dem Herzen trägt. 

In der Therapie des Chloasma uterinum spielt die Nachgeburt 
die grösste Rolle. Es ist nämlich ein in ganz Ungarn l>ei sämmtlichen 
Nationalitäten und Confessioneu allgemein verbreiteter Brauch, der 
Wöchnerin behufs Entfernung der Schwangerschafts-Leberflecken das 
Gesicht mit der blutigen Nachgeburt abzuwischen, bezw. abzureiben. 
Diesem seltsamen Verfahren bin auch ich schon in einigen — übrigens 
intelligenten — Familien begegnet 

Die Nachgeburt muss noch warm sein. Auch würde es nach 
Einigen nicht genügen, das Gesicht nur einmal damit einzuschmieren, 
sondern dies muss dreimal geschehen. 

An einigen Orten wickelt man die Nachgeburt vorerst in einen 
Leinwandlappen und wischt der Frau so das Gesicht dreimal damit 
ab. Zumeist tliut man dies nur nach der ersten Geburt. Viele be- 
riiliren mit der blutigen Nachgeburt nicht nur dreimal das Gesicht, 
sondern auch alle sonstigen leberfleckigen Stellen ihres Körpers. 

Das blutige Gesicht wird entweder mit dem Badewasser des Kin- 
des oder mit dem nach der Geburt zuerst gelassenen Ham abgewaschen. 
Beide Verfahren, besonders aber das erstere, wendet man auch ohne 
Einschmieren mit der Nachgeburt an. Andere lassen die blutigen 
Flecken drei Tage unabgewischt (Temeser Comitat), und Manche ent- 
fernen sie dann nicht mit einem Handtuch, sondern mit weissem Papier 
(Serben des Bäcser und Torontäler Comitates) oder mit dem Zeug, in 
welches das Kind unmittelbar nach der Geburt eingewickelt wurde 


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(Jäszer Comitat). Die Erdelyer Rumänen waschen sich sechs Wochen 
im Badewasser des Kindes. 

Auch Weihw r asser (Abauj-Tomaer Comitat). ebenso wie Milch, 
Milchrahm (Nögräder Comitat) und von angelaufenen Fenstern herunter- 
getropftes Wasser (Csallököz) wird zu besagtem kosmetischen Zwecke 
verwendet. 

Mit dem blutigen Hemd einer Erstgebärenden wischt man sich 
neunmal das Gesicht ab (Märmaro ser Comitat). Auch trocknet man 
sich an den von einem erstgeborenen Kinde in der ersten Woche ge- 
brauchten Windeln ab (Kolozsvär). 

Das von der Geburt blutig gewordene Hemd taucht man in das 
Badewasser der Frau, in welches man verschiedenerlei Kräuter und 
auch Heu thut, und wäscht damit sowohl das Gesicht der Wöchnerin, 
als auch das des neugeborenen Kindes ordentlich ab (Häromszeker 
Comitat). 

Dort, wo die Hebammen derartigen Verfahren entgegentreten, wer- 
den diese hinter ihrem Rücken von den Angehörigen angewandt, oder 
die Nachgeburt wird, damit sie nicht erkalte, in warmes Wasser ge- 
steckt und erst nach dem Weggange der Hebamme zu den erwähnten 
Manipulationen verwendet 

Wenn nach dem Wochenbett die Leberflecken nicht bald verschwin- 
den. so reibt man die betreffenden Körperstellen mit rohem Fleisch ein 
(Heveser Comitat). 

Von Medicamenten werden Boraxwasser, Glycerincreme oder an- 
dere Salben gebraucht wie das „Szerecsika“ genannte sublimathaltige 
serbische Volkscosmetieum. arsenhaltige Salben u. s. w. (Bäcser, Krassö- 
Szörenyer Com.). 

34. Lochien. 

Während der Zeit des Wochenflusses oder, wie das Volk in 
Ungarn noch sagt der „Wochenbett- Reinigung“ hält man die Frau für 
unrein und die Lochien selbst für schädlich, giftig. Wenn man mit den- 
selben ein Thier einschmiert so stirbt es, und wenn man damit einen 
Baum bestreicht, so geht er ein. Innerlich angewendet beginnen da- 
von sowohl Thiere als auch Menschen zu rasen. Damm warft man 
Alles, was mit den Lochien inficirt ist, in Flusswasser oder verbrennt ea 

Bei den Sokäczen galt in früheren Zeiten nicht nur die Wöch- 
nerin, sondern auch alle Frauen, die mit dem Kinde bei der Geburt 
oder unmittelbar danach in Berührung gekommen waren, bis zur Taufe 


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für unrein. Während dieser ganzen Zeit war den Betreffenden das 
Kochen, Kneten, Waschen u. s. w. untersagt 

In Kalotaszeg darf die Frau vior Wochen lang das Haus nicht 
verlassen. Wenn sie während dieser Zeit aus einem Brunnen Wasser 
schöpft, so versiegt dieser. Wenn sie Thiere futtert, so werden diese 
unfruchtbar. Pflückt sie Obst von einem Baum, so wird dieser nicht 
mehr tragen. Wenn sie ihren Hof auch nur auf eine Minute verlässt, 
so wird das Dorf von Hagelschlag heimgesucht werden. 

Wenn die Frau das Haus unbedingt verlassen muss, so hat sie 
zuvor zur Kirche zu laufen und an die Thüre derselben dreimal mit 
der Faust zu schlagen, tmd darf erst dann den betreffenden Gang 
verrichten. Wenn sie dabei einem Manne begegnet, so nimmt man 
diesem an manchen Orten den Hut weg und giebt ihn nur für Geld 
zurück, denn sonst müsste der Mann krank werden. 

Frau v. Wlislocki erwähnt ausserdem die in manchen Gegenden 
herrschende, an die „Couvade -1 (Männerkindbett) erinnernde Sitte, dass 
sich der Mann unmittelbar nach der Geburt sofort zu seiner Frau ins 
Bett legt Davon verspricht man sich nämlich, dass „der Mann die 
Unreinheit des Kindes an sich zieht' 1 , „wodurch es dem Kinde leichter 
wird 11 . Im Bäcser Comitat hat die Flau während der ganzen Entbin- 
dung die Stiefeln ihres Mannes an. 

Die Dauer des Wochenbettes hat schon Moses mit Rücksicht auf 
den Wochenfluss, welchen auch er für verunreinigend erklärte, auf eine 
längere Zeit bemessen, und zwar bei einer Knabengeburt auf 33, bei 
einer Mädchengeburt auf 66 Tage. Für den blutigen Fluss selbst 
rechnete er eine resp. zwei Wochen. Auch jetzt noch sieht man bei 
den orthodoxen Juden die AVöchnerin sechs Wochen für unrein an. Erst 
mit einem nach Ablauf dieser Zeit genommenen rituellen Bade hören 
die mit der Unreinlichkeit einhergehenden Verbote (wie z. B. das des 
Coitus) auf. 


35. Blutungen während und nach der tieburt. 

Eines der wichtigsten Kapitel der Geburtshilfe bilden bekanntlich 
die Blutungen: die Blutungen während der Schwangerschaft, der Ge- 
burt und des Wochenbettes. 

Der Fehlgeburten habe ich schon oben Erwähnung gethan. 

Die während der Schwangerschaft auftretenden und nicht zu Abortus 
führenden Blutungen werden so erklärt, dass sich durch dieselben das 


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Blut des Kindes reinigt und daher letzteres frei von Geschwüren sein 
wird. Deshalb thut man auch gewöhnlich gar nichts gegen sie. 

Im Abaujer Comitat hält die Frau die während der Schwanger- 
schaft auftretende Blutung geheim, damit man seiner Zeit nicht mit 
Verachtung auf das Kind blicken möge. Es werden nämlich Blu- 
tungen während der Schwangerschaft für ein Zeichen von Ehebruch 
der Mutter angesehen. 

Gegen diese Blutungen wird übrigens auf Ziegel gegossene Milch 
getrunken oder kalte oder warme Umschläge gemacht 

Im Szabolcser und Csanäder Comitat stecken sich die Frauen 
Stutenmist in die Scheide. 

Hinsichtlich der Beurtheilung des Wesens der während und nach 
der Geburt auftretenden Blutungen herrscht bei den Bewohnern ganz 
Ungarns staunenswerther Einklang darin, dass man die Blutungen — 
besonders die nach der Geburt und im Wochenbett — überall für un- 
bedingt nothwendig erachtet und meint, dass es für die Frau nur von 
Vortheil sei, wenn sie recht viel blutet, da sich nur aul diese Weise ihr 
Organismus „mit dem Abgänge des schlechten Blutes“ gehörig reinige, 
ihre Geschlechtstlieile ordentlich zurückbilden und sie keinen Hänge- 
bauch bekomme. 

Ein Ar/t wird nur äusserst selten consultirt, und auch zu den blut- 
stillenden Mitteln wird erst dann gegriffen, wenn die Blutung bereits 
so reichlich ist, dass die Frau davon an Kräften ganz herabkommt 
In solchen Fällen wendet man verschiedene Hausmittel, Umschläge u. s. w. 
an, wovon noch die Rede sein wird. Bis dahin jedoch sieht man dem 
Blutverlust ruhig zu, selbst wenn derselbe sechs Wochen anhält; und 
wenn er der Frau das Leben kostet, so tröstet man sich einfach damit 
dass „es von Gott so bestimmt war“. 

Wenn hingegen die Wöchnerin nicht viel blutet, so hält mgn dies 
für ein schlechtes Zeichen und bietet Alles auf, mir damit sie mehr 
Blut verliere. 

Bei den Ruthenen schiebt man bei Metrorrhagie das Bettbrett bei 
Seite, stellt einen Trog unter das Bett und lässt ruhig das Blut hinein- 
rinnen. 

Von den gegen die Blutungen angewandten Verfahren muss 
besonders eines, nämlich das an vielen Orten gebräuchliche Unter- 
binden der Extremitäten in der Gelenkgegend („Unterbinden der Adern“) 
unser Interesse erwecken. Obgleich dasselbe meistens nur an den 
Fingern und Zehen, und zwar oft an jedem einzelnen Finger, resp. an 


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jeder einzelnen Zehe geschieht, kann es doch als ein Surrogat der 
Autotransfusion betrachtet werden. 

In Debreczen unterbindet man nur den rechten Arm und den 
linken Fuss. 

Dieses Unterbinden geschieht mit Zwirn, Seide, ungerüstetem Hanf 
oder geweihtem Palmenkätzchenfaden. 

Im Bekeser Comitat werden Füsse und Hände iibeiN Kreuz ge- 
bunden. 

Unter den gegen Blutungen angewandten inneren Mitteln, welche 
möglichst heiss getrunken werden und zun» grossen Theile Brech- und 
Abführmittel sind, steht an erster Stelle der Al>sud von Rittersporn- 
blüthen, eventuell in Rothwein genossen, ferner von Pfingstrosen (des- 
gleichen meistentheils in Wein), von Kürbiskernen (Krasso-Szörenyer 
Comitat), von gelber Luzerne (die Luzerne wird gegen Blutungen auch 
in den Stiefeln getragen), von Lorbeerblättern mit Zimmt (Abaujer 
Comitat) oder von anderen Krauten», der Saft von Mohnblumen und 
Wolfsmilchstengeln in Milch getropft, Muskatblüthe. Schlehenwurzel 
(Gömörer Comitat). in Molken gekochter Alaun, Hanfspreu mit Pfeffer 
(Heveser Comitat), in Wasser gekochter Anissamen und Zimmt, resp. 
Zimmttropfen, Malventhee u. s. w. 

Ausserdem trinkt man noch Branntwein mit Eichenrinde, oder 
einen gewürzten oder mit weissen Lilien bereiteten Schnaps oder Zimmt- 
branntwein oder Rum, Essig, Knoblauchessig (damit wäscht man auch die 
Frau ab), aufgekochten »daunhaltigen Wein oder »einen starken Roth- 
wein, Bier mit Eigelb, Weinsuppe mit viel Zimmt, Milch mit Zimmt, 
Weinessig mit Eiweiss, Gerberbaumsaft mit weissen» Ingwer ( Erdelyer 
Rumänen), oder mit Stärke, mit l-ostigem Eisei» gekochten Rothwein 
(Györer Comitat), Safran in Rothwein oder Milch. Nussöl. Dillsamen, 
die Beeren von wildem Wein in Wein. 

Ferner schluckt man Alaun, isst getrocknete Waldäpfel (Abaujer 
Comitat). Stärke, gestossene Pfirsichkenie. den gelben Blüthenstaub von 
weissen Lilien (Nyitraer Comitat), weisse Zwiebeln (Csiker Comitat), 
Krebsaugen (Torontäler Comitat), Küi-bis- und Melonenkeme (Hajduer 
Comitat). Siegellack In Branntwein (Härornszeker Comitat), ebenso Russ 
aus den» Rauchfang (Heveser Comitat) u. s. w. 

Auf den Unterleib macht man Umschläge mit einem in kaltes 
oder heisses Wasser, Kampherspiritus oder Essig getauchten Lappen 
und legt auf ihn auch Hanf, Lein oder in laues Essigwasser getauchtes 
Werg (Cssdlököz), oder abgebrühtes Rohgari», Pferdemist, in Essig ge- 


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tränkte Kleie, gekochte Schafgarbe (Calendula off.) und Petersilie (Maro6- 
Tordaer Com i tat), gekochten Kürbis, warme Teller, Bleiteller, Sand 
oder wilde Brennnessel, wanne Asche, in Spiritus getauchtes geröstetes 
Brod (Csanäder Comitat). 

Es werden ferner angewandt: Alaun Waschungen, Dünstungen mit 
auf glühendes Eisen getropfter Milch. Alaun Umschläge auf die äusseren 
Geschlechtstlieile. oder Umschläge mit in Essig getauchtem Garn oder 
auf einen heissen Ziegelstein gegossenem Essig, Heustreu, Rindennist- 
aufguss (Heveser Comitat), oder Wein mit verschiedenen Kräutern und 
Gräsern, z. B. Kuckuckskraut, letzteres auch ohne Wein ins Badewasser 
gegeben, oder Fussbäder in Schlehenwurzelabsud (Gömörer Comitat). 

Bei den Märmaroser Ruthenen werden alle Arten von Blutungen, 
mögen sie von einer Geburt, einem Abort, Krebs u. s. w. herrühren, 
mit einem Universalnüttel, dem Absud von Salvia ofticinalis in Form 
von lauen Scheidenirrigationen, behandelt. 

Nicht genug zu verurtheilen ist die an manchen Orten herrschende 
unverständliche Sitte, die Frau in ein warmes Bad zu setzen, aus 
welchem man sie „meistens halb todt heraushebt“ - . In dies Bad tliut 
man auch Ritterspornblüthen oder „Blutkraut -- , Alaun oder Weizenkleie. 

Die Rumänen des Krassöer Comitates stecken auch in Essig ge- 
tränkte Lappen in die Scheide. Im Feilerer Comitat thut man dies 
mit alaunhaltigen Fetzen. 

Während der Blutung darf die Wäsche nicht gewechselt werden, 
denn dies verstärke die Blutung. 

Schliesslich erwähne ich der Vollständigkeit ballier das „Schmieren““, 
Barfussgehen (Nyitraer Comitat), Beschwören und das Beten, welch 
letzteres das Hauptblutstillungsmittel der Quacksalber-Hebammen ist 
Die Rumänen des Csiker Comitates waschen die blutige Wäsche aus 
und giessen das blutige Waschwasser auf die Umzäunung, wobei sie 
„Zauberworte vor sich hinmurmeln““. 

Im Bäcser Comitat besprengt man den Bauch mit Weihwasser. 

In Kalotaszeg legt man in Wein gekochten Zimmt auf die Ge- 
schlechtstheile und sagt dabei: „So wie der heilige Geist in die Jung- 
frau Maria ging und rein herauskam, so bleibe auch du. Blut rein und 
mache Halt im Namen des heiligen Geistes. Auch für dich ist genug 
Blut aus den Wunden des Erlösers geflossen.“ 

Oder man sagt: „Am Bache sitzen drei Fräulein. Das eine heisst 
Blut, das andere Wasser, das dritte Feuer. Da kam die Jungfrau 
Maria und sprach: „„Hebet Euch weg von hier und lauft in den Ofen 


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des Teufels."“ Gehe von dannen, Blut, im Namen der heiligen Jungfrau 
Maria, geh' zu den drei Fräulein, damit sie dich dörren“ (v. Wlislocki). 

36. Ischurie und andere Wüchenbettstörnngen. 

Eine unangenehme, wenn auch für gewöhnlich nicht bedeutsame 
Erscheinung der ernten Tage des Wochenbettes ist die Harnver- 
haltung und Ischurie. Gegen erstere ist bekanntlich das Katheteri- 
siren unser wichtigstes Verfahren. 

Die ungebildete Volksklasse sträubt sich indessen gegen dasselbe 
mit Händen und Füssen. Wie ich den über die verschiedenen Gegen- 
den lautenden Berichten entnehme, sind auch die diplomirten Heb- 
ammen nicht im Stande, diese Abneigung zu bekämpfen. 

Sowohl gegen Harnverhaltung als auch gegen Ischurie sind die 
verschiedensten innerlichen und äusserlichen Mittel verbreitet 

An erster Stelle steht der Absud von Petersilie als Getränk und 
der Gebrauch dieser Pflanze in Kataplasmenform. An den meisten 
Orten combinirt man die beiden Verfahren. 

Innerlich gebraucht man noch: Wachholderbeeren, mit Pfeffer und 
Paprika gewürzten Branntwein, den Absud von Eberwurz (Artemisia), 
Sellerie, Haferstroh, gekochter Königskerze (Verbascum), rother Rübe, 
gelber Rübe, Judenkirsche, Maisschale. Wassermelonenkernen; ferner 
weissen Malventhee, Fliederwurzelthee und verschiedene andere Thee- 
gattungen. 

Die Slowaken des Torontaler Comitates essen klein gestossene 
Glasscherben. 

Sehr beliebt sind auch die Dünstungen, Räucherungen und Däm- 
pfungen, zu denen man: Käspappel, Malven, heisse Milch, Kartoffel- 
brühe, Essig, auf heisse Ziegel gegossenes Wasser, auf Maisstrunke ge- 
streute Wachholderbeeren, Flieder, Petersilie gebraucht 

In Däny (Pester Comitat) kochen die Ungarn die Federn eines Fast- 
nachtshuhnes und giessen sie in einen Topf, auf den sich die Wöchnerin 
fünf- oder sechsmal setzt, bis sie tüchtig schwitzt 

Desgleichen werden auf den Unterleib bezw. auf die Blasengegend 
heisse Wasserumschläge und Kataplasmeu mit Petersilie, Sellerie, Ka- 
millenthee, Mais, Marticaria (Zalaer Comitat), Hühnerdarm (Stellaria) 
(Szolnoker Comitat). Schlingkraut (Hajduer Com.) angewandt. 

Im Bekeser Comitat bindet man ein mit einem sonderbaren Na- 
men belegtes Kraut auf die Blasengegend, und zwar mit einem solchen 
Garn, welches das Erstlingswerk eines kleinen Mädchens war. 


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Unmittelbar auf die äusseren Geschlechtstheile werden auch Um- 
schläge mit Petersilie gemacht u. s. w„ oder auf dieselben wanne Asche 
gelegt 

Auch warme Bäder — eventuell mit Kleiezusatz — erfreuen sich 
ziemlicher Beliebtheit 

Die Schmierungen wendet man bei den Wöchnerinnen auch gegen 
Ham besch werden an. 

Auch bei den übrigen Woehenbetterkrankungen finden wir die 
schon erwähnten mannigfachen Verfahren und die gegen die ..Be- 
hexung durch böse Geister 1 angewandten, l>ereits oben geschilderten aber- 
gläubischen Gebräuche vor. 

Gegen peritoneale Empfindlichkeit wendet man allgemein — 
und zwar meistens auf sehr rohe Weise — Schmierungen an, welche 
schon in vielen Fällen von schädlichen Folgen (Peritonitis, Metritis, 
Prolapsus uteri u. s. w.) begleitet waren, eventuell sogar tödtlichen Aus- 
gang verursachten. Gegen dieses ., altehrwürdige Gewohnheitsrecht“ an- 
zukämpfen, ist wie mehrere Aerzte schreiben, ein Ding der Unmöglich- 
keit (Nögräder, Biliarer Comitat). 

Wie schon erwähnt betrachtet man fast überall die Schmierungen 
als eine Conditio sine qua non der richtigen Wochenbettpflege und 
wendet sie täglich an, damit sich die „Wöchnerin erhole und sich ihr 
Blut besser reinige“. 

Im Barser Comitat legt man der Frau einen Mörser zu den 
Füssen, damit sie „keine aderigen Beine“ (Varices) bekomme. 

37. Das „Milchfieber“. 

Von den beim Volke verbreiteten unzähligen irrigen Anschauungen 
ist die des sogenannten „Milchflebers“ eine der am schwersten aus- 
rottbaren. Trotz all unserer Bemühungen gelingt es nicht einmal, die 
intelligentere Klasse davon zu überzeugen, dass die mit dem Beginn 
der Milchabsonderung eventuell einhergohenden Fiebererscheinungen mit 
jener nur in temporärem, nicht aber in causalem Zusammenhänge 
stehen. Man kann sich daher leicht denken, dass die untere, unge- 
bildete Volksklasse noch sehr langer Zeit bedürfen wird, bis sie die 
wahre Ursache des Kindbettfiebers erkennen lernt 

Aus den eingetroffenen Antworten geht ferner hervor, dass an die 
Existenz eines „Milchfiebers“ nicht nur das ungebildete Volk ohne 
Unterschied der Nationalität, sondern auch selbst ein grosser Theil der 


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geschulten Hebammen noch glaubt. Und angenommen, sie selbst 
glaubten nicht daran, so ist es doch ganz natürlich, dass sie sich, um 
sich nicht dem Verdacht und der Anklage einer Infection auszusetzen, 
keine besondere Mühe geben, die Gebärenden aufzuklären, sondern die- 
selben im Gegentheil in ihrem irrigen Glauben bestärken. 

Auch ein Arzt wird nur in den allerseltensten Fällen gerufen. 
Wie bei der Geburt, so ist auch im Wochenbett ärztliche Hilfe die 
allerletzte Zuflucht 

Die beim Volke gebräuchliche Heilmethode Iresteht theils in der 
gegen Fiebererscheinungen beobachteten allgemeinen, theils in der gegen 
das Anschwellen der Brüste, respective gegen eventuell beginnende 
Mastitis angewandten localen Behandlung. 

Die antipyretische Behandlung besteht meistens in Schwitzen und 
Kopfumschlägen, da man glaubt, dass der Wöchnerin beim Milchfieber 
die Milch in den Kopf steigt, worauf auch das beim Wochenbettlieber 
eventuell auftretende Irrereden zurückgeführt wird. 

Viele glauben übrigens, dass das Milchfieber ein natürlicher Vor- 
gang ist und dass es daher nicht einmal gut ist, woim die Frau davon 
verschont bleibt. Diese thun auch gar nichts dagegen, sondern sehen 
geduldig zu, bis das Feber spontan aufhört, und wenn es nicht auf- 
hört, nun „so hat es eben der liebe Gott so gewollt und der Arzt hätte 
so wie so nicht helfen können“. 

Andere wiederum schreiben das Milchfieber dem Einflüsse „böser 
Geister“ zu und glauben, dass Jemand die Wöchnerin mit bösem Blicke 
behext hat, weswegen man auch eine „betende Fau“ rufen und das 
Uebel fortbeten oder Beschwörungsfonnein hersagen lässt oder „Wasser 
schüttet“ oder „Wachs giesst“. 

Andere glauben, das Milchlieber so verhüten zu können, dass sie 
der Wöchnerin irgend ein Kleidungsstück unter ihren Kopf legen (To- 
rontäler Comitat). Viele legen sich auch Kartoffelschnittchen auf den 
Kopf, trinken Abführmittel (Bitterwasser u. s. w.) und lassen sich mit 
Essig abwascheu. 

Ihr Hauptmittel, welches hier — wie ich schon hervorgehoben 
habe — als das rationellste bezeichnet werden kann, ist der Brannt- 
wein, eventuell mit Tausendgüldenkraut, und gekochter Wein, In der 
Muraköz giebt man der F-au Stutenmilch zu trinken. 

Allgemeiner Beliebtheit erfreut sich, wie bereits erwähnt, das 
Schwitzen, das mittelst allerlei Thees. wie Kamillen-, Pfeffermünz-, 
Fliederthee, Absud von Heu u. s. w. hervorgerufen wird. Das Zimmer 


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wird gut eingeheizt, die Wöchnerin warm zugedeckt, und man macht 
ihr auf den Bauch und die Brüste allerlei Umschläge, auch wanne 
Branntweinumschläge und sogar mit warmem Rindermist (Pester Comi- 
tat) u. s. w. Die Schmierungen spielen eine grosse Rolle, ebenso wie 
auch strafte Umbindungen des Bauches beliebt sind. 

Kalte Umschläge oder gar Eisumschläge auf den Unterleib sind 
gefürchtet und gemieden, da von ihnen „der Bauch aufgetrieben" werde. 
Den Kopf der Frau bettet man hoch. Zuweilen lässt man die Frauen im 
Bett sitzen. Ebenso macht man Umschläge auf die Brüste, schmiert sie, 
dünstet sie und wendet auch Kataplasmeu an. Davon wird bei Behand- 
lung der Mastitis die Rede sein, da es schwielig ist, die gegen die beiden 
Leiden angewandten Verfahren von einander zu trennen. 

Hier will ich um - des Aussaugens der Brüste Erwähnung thun, 
welches Verfahren gegen „Milchfieber 1 gleichfalls in ziemlich ausge- 
dehntem Maasse angewandt wird. An vielen Orten glaubt man, dass, 
wenn das Milchfieber auftritt, die Hebamme die Brüste nicht genügend 
ausgedrückt hat. Die Milch wird entweder aus den Brüsten gemolken 
oder mit einem Saugapparat oder von einer Person, meistens von dem 
Manne der Wöchnerin (Hevesei - Comitat), oder von irgend einem alten 
zahnlosen Weib (Bekeser Comitat) oder einer sich eigens damit be- 
schäftigenden Frau (Jäszer Comitat) oder von einem jungen Hund 
(Rumänen des Csiker Comitates) ausgesogen. 

Im Csongrader Comitat pflegt man die Frau auf irgend eine Art 
zu erschrecken, damit ihr „die Milch versiege“. Bei den Toron- 
täler Slowaken bindet man die Fusszehen zusammen. Im Tolnaer 
Comitat warft man der Wöchnerin den Hut oder die Mütze des 
Mannes ins Gesicht 

38. Bauer des Wochenbettes. 

Die Dauer des eigentlichen Wochenbettes, d. h. des Liegens wäh- 
rend desselben ist sehr verschieden. Während dasselbe bei den intelligen- 
teren, besser situirten Flauen wenigstens acht bis vierzehn Tage, in 
ausserordentlichen Fällen sogar drei bis vier Wochen dauert, ist man 
bei der ärmeren, ungebildeten Volksklasse bestrebt, es so kurz als nur 
irgend möglich zu bemessen. 

Viele hüten wohl sechs bis acht Tage das Bett, aber die meisten 
Frauen stehen schon am 4. bis 5. oder 2. bis 3. Tage auf, ja nicht 
wenige verlassen liereits am Tage nach der Geburt oder unmittelbar 

Tem®»viry, Volkubräuche. 7 


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nach der Ausstossung der Placenta, resp. nach dem Weggehen der Heb- 
amme das Bett 

Von einzelnen Gegenden sclireibt man, dass sich „manche Frauen 
gar nicht niederlegen“. 

Anderwärts steht die Frau am andern Tage auf und verrichtet 
schon ihre gewöhnliche Arbeit, wäscht, kocht, badet das Kind, und geht 
nach zwei bis drei Tagen bereits melken, hacken, weissen u. s. w., „als 
wenn überhaupt nichts geschehen wäre“. 

Am dritten bis fünften Tage geht sie eventuell schon in die Küche 
zur Einsegnung, wovon übrigens noch die Rede sein wird. Es 
herrschen oft an ein und demselben Ort ganz verschiedene Ge- 
bräuche, so dass es vorkommt, dass die eine Wöchnerin gleich nach 
der Geburt aufsteht, während vielleicht die Nachbarin acht Tage lang 
das Bett hütet 


■¥.). Erstes Bad der Wöchnerin. 

Interessant ist die Beleuchtung der Frage, wann die Frauen nach 
der Entbindung zum ersten Male baden. 

Die hierauf eingelaufenen Antworten verdienen auch von culturellem 
Standpunkte aus Beachtung. So besagt ein sehr grosser Theil der- 
selben, vielleicht ein Drittel der überhaupt vorliegenden Antworten, 
dass sich in der betreffenden Gegend die Frauen niemals baden, da 
dies „nicht Sitte“, „nicht Mode“, „unbekannt“ u. s. w. ist Einige 
Hebammen berichten, dass sich die Frau „dann zum ernten und zum 
letzten Male in ihrem Leben badet wenn sie als neugeborenes Kind 
von der Hebamme gebadet wird“. Eme Hebamme schreibt dass sich 
in ihrer Gegend die Frauen nicht baden, es sei denn, dass sie einmal 
zufällig ins Wasser fallen, während eine andere bemerkt dass sich eine 
jede Frau vor ihrer Verheirathung zum letzten Male badet. Die Antwort 
einer dritten Hebamme lautet dahm, dass die Frauen zum eisten Male als 
Neugeborene und zum zweiten Male nach dem Tode gebadet werden. 

Schon etwas fortgeschrittener sind die Leute dort wo man wenigstens 
von im Sommer genommenen Bädern berichtet. So baden sich die 
Frauen an vielen Orten nach dem Schnitt resp. nach dem Treten. 

Im Somogyer Comitat glaubt man. dass, wemi sich die Frau 
während ihrer Schwangerschaft oder ihres Wochenbettes badet ihrem 
Küide „die Ohren Hiessen werden“. 

An einigen Orten lässt sich die Gebärende nicht einmal waschen 
und wechselt auch während ihres ganzen Wochenbettes keine Wäsche. 


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99 — 


In vielen anderen Gegenden pflegt sich dagegen die Frau sofort oder 
aber zwei bis drei oder zwölf Stunden nach der Geburt oder am nächst- 
folgenden oder am dritten Tage und dann häufig jeden Tag zu baden, 
ja in Mezötür (Jäszer Comitat) nehmen die magyarischen Bauersfrauen 
sogar täglich zwei, und zwar gewöhnlich ziemlich warme Bäder. Zu- 
weilen färbt sich das Wasser von dem vielen Blute dunkelroth. 

Auch im Bäcser Comitat baden die Frauen schon 5 — 6 Stunden 
nach der Geburt 

Bei den Rumänen, speciell im Krassoer Comitat, nehmen die 
Frauen am zweiten oder dritten Tage nach der Geburt ein warmes Bad 
und trinken Wein, womit sie auch zugleich ihr Wochenbett beschlossen. 
Bis dahin jedoch liegen sie, wie wir gesehen haben, sammt der Placenta 
auf der Erde. Auch bei den Bulgaren in Vinga (Temeser Comitat) bleibt 
die Frau nach der Geburt zwei Tage lang auf der Eide liegen und 
badet sich hernach, womit auch bei ihr das Woehenliett zu Ende ist. 

Andere baden sich zum ersten Male am vierten oder am achten 
Tage nach der Geburt oder erst zwei, drei, vier bis fünf oder sechs 
Wochen (z. B. die Jüdinnen) oder sieben bis acht Wochen oder drei 
Monate danach. 

Interessant ist, dass sich im Abaujer Comitat die Frauen l>ei 
einer Knabengeburt zum ersten Male nach sechs und bei einer 
Mädchengeburt nach acht Wochen baden, „da sich die Gebärende 
nach einem Knaben schneller reinigt“. (Reniiniseenz an die Lehre 
Moses?) 

Bei den Rumänen des Temeser Comitates thut man auch die 
Placenta ins Badewasser und badet damit die Frau am 4. Tage nach 
der Geburt 

Im Heveser Comitat badet die Wöchnerin jeden dritten Tag. 

Die Serbinnen des Bäcser Comitates legen sich, um dem Milch- 
fieber vorzubeugen, auf die Seite und nehmen vom dritten bis fünften 
Tage des Wochenbettes an täglich ein warmes Bad. 

40. Der erste Ausgaug. 

Der erste Ausgehtag der Wöchnerin schwankt ebenfalls innerhalb 
der weitesten Grenzen. 

Es giebt Frauen, welche gleich nach der Entbindung oder den 
Tag darauf aufetehen, ausgehen, ihre Arbeit verrichten u. s. w. 
Dann giebt es solche, welche am dritten Tage ausgehen, und sehr 
viele, welche am vielten oder fünften Tage das Haus verlassen, weun- 

7 * 


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schon die meisten erst am achten oder zehnten Tage ausgehen und die 
Kirche besuchen. Andere wieder verlassen das Haus erst nach zwei 
bis drei, eventuell sogar - vier bis sechs Wochen, doch kommt solches 
zumeist nur in den gebildeten und besser situirten Familien vor. 

Die meisten, gleichviel welcher Confession angehörenden Frauen 
gehen zuerst mit ihrem Kinde zur „Einsegnung“ (Introduetio mulieris 
post partum) in die Kirche, um Gott für ihre glückliche Genesung 
Dank zu sagen und ihm den neuen Weltbürger vorzustellen. 

In einigen Gegenden geht die Frau schon am dritten oder vierten 
Tage zur „Einsegnung'*. 

Bei den Sokäczen des Bäeser Comitates hütet die Wöchnerin acht 
Tage das Bett und trägt sieben Wochen lang, bis sie nämlich nicht 
in die Kirche geht, einen blauen Rock (Jank 6). 

Bei den Matyds des Borsoder Comitates bleibt die Frau nach der 
Entbindung ein bis zwei, eventuell auch drei Wochen im Bett liegen, 
darf aber vor vier Wochen absolut nicht aus dem Hause gehen. Nach 
Ablauf dieser Zeit geht sie mit dem Kinde zur Einsegnung in die 
Kirche. 

Wenn bei den Slowaken des Liptöer Comitates die Wöchnerin 
vor der Einsegnung das Zimmer verlässt, so legt man ihr Sandalen auf 
den Kopf oder begiesst sie mit kaltem Wasser (Medvecky). 

Im Somogyer Comitat gehen die katholischen Frauen mich acht 
bis vierzehn Tagen, die reformirten erst nach vier bis fünf Wochen 
post partum zur Einsegnung in die Kirche. 

Im Bäeser Comitat gehen die Serbinnen am achten Tage in die 
Kirche zur „Korosma“, nach welchem die weiblichen Verwandten zu 
einem Festgelage Zusammenkommen; auch die Ungarinnen gehen schon 
am sechsten bis achten Tage in die Kirche. 

Im Heveser Comitat geht die Frau am vierzehnten Tage mit ihrem 
Kinde in die Kirche. 

Nach der Taufe des Kindes, welche von der Einsegnung unab- 
hängig ist und dieser immer vorangeht, giebt es fast überall grosses 
Reinemachen. Das Haus wird frisch geweisst, gründlich gereinigt und 
mit Weihwasser besprengt. 

Bei den Szäklern dauert das Wochenbett, d. h. das Darinsitzen, 
gewöhnlich zwei Wochen. Nachdem diese verstrichen sind, geht die 
Frau in Begleitung ihrer Mutter oder einer anderen älteren weiblichen 
Person in die Kirche, opfert dort der heiligen Jungfrau Maria eine 
Wachskerze und lässt die mitgebrachten Speisen und Getränke vom 


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Pfarrer weihen. Während der nächstfolgenden drei Tage darf sie 
sich nur mit diesen nähren. Dies bildet sozusagen den Abschluss der 
Reinigung. Ihren ständigen Arbeiten darf die Frau erst nach Ablauf 
jener Zeit wieder nachgehen. 

Bei den Hetfaluer Csängds vertheilt die Frau beim ersten Aus- 
gange unterwegs Kuchen. 

Bei den Erdelyer Sachsen geht die Frau in Begleitung der Mutter 
oder der Hebamme (Amtfrau) in die Kirche und legt dort eine Wachs- 
kerze, einen Groschen und ein Brod auf den Altar nieder. Bis dahin 
darf sie nicht einmal die Schwelle ihres Hauses überschreiten. 

Bei den Karpathen-Zigeunern macht die ,, Zauberin“, während die 
Wöchnerin ihr Kind in der Kirche taufen lässt vor der Hütte oder 
dem Zelt ein kleines Feuer an mit Stechäpfeln, über welches die Frau 
nach der Heimkehr mit ihrem Kinde auf dem Arm hinwegschreiten 
muss, damit ihre Milch während des Stillgeschäftes nicht versiege. 

Hinsichtlich des Zeitpunktes des ersten nach der Geburt zulässi- 
gen Beischlafes steheu mir wenig Daten zur Verfügung. Bei den 
Juden ist derselbe, wie erwähnt, erst sechs Wochen nach der Entbin- 
dung, resp. nach dem ersten rituellen Bade, gestattet 

Bei der intelligenteren Klasse ist bekanntlich das Ende der fünften 
oder die sechste Woche der Zeitpunkt des ersten Coitus. In Nagy- 
Bänya (Szatmärer Comitat) ist der Coitus drei Monate lang verboten. 
Im Bäcser Comitat hinwieder wird schon am siebenten Tage nach der 
Einsegnung, also am vierzehnten bis fünfzehnten Tage p. p. coitirt. 

Von anderen Gebräuchen ist noch anzuführen, dass die Wöch- 
nerin sechs Wochen lang nach keinem Leichenzug blicken darf, weil 
sonst im nächstfolgenden Jahre ihr Mann stirbt (Kärmän). 

Im Somogyer Comitat pflegt beim eisten Ausgehen, welches vier 
Wochen nach der Geburt statttindet, das in ein Polster eingewickelte 
Kind die älteste Frau des Dorfes in ihrem Schooss zu halten. Dann 
drückt die Mutter dreimal ihre Fusszehen auf den Mund ihres Kindes, 
indem sie glaubt, dass sie auf diese Weise, so lauge sie stillt, ihre 
Periode nicht bekommen und während dieser Zeit auch nicht schwanger 
werden wird. 


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VII. Das Säugegesehäft. 

41. Entwickelung der Brüste. 

Bezüglich der Entwickelung der Brüste war es naturgemäss 
sehr schwierig, genaue Daten zu sammeln. Von den meisten Gegenden 
hat man mir von gut oder mittelmässig entwickelten Brüsten berichtet. 
Selm gut entwickelte Brüste sollen die Frauen im Brassöer, Pester, 
Temeser, Krassöer, Bereger und Bäcser Comitat, schlecht entwickelte 
Brüste im Szepeser, Hajduer, Zölyomer, Pozsonyer, Ugocsaer, Mosonyer, 
Barser und auch Pester, sowie Bäcser Comitat haben. 

In den südlichen Comitaten scheinen die Frauen im Allgemeinen 
grössere Brüste zu haben, während man in den nördlichen Comitaten 
im Durchschnitt kleinere Brüste antrifft. In vielen Berichten wird 
darüber geklagt, dass die Entwickelung der Brüste und besonders der 
Brustwarzen durch die engen Taillen und Mieder sehr gehemmt wird. 
So bleiben in demjenigen Theile des Trencsener Coinitates, wo von 
den Slowakinnen anstatt des weiten Hemdes der enge „Rubac“ ge- 
tragen wird, die Brüste und Brustwarzen in ihrer Entwickelung zurück. 
Beim „Rubac“ (ein das Hemd und den Unterrock in sich vereinigen- 
des enges Kleidungsstück) ist es namentlich der obere, „Oplecko“ ge- 
nannte Theil, welcher den Brustkasten und die Magengegend ausser- 
ordentlich einzwängt 

Gut entwickelte Brüste haben im Allgemeinen die sächsischen, 
serbischen, kroatischen und theilweisc die magyarischen Frauen. Von 
den Frauen deutscher Nationalität haben die jenseits der Donau woh- 
nenden und die Süchsiimen gut, die in Südungam wohnenden Deutschen 
jedoch schlecht entwickelte Brüste. 

Die Rumäninnen und Slowakinnen besitzen sozusagen durchgängig 
kleine verkümmerte Brüste. 

Im Bäcser Comitat haben die Ungarinnen gut entwickelte Brüste, 
während die Bunyeväczinnen, die von der frühesten Jugend an eng 
gekleidet gehen, nur schwach entwickelte Brüste haben (Väli). 


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Im Csiker Comitat haben die Szeklerinnen schlaffe, die Armenie- 
rinnen strotzende, die Magyarinnen, Rumäninnen und die Csängö- 
Frauen gut entwickelte Brüste. 

Der grösste Theil der Frauen ist übrigens, wenigstens einige Monate 
lang, im Stande, selbst zu stillen. Ammen kennt man nur in grösseren 
Städten. In der Provinz gewöhnt man das Kind, wenn die Frau wenig 
Milch hat, so früh wie möglich an gemischte Nahrung, oder nährt es von 
vornherein ausschliesslich künstlich auf. Die meisten ledigen Mütter gehen 
in die Stadt als Ammen und lassen ihr eigenes Kind entweder zu Hause 
hei den Grosseltern oder geben es in die Ammenpflege. Das dieser zu 
entrichtende Pflegegeld ist bekanntlich wesentlich geringer (monatlich 
6 — 8 Gulden) als der Verdienst, den sie selbst als Ammen haben 
(15 — 20 Gulden). 

42. Erstes Anlegen des Kindes. Colostrum. 

Während der ersten Stunden nach der Geburt unterlässt die Frau für 
gewöhnlich noch das Stillen. In einigen ungarischen Gegenden (Pester, 
Somogyer, Baranyaer, Heveser Comitat), sowie bei den Bulgaren und 
Rumänen reicht man dem Kinde so lange nicht die Mutterbrust, bis 
es nicht getauft ist. Bei den Bulgaren, Rumänen, Matyos trägt man 
das Kind aus diesem Grunde sofort nach der Geburt (oder, wenn es 
des Abends geboren wurde, am anderen Morgen) zur Taufe. Die Un- 
garn lassen das Kind in der Regel erst nach zwei bis drei Tagen 
taufen und reichen ihm erst dann die Mutterbrust. Auch bei den 
Serben und Bunyeväczen des Bdcser Comitates werden die Kinder 
bis zur Taufe nicht gesäugt, weil sie bis dahin für ,, unrein“ gehalten 
werden (Väli). 

An vielen Orten stillt man das Kind während der ersten Tage 
deshalb nicht, weil die erste Milch (Colostrum, Biestmilch, Hexenmilch 
|auch im Ungarischen so genannt]) für schädlich gehalten wird. 

Manche meinen zwar ganz richtig, dass der Genuss des Colostrums 
wohlthätig auf das Kind wirkt, weil es ihm die Gedärme reinigt, und 
diese stillen auch die Kinder bereits am ersten Tage. Die Meisten 
hingegen sind anderer Meinung, indem sie die erste Milch für schäd- 
lich halten (entweder für das Kind oder für die Mutter oder für 
Beide). Diese glauben auch, dass die gelbe Farbe des Colostrums von 
Eiter herrühre, und halten es aus diesem Grunde für schädlich, „giftig“; 
im Jäszer Comitat nennt man es „gesaigerte Milch“. Andere wieder 
meinen, das Colostrum enthalte zu viel Wasser, und bezeichnen es 


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als „hässliche“, d. i. behexte Milch, Hexenmilch (Bäcser, Pester Comitat). 
Diese Eigenschaften — sagt man — verursachten dem Säugling Diarrhoe, 
Bauchgrimmen. Erbrechen. Nach der Ansicht Anderer wieder macht 
der Genuss des Colostrums das Kind nicht nur für eine Zeit, sondern 
für immer krank. 

Einige halten das Aussaugen des Colostrums durch das Kind auch 
für die Mutter für schädlich, indem sie glauben, dass dies der Stillen- 
den heftige Nachwehen verursache (Rumänen des Torontäler Comitates). 
Diese Beobachtung ist an mul für sich nicht unzutreffend, insofern 
die auf die Brustwarzen ausgeübten Saugbewegungen bekanntlich that- 
süchlich reflectorisch Uteruscontractionen auslösen. Unrichtig ist nur 
die Schlussfolgerung, denn, wie wir wissen, sind die Nachwehen nur 
schmerzhaft, aber nicht gefährlich, sondern im Gegentheile nützlich. 

Für die Mutter hält man übrigens das Colostrum auch deshalb 
für schädlich, weil es Fieber verursache, das der Frau in den Kopf 
steigt (Muraköz). 

Den Säugling schützt man in der Weise vor dem schädlichen 
Einflüsse der ersten Milch, dass man diese vom Manne oder von den 
Angehörigen aussaugen lässt, oder sie — was in den meisten Fällen 
geschieht — einfach aus den Brüsten melkt. 

43. Stillen durch fremde Frauen. 

Dort, wo das Stillen mit Colostrum für schädlich gehalten wird, 
giebt man dem Kinde während der ersten Tage entweder Theo, be- 
sonders Camillenthee zu trinken, oder lässt es — und zwar in der 
Mehrzahl der Fälle — von einer anderen Frau, wie von der Gevatterin, 
einer Verwandten oder Nachbarin stillen. Man nennt dies „Leihstillen“. 

In einigen Gegenden ist die Anschauung verbreitet, dass es 
für das Kind desto besser ist, je mehr Frauen sich an diesem 
menschenfi’eundlichen Werke l>etheiligen. An manchen Orten wird 
das neugeborene Kind von der „ganzen Strasse“ gestillt. Auch im 
Bäcser Comitat stillen manchmal in den ersten Tagen 7 — 8 Frauen 
(Gevatterin und Verwandte) ein Kind. Im Pester Comitat (Uj-Hartyän) 
stillt gewöhnlich eine solche Verwandte das Kind, mit der man sich 
gezankt hat, w r orauf dann die Aussöhnung folgt. 

Desgleichen wird das Säugegeschäft auch dann von einer Nachbars- 
frau übernommen, wenn die Mutter durch Krankheit oder anderweitige 
Beschäftigung am Stillen verhindert ist 


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Das Erbrechen nach dem Stillen wird nicht mit Unrecht günstig 
beurtheilt. Speikinder, Gedeihkinder“. 

Das Stillen geschieht beim Volke nicht in bestimmten Zeiträumen. 
So oft das Kind weint, hat man nichts Eiligeies zu thun, als es an 
die Brust zu legen, ja die Mutter schläft des Nachts daliei gewöhn- 
lich ein und lässt die Brustwarze im Munde des Säuglings, damit 
dieser ruhig schlafe. 

An vielen Orten leckt die Frau vor jedem Stillen die Brustwarze 
an, oder befeuchtet sie mit ihrem Speichel, damit, falls vielleicht Jemand 
ihre Brust behext haben sollte, die Milch dem Kinde nicht schade. 

44. Künstliche Ernährung. 

Die Muttermilch bildet übrigens fast in ganz Ungarn nur einige 
Wochen lang die ausschliessliche Nahrung des Säuglings. Oft bekommt 
das Kind schon vom zweiten oder dritten, meistens jedoch vom vierten 
bis fünften Monate, anderwärts wieder schon von der zweiten oder 
dritten Woche an ausser der Muttermilch auch künstliche Nahrung. 
Der Grund hierfür liegt theils in einer anderweitigen Beschäftigung der 
Mutter, theils auch in dem Glauben, dass sich das Kind von der Milch 
allein nicht genügend entwickeln kann und dass dasselbe zu seiner 
Kräftigung auch compacterer Nahrungsstoffe bedarf 

Wenn die Mutter beschäftigt ist oder das unruhige Kind be- 
sänftigen will, so steckt sie ihm den bekannten Z umn iel (Zuller, 
Zutzel u. s. w.) in den Mund. Dieser besteht aus einem in ein Stück 
Zeug oder Gaze eingewickelten Brei, von in Zuckerwasser oder Kümmel- 
wasser oder Milch aufgeweichter Semmel oder Brod, gezuckerter Butter- 
semmel oder in Branntwein getauchter Semmel oder Manna oder Brod 
und Speck oder Mehl und Gries oder Brod, Zucker und Kümmel oder 
irgend einem anderen gezuckerten Brei, welchen die Mutter gewöhnlich 
erst ordentlich zerkaut, bevor sie ihn dem Kinde in den Mund steckt. 

Den Zummel lässt man dem Säugling in der Regel auch Stunden 
lang im Munde. Im Temeser Comitat befestigt man ihn an der Wiege, 
so dass sich derselbe stets in der Nähe des Mundes des Kindes be- 
finde. Im Arader Comitat bindet man den zerkauten zuckerigen 
Semmelbrei in den einen Zipfel eines grossen Leinentuckes und breitet 
dieses dann auf das Bett aus, damit so der Zummel dem Kinde nicht 
in der Kehle stecken bleibe. 

Von diesen Nahrungsmitteln wirken die in Branntwein aufge- 
weichten Semmel- und Brodstückchen auch direct schädlich wegen 


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der deletären Wirkungen, die der Alcohol auf das Centralnervensystem 
der Säuglinge bekanntlich ausübt. 

Von solchen idcoholgetränkten Zunimebi wird mir aus dem Szat- 
märer, Borsöder und namentlich Bücser Comitat berichtet. Manchmal 
verabreicht man übrigens dem unruhigen Säugling so viel Braimtwein, 
dass er davon „betrunken wird“. Ich muss bemerken, dass in Betreff 
des Alcoholconsums der Säuglinge die mir vorliegenden Mittheilungen 
nur lückenhaft sind, da ich diesbezüglich keine besondere Frage stellte. 
Auch des Gebrauchs des Absudes von Mohnköpfen wird in einigen 
Berichten Erwähnung gethan. 

Zur künstlichen Ernährung verwendet man sonst in erster Linie 
Kuhmilch und giebt diese dem Kinde entweder mit dem Ixiffel oder 
aus dem Glase. Im Anfang lü&st man das Kind die Milch mit Vor- 
liebe mit Camillenthee vermengt gemessen. 

Tm Bäcser Comitat nährt man das Kind mit Schafmilch. 

Als Glas wird entweder eine mit dem gewöhnlichen langen Gummi- 
schlauch oder mit einem kurzen Gummisauger versehene Flasche oder 

aber irgend eine andere, even- 
tuell Medicinflasche, verwen- 
det, über deren oberes Ende 
ein Gummimundstück gezogen 
wird. 

Im Csiker Comitat ge- 
braucht man einen schwarzen 
Steinkrug. Derselbe hat am 
Henkel eine kurze Bohre, aus 
welcher das Kind die Milch 
schlürft (Fig. 1). 

Ausser Milch giebt man 
dem Säugling schon in den 
ersten Monaten, an vielen Orten 
sogar bereits in den ersten 
Wochen, compactere Nahrung, 
wie besonders: Mehl-, Hirse-, 
Griesbrei, Gries, Himmelthau, 
in Milch gekochte Semmel, 
Kipfel oder Brod u. s. w. 

Im Bekeser Comitat sind „Eierbretzel“ eine beliebte Speise. An 
manchen Orten gebraucht man bei den in besseren Verhältnissen Leben- 



Fig. 1. Schwarzer Milchkrug. 
Csiker Comitat. 


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den auch das Nestle’sche Kindermehl. In der Hauptstadt findet dieses 
kaum mehr Verwendung; da sind hei der künstlichen Ernährung zu- 
meist sterilisirte Milch (Soxhlet), pasteurisirte Milch und die Gärtnerische 
Fettmilch in Verwendung. 

An vielen Orten lässt man das Kind schon im zweiten oder dritten 
Monate alles Mögliche gemessen und nährt es fast mit eben denselben 
Speisen und Getränken, von welchen Erwachsene leben. 

Im Vaser Comitat giebt man dem Kinde, wenn es zwei bis 
drei Wochen alt ist, viel Wasser zu trinken, damit es zeitig zu 
sprechen anfange. 

45. Galactogoga und verschiedene Verfuhren zur Förderung 
der Milehsccretion. 

Der eigentlichen Milchabsonderung, welche für gewöhnlich am 
dritten bis fünften Tage des Wochenbettes eintritt, ferner des bis dahin 
abgesonderten Colostrums, sowie des eventuellen, mit der eigentlichen Milch- 
absonderung zusammenfallenden und daher fälschlich als „Milchfieber“ be- 
zeichneten Wochenbettfiebers habe ich bereits gedacht. Hier will ich mich 
nur über die Verfahren verbreiten, welche man anwendet, um den Eintritt 
der Milchabsonderung zu l>eschleunigen, sie im Falle der Abnahme zu 
steigern oder im Falle gänzlichen Versiegens wieder in Gang zu bringen. 

An erster Stelle stehen hier die verschiedenen als Galactogoga 
geltenden Speisen. Getränke und Hausmittel. 

Als milchmachende Speisen und Getränke werden folgende genossen : 
rohe «aler in Fett gebratene Zwiebeln (welche man an manchen Orten 
in der Kirche essen zu müssen glaubt, damit sie von Nutzen seien), 
viel Mehlspeisen, namentlich Mohnmehlspeise; Wein, Bier, Branntwein, 
eventuell mit Kümmel, oder Kümmel allein; Brod und Nüsse; Bohnen; 
aus einem Ameisenhaufen aufgelesene Ameisen auf Brod geschmiert 
(Csanüder Comitat), Kartoffeln, Kraut, gebratene Kürbiskeme, Mais- 
brod. gerösteter Mais, Maisknödel. Mehlbrei, in Wasser gekochtes Mais- 
mehl mit irischer Butter, Dillsamen in Milch, oder Dilldecoct, Schwefel- 
blumen (Flores suliuris) in Milch (Szekler), gestossener Mohn u. s. w. 
Man isst auch verschiedene Suppen, wie Linsen-, Bohnen-, Hanf-, 
Kümmel-, Kartoftelsuppe und trinkt ferner Salzwasser oder fettiges 
Wasser aus einem Kochtopf. 

Einige bevorzugen saure Speisen (wahrscheinlich deshalb, weil sie 
danach mehr trinken müssen), andere dagegen Süssigkeiten. 

Ein l>eliebtes Galaetogogum war in früherer Zeit die Pimpinella 


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saxifraga, von welcher Csapö (Neuer Ungarischer Kräuter- und Blu- 
mengarten. Pozsouy 1775) schrieb, dass „diejenige Amme, welcher die 
Milch versiegt, und die von dieser Pflanze etwas im Busen trügt, in 
sechs Stunden so viel Milch bekomme, dass sie gezwungen ist, das 
Kraut wegzuwerfen“. 

Man isst auch noch ohne Salz gebratene Quappen (Hajduer Co- 
mitat), sauersüssen „Czibere“ (ein Mischmasch von Essig. Wasser. Brod 
und Zucker), und geniesst ferner den Absud von ofiicinellem Stein- 
samen (Semen milii solis) und Weinrebe, Weinpilze (Jaszer Comitat), 
Milchkraut (Lerchenkraut; Polygala vulgaris) in Branntwein aufgeweicht 
(auch im .Jäszer Comitat), „Milchpulver" (Saccharum 1 actis) (Brassöj. 

Die Slowakinnen des Trencsener Comitates trinken viel Bier oder 
mit Anis oder Eigelb vermengte Milch, und essen viel Kümmelsuppe 
u. s. w. Bei ihnen und anderwärts ist auch die Massage der Brüste 
ein beliebtes Verfahren. 

Im Barser Comitat isst man auf der Bodenstiege Rühreier, in an- 
deren Comitaten (Baranyaer, Bekeser, Borsoder Comitat) Weissbrod 
oder Pogatscherln mit Muttermilch gebacken. 

Saure Speisen trocknen angeblich die Milch ein. 

In Szabadka wird das plötzliche Versiegen der Milch für ein 
schlechtes Zeichen angesehen, da dies den baldigen Tod des Kindes 
Vorhersage; „das Kind stirbt, bedarf keiner Milch mehr". Ursache und 
Wirkung werden hier in traurig-naiver Weise vertauscht 

Schliesslich möchte ich hier noch erwähnen, dass es den säugen- 
den Jüdinnen in lHiheren Zeiten verboten war, Gurken. Melonen, 
Lauch, Zwiebel und Knoblauch zu essen.*) 

Was die Localbehandlung der Brüste anbelangt so wird die 
Secretionsvennehrung zumeist mit wannen Kataplasmen erstrebt; eine 
mit heissem Wasser gefüllte Flasche (Alsd-Fohdrer Comitat), ein warmer 
Korb (Udvarhelyer Comitat), gewärmte Metallgegenstände, wanne Um- 
schläge, talgige und fettige Lappen, Fliedergrün (Pozsonyer Comitat), 
vom Hausdache heruntergeklaubtes Moos oder Malven, Zwiebeln wer- 
den applicirt; Absud von wilden Stiefmütterchen { Borsoder Comitat) 
oder einfacher Wasserdampf wird auch angewendet 

Man lässt auch . die Milch von einem älteren Kinde durch die 

*) Diese» Verbot ist im Midrasch enthalten und stützt sich auf Moses Pen- 
tateuch, Buch IV, Cap. XI, 5. Wie dieser Passus auf stillende Frauen bezogen 
wird, konnte ich nicht ermittoln. 


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Oeffnung eines schwarzen Steinkruges (Csiker Comitat) aus den Brüsten 
saugen. Oft gebraucht man das ältere Kind irgend einer Nachbarin oder 
Verwandten auch zur directen Aussaugung der Brüste (Deutsche und 
Ungarn des Arader, Bäcser, Szilägyer, Komäromer, Feherer, Tolnaer Corni- 
tat Muraköz), oder lässt letztere von Männern (Miuaköz) oder von einer 
anderen Frau (Bäcser Comitat), welche sich eventuell eigens damit be- 
fasst (Muraköz), aussaugen. Die Serben des Bäcser Comitates bedienen 
sich zu diesem Zwecke eines jungen Hundes. Im Ugocsaer Comitat 
verwendet man dazu ausser kleinen Hunden auch Zigeuner. Auch das 
Melken hält man für zweckmässig, oder man steckt die Brustwarze in 
ein langes, breithälsiges Glas und lässt sie so lange darin, bis die Milch 
abzutropfen beginnt (Barser Comitat). 

Bei den Bulgaren nimmt die Frau am dritten Tage ein warmes 
Bad, weil sie glaubt, dass ihr so lange keine Milch komme, bis sie 
sich nicht gebadet habe. 

Schmierungen sind an vielen Orten (Pester, Gömörer. Heveser 
Comitat) gebräuchlich. Tm Gömörer Comitat nennt man das Schmie- 
ren der Brüste „Brechen der Brüste“. 

Man streicht und reibt die Brüste mit dem Schild einer Schild- 
kröte (Unger Com.) oder einem Sensen sehleifetein (Barser Comitat). 
Im Nagy-Kiiküllöer Comitat lassen sich die Frauen den Rücken massi- 
ren (auf deutsch: „ziehen“ — rumänisch: „traghe“). 

Es ist selbstverständlich, dass, um den Eintritt der Milchabsonde- 
rung in den ersten Tagen des Wochenbettes zu beschleunigen, auch 
allerlei abergläubische Gebräuche herangezogen werden. 

So legt man unter Anderem einen Schnitt Brod wählend einer 
ganzen Nacht auf die Dachrinne, damit Thau darauf falle; des Mor- 
gens hat es dann die Frau aufzuessen; dieselbe muss sich ausserdem 
eventuell noch über den Brunnenkranz beugen und so Wasser trinken 
(Szatmärer, Jäszer Comitat). In einigen Gegenden muss dies um Mitter- 
nacht geschehen. 

Oder es wird ein Stück gerösteten Brodes und ein Glas Wasser 
die Nacht über auf die Dachrinne gegeben. Hat dann der Mor^enthau 
ersteres benetzt, so steigt die Wöchnerin mittelst einer Leiter auf das 
Dach, isst das Brod auf und trinkt das Wasser aus (Hajduer Comitat). 

Im Csiker Comitat bekreuzigt sich die Wöchnerin neunmal vom 
Kopf nach den Füssen zu und wirft neunmal einen Stein von links 
nach rechts über die Brüste hinweg. 

In Nagy-Szeben (Szebener Comitat) stellen die Rumänen der Frau 


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eine „Kupa“ (Trinkgeschirr) Wasser auf den Kopf, welche diese so lange 
hin und her schüttelt, bis sich deren Inhalt ganz entleert hat wobei sie 
sagt: „So wie das Wasser in die Quelle zurückfliesst, so komme auch 
die Milch.“ In Brassö beschwört der rumänische Pope die Brüste und 
begiesst sie mit Weihwasser. Bei den Rumänen ist übrigens Be- 
schwören und Beten das Hauptgalactogogum (Krassö-Szörenyer Comitat). 

Anderwärts springt die Frau in eine mit warmem Wasser ange- 
füllte Wanne und steigt aus derselben rasch wieder heraus, worauf 
ihr auch die Milch kommt, oder sie urinirt ülier einen Besen (Mär- 
maroser Comitat). 

Am Tage nach der Geburt höhlt die Frau auf der Erde, wo sie, 
entbunden hat. ein Loch aus, giesst einen Deciliter Branntwein hinein 
und schlürft diesen, auf dem Bauche liegend, auf (Pester Comitat). 

Die Hebamme hält solches Brod in Bereitschaft, welches sie am 
Abende vor dem Sanct Georgstage auf das Dach des Hauses gelegt 
hatte, und giebt davon der Wöchnerin zu essen (Bekeser Comitat). 

Ein Waschbrett wird durchlocht und die Frau muss dasselbe vor 
Sonnenaufgang auf dem Kopfe zu einem fliessenden Wasser tragen, 
dort das Brett querlegen und aus dem erwähnten Loche mittelst eines 
Rohres aus dem Wasser des Baches trinken; dann muss sie nach 
Hause gehen und drei Stück Zwiebeln verzehren (Somogyer Comitat). 
Oder die Frau schüttet ein wenig Milch auf ein Stück geröstetes Brod, 
legt es auf einen nassen Mühlstein und verzehrt es dann in feuchtem 
Zustande (Muros-Tordaer Comitat). 

Man hält auch zwei mit Wasser gefüllte Krüge an den Rücken 
der Frau und reibt ihn mit ihnen (Szolnoker Comitat). Ferner saugt 
man Stroh, welches zum Scheuern verwendet wurde (Barser Comitat). 

In Jäszbereny (Jäszer Comitat) werden mit der Milch einer solchen 
Frau, welche viel Milch besitzt, Pogatscherln gebacken, und diese werden 
dann der Wöchnerin zu essen gegeben. Im Huuyader Comitat besteht 
unter den magyarischen Arbeiterfrauen und den Jüdinnen der Brauch, 
eine Zwiebel entzwei zu schneiden, tüchtig zu salzen und bei einer Quelle 
drei Tilge lang unter einem im Wasser befindlichen Stein zu verstecken 
und sie dann zu essen. 

Im Fogaraser Comitat lässt man sich von drei Nachbarn Milch 
geben, die dann die Wöchnerin austrinken muss. Im Borsoder Comitat 
melkt die Frau etwas Milch auf die Eide und tritt barfuss darauf. 
Unter einen Nussbaum darf sich die Stillende nicht stellen, denn der 
Geruch desselben macht die Milch versiegen (Ugocsaer Comitat). 


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Bei den Sokäczen hat die Mutter heim ersten Säugen ein mit 
Wein gefülltes Glas in der Hand, während ihr eine Verwandte in 
einem Sieb Brod über den Kopf hinhält, damit das Kind in seinem 
Leben glücklich und reich sei. Wenn die Mutter nicht genug Milch 
hat. so nimmt sie eine kleine mit Wasser angefüllte Flasche in ihre 
rechte Hand, steckt sich je ein kleines Weissbrod unter die Achsel- 
höhlen und schleicht sich so vor Sonnenaufgang vor das Fenster eines 
von einer Stillenden bewohnten Hauses. Wenn diese dann bei Sonnen- 
aufgang ihr Kind an die Brust legt und die betreffende Mutter dies 
durch das Fenster hindurch sieht, so trinkt diese das Wasser auf drei 
Schluck aus und läuft, die Weissbrödchen in der Richtung gegen Osten 
von sich wegschleudernd, davon. Auf solche Weise wird sie Milch 
bekommen, wohingegen der anderen Frau die Milch versiegen wird. 
Aus diesem Grunde wird es nicht für rathsam gehalten, das Kind des 
Morgens in einem Zimmer zu stillen, dessen Fenster nicht verhängt sind. 

Damit die Wöchnerin viel und gute Milch bekomme, kniet sie am 
ersten Freitag Morgen nach dem Verlassen des Wochenbettes vor einem 
Strauch nieder und reisst von diesem l>ei Sonnenaufgang mit ihrem Munde 
drei Aeste ab, welche sie dann kocht, um die Brühe davon drei Morgen 
hintereinander auf nüchternen Magen auszutrinken. An den Abenden der- 
selben Tage vergräbt sie den Kotb des Kindes unter denselben Strauch. 

Wenn Jemand mit einem Wolfsrachen dem Kind in den Mund 
bläst, so versiegt der Mutter die Milch für alle Zeiten. Es giebt 
böse Menschen, die der Stillenden am Freitag eine Speise anbieten, 
in welche sie die verbrannten Haare eines schwarzen Katers hinein- 
gerührt liaben. Geniesst die Mutter von einer solchen Speise, so 
verweigert der Säugling fortan die Brust, magert ah und stirbt, 
wenn man das Uebel nicht rechtzeitig herausfindet In einem 

solchen Falle muss man das Kind in Schaf- oder Kuhmilch baden und 
damit auch nähren, worauf es am Leben bleibt und ihm die böse Ab- 
sicht der betreffenden Person zum Nutzen gereicht, da es „so stark und 
ausdauernd wie ein Wolf sein wird“ (v. Wlislocki). 

In den verschiedensten Gegenden des Landes hält das Volk da- 
ran fest, dass der Frau die Milch hauptsächlich dann versiegt, wenn sie 
im Wochenbett von einer Flau, namentlich von einer Stillenden be- 
sucht wurde, und diese „ihr die Milch weggetragen hat“, „die Milch 
auf sie übergegangen ist“, „an ihr haften geblieben ist". In manchen 
Gegenden wird auch die Concurrenzhebamme beschuldigt, die Milch 
„verzehrt zu haben“ (Hajduer Comitat). 


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Gegen das Versiegen aus dieser Ursache sind die verschiedensten 
Verfahren im Gebrauch. Prophylaktisch glaubt sich die Wöchnerin so 
zu schützen, dass sie Niemandem gestattet, sich auf ihr Bett 
zu setzen, auch einem Manne nicht, denn selbst auf einen sol- 
chen ..kann die Milch übergehen“. Und wenn die Wöchnerin von 
einer anderen stillenden Frau besucht wird, so muss diese ein wenig 
Milch von sich auf ersten- oder auf deren Bett, resp. auf dessen Vorhang 
(Zelt) spritzen, „von der Milch opfern“ (Rumänen), und wenn die be- 
treffende Frau fortgegangen ist, muss sich die Wöchnerin sofort aut 
ihren Platz setzen. Aufgepasst muss werden, dass der Besucher nichts 
aus dem Zimmer, besonders vom Tisch fortträgt (Szatmärer Comitat). 
„Auf eine Stillende, die keine Milch, werfe deine Blicke nicht“ sagt 
ein ungarisches Sprichwort. 

Während der drei ersten Tage des Wochenbettes, bis näm- 
lich die Milchabsonderung nicht begonnen hat darf nichts aus dem 
Hause gegeben weiden, weder Mich noch irgend welches Geschirr, 
oder Wasser, weil mit dem aus dem Haus gegebenen oder verborgten 
Gegenstände auch die Muttermilch weggetragen wird. Nach Sonnen- 
untergang darf man auch noch später nichts aus dem Hause geben. 
Eine menstruirende Frau darf der Wöchnerin keinen Besuch abstatten. 

Alle diese Verbote dauern besonders so lange, bis die Wöchnerin 
nicht in der Kirche war. 

Im Csiker Comitat reisst das die Wöchnerin besuchende Weib 
aus seinem Kleid oder seinem Tuch einige Fäden heraus, wild dieselben 
auf das Bett und sagt dabei: „Ich brauche weder ihre Milch noch 
sonst etwas von ihr.“ 

Ist das „Unglück“ schon geschehen, so wird, wenn man darauf 
kommt, wer diejenige sein konnte, die die Frau liehext liat diese 
zurückgerufen, damit sie ihr (der Wöchnerin) ein paar Tropfen Milch 
aufs Bett melke (Hajduer Comitat); oder man bäckt mit der Milch 
des die Wöchnerin 1 «-suchenden Weibes Pogatscherln und lässt diese 
die eine Hälfte derselben ausserhalb der Schwelle der Wochenstube, 
die andere Hälfte im Zimmer verzehren (Hajduer Comitat); oder giebt 
die Pogatscherln der Wöchnerin zu essen (Csiker Comitat); oder man 
melkt Milch aus den Brüsten der Betreffenden und denjenigen der 
Wöchnerin, wovon dann Beide gemeinsam trinken (Barser. Bekeser 
Comitat); oder es wird Brod geröstet, und dieses, nachdem man darauf 
Milch von dem betreffenden Weib gemolken, der Wöchnerin zu essen 
gegeben (.Täszer, Hajduer. Szatmärer Comitat, Csängös). 


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Aus einer Gegend berichtet man mir von dem — meines Wissens 
sonst nirgends auf der Welt vorkommenden — noch ekelhafteren Ver- 
fahren, dass die Frau, welche die Milch der Wöchnerin „tortgetragen“ 
hat, zurückgerufen wird, damit sie der Letzteren in den Mund urinire. 

46. Dauer des Süllgens. 

Die Dauer des Säugegeschältes beträgt zwar meistens ein Jahr (elf 
bis zwölf Monate), bei den Slowaken ein Jahr und einen Tag oder aber 
mit einem Tag weniger als ein Jahr, in den meisten Gegenden jedoch 
wird das Stillen möglichst in die Länge gezogen, um nicht neuerdings 
schwanger zu werden, denn man glaubt allgemein, dass Stillende nicht 
coneeptionsfähig sind. Diesbezüglich ist es sehr charakteristisch, dass 
an vielen Olten die Frau ihr erstes Kind kürzere Zeit stillt, als die 
übrigen Kinder, da sie sich nach dem ersten Kinde vor einer neuerlichen 
Schwangerschaft noch nicht so fürchtet wie später. 

Uebrigens ist man auch der Ansicht, dass das Kind später desto 
stärker und klüftiger sein wird, je länger es gestillt wird. 

Das lange Stillen halten die Frauen recht gut aus und zwar des- 
halb, weil, wie wir gesehen haben, das Kind nicht ausschliesslich mit 
Muttermilch genährt, sondern schon während der ersten Säugeperiode 
an gemischte Kost gewöhnt wird u. s. w. 

Anderthalb bis zwei Jahre langes Stillen ist etwas ganz Gewöhn- 
liches, ja bei den Ungarn ebenso wie bei anderen Nationalitäten ge- 
hört auch ein drei bis vier Jahre dauerndes Stillen nicht zu den Aus- 
nahmen. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Ungarinnen so- 
wie die deutschen Frauen in der Regel nur zehn bis zwölf Monate, 
die Serbinnen und Rumäninnen zwei bis drei Jahre stillen. An vielen 
Orten fällt der Zeitpunkt der Entwöhnung mit dem Bewusstwerden 
einer neuerlichen Schwangerschaft zusammen. In einigen Gegenden 
setzt aber auch diese dem Säugegeschäft noch keine Grenzen, sondern 
die Frau stillt eventuell — wie ich dies selbst einmal gesehen habe — 
gleichzeitig mit ihrem neugeborenen Kind auch ihr älteres (drei- bis 
vierjähriges) Kind, obschon (oder weil?) es einen Aberglauben giebt, 
nach welchem in einem solchen Falle das eine Kind sterben muss. 

Aus manchen Gegenden wird über sehr lange Säugeperioden be- 
richtet So schreibt man mir aus mehreren Orten (Bekeser, Eszter- 
gomer, Biliarer, Nögrädor, Säroser, Torontäler, Krassö-Szörenyer Corni- 
tat), dass das Kind oft noch auf dem Schemel oder Stuhl stehend 
trinkt In einem Falle (Biharer Comitat) stillte die Frau ihr Kind 

Temeaviry, Volltebr&ache. N 


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sechs, in einem anderen (Szatmärer Comitat) sieben .lalire hin- 
durch. Dies sind indessen Ausnahmsfalle. Für gewöhnlich dauert 
wie wir gesehen haben, bei der armen Volksklasse die Säugeperiode 
ein bis zwei, resp. zwei bis drei Jahre. Auch dort, wo die Frau ein 
Ziehkind annimmh ist dies die übliche Säugedauer. In solchen 
Fällen stillt sie gewöhnlich ein Jahr lang ihr eigenes und ein bis zwei 
Jahre hindurch das Ziehkind (das ..fremde Kind“), so gut oder schlecht 
es eben geht! 

47. Pflegekinder. 

Ziehkinder werden besonders von den in den nordwestlichen Comi- 
taten wohnenden deutschen Frauen und Slowakinnen (aus dem Wiener 
Findelhaus) und von den in der Umgebung von Budapest (Däny, Uellö. 
Monor, Uri und andere Gemeinden des Pester und Jäsz-Küner Comi- 
tates) wohnenden ungarischen Frauen (Budapester Findelkinder), sowie 
in der Umgebung der grösseren Provinzstädte oder in diesen selbst 
angenommen. Von den Resultaten wünsche ich hier nicht zu sprechen. 
So lange sich die Verhältnisse nicht bessern (einige Besserung konnte 
in den letzten Jahren schon infolge der erspriesslichen Thätigkeit des 
Budapester „Landes -Findelhaus -Vereins vom Weissen Kreuz“ constatirt 
werden), fällt gewöhnlich das eine — entweder das eigene oder das 
angenommene — Kind zum Opfer. 

48. Entwöhnung. Mittel und Verfahren zur Verringerung 
der Milchsecretion. 

Die zur Verringerung der Milchabsonderung dienenden und haupt- 
sächlich bei der Entwöhnung des Kindes in Betracht kommenden Ver- 
fahren lassen sich in zwei Hauptgruppen theilen. In die eine ge- 
hören diejenigen Verfahren, welche im Interesse der Mutter angewandt 
werden, resp. den Zweck haben, ein schnelleres, vollständigeres und 
schmerzloseres Versiegen der Milch herbeizuführen, während zu der 
anderen Gruppe alle die Verfahren zu zählen sind, welche die Ent- 
wöhnung des Kindes von der Mutterbrust bezwecken. 

Die der ersten Gruppe angehörenden Verfahren sind folgende: 
Die Frau melkt aus ihren Brüsten ein wenig Milch auf irgend einen 
heissen oder wenigstens warmen Gegenstand, damit sie aus ersteren 
ebenso verschwinde, wie sie auf diese Weise verdampft. Deshalb wer- 
den dazu heisse Ziegel oder Steine oder ein glühendes Bügeleisen oder 
siedendes (verdampfendes) Wasser oder die heisse Platte des Herdes 
oder glühende Kohlen oder die wannen (eben ausgezogenen) Stiefeln 


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des Mannes gewählt, die darauf hinter den Ofen gestellt werden, oder 
aber die Frau melkt auch die Milch ins Feuer selbst. Dieses Ver- 
fahren ist besonders hei den Slowaken, so wie noch bei den Serben, 
Rumänen und Bulgaren gebräuchlich. 

Andere (Frauen des Jäszer, Zalaer, Esztergomer, Bäcser Comitats) 
melken die Milch auf einen Besen (namentlich Rossgrasbesen). 

Die Rumänen melken die Milch im Stall auf Rindennist und lie- 
schwören sie (Häromszeker Comitat). 

Wenn im Barser Comitat die Frau in der Bmstdriise Schmerzen 
verspürt, so melkt sie die Milch auf die Strasse. 

Ein anderes allgemein bekanntes Verfahren ist das Niederbinden 
der Brüste. In den meisten Gegenden (fast ausschliesslich bei Ungarn, 
und zwar besonders im Jäszer Comitat) unterbindet man sie und zwar 
zumeist auf zweierlei Art; einmal umbindet man den ganzen Brustkorb 
mit einem dünnen (seidenen) Bande, mit Bindfaden. Hanf, dem Unter- 
hosenband des Mannes u. s. w. in der Höhe derAchselhöhle, und zwar so 
straff, dass das Band resp. der Faden tief in das Fleisch einschneidet, 
und dann werden noch die Brüste selbst mit einem anderen breiteren 
Bande oder einem Wickel abgebunden. Die erstere Unterbindung wird für 
die wichtigere gehalten, weil man glaubt, dass so die (eventuell mit dem 
breiteren Wickel am Herausfliessen verhinderte) Milch nicht in den 
Kopf steigt. 

Ein drittes Verfahren besteht in verschiedenen Umschlägen. So 
macht man Umschläge mit einem in Stärkewasser oder Branntwein 
getauchten lappen (oder nur mit roher Stärke) oder mit einem mit Seife. 
Talg (eventuell gesalzenem Talg), oder mit Spennacet beschmierten 
Lappen, mit Seifenpflaster u. s. w. 

Besonderer Beliebtheit erfreut sich auch noch das Bedecken der 
Brüste mit: Schierlingsblättern, gestossenem Schierling. Schierlings- 
pflaster (oder man thut den Schierling nur unters Bett oder bindet ihn 
der Frau auf den Rücken), mit Nussbaum- oder Kartoft’elblättern, Klette, 
Petersilie, Pfeffeimünzblättern (event. auf den Rücken gebunden). Kraut- 
blättem, Thon oder kalter Erde (besonders von einem frischen Grab, 
Csiker und Komäromer Comitat), Pferdemist (Barser, Märmaroser Co- 
mitat, Slowaken des Unger Comitates), Kuhmist, namentlich Mist von 
einer Kuh. welche ihr Kalb nur vier Wochen lang gesäugt hat (Slo- 
waken des Gömörer Comitates, Heveser Comitat), Schweinemist (He- 
veser Comitat); auige weichten Federn eines schwarzen Huhns (Biharer 
Comitat), ungewaschener Schafwolle (Häromszeker Comitat) u. s. w. 

8 * 


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Für sehr wirksam wird auch der Kampher gehalten, welcher 
meistens in einem Säckchen um den Hals gebunden getragen oder 
warm mit Talg vennengt auf die Brüste gegeben wird, oder letztere 
werden damit, resp. mit kampherigem Fett eingeriehen, oder es wird 
derselbe in Kataplasmenform angewendet 

Die Brüste werden ferner langsam ausgemelkt, durch ältere Kin- 
der ausgesaugt, mit heissen» Wasserdampf gedünstet und mit einem Ge- 
menge von Asa foetida, Semen nigelli und Styrax (Bäcser ComitaJt) 
u. s. w. geräuchert. 

Andere schmieren die Brüste mit Butter, Talg, Hirschfett, Milch- 
rahm, Branntwein, Schweinefett, Künunelöl u. s. w. ein. 

Im Allgemeinen essen und trinken die Frauen wenig. Es werden 
liesonders Kampherspiritus getrunken und Abführmittel eingenommen. 

Zumeist werden mehrere Verfahren combinirt: man unterbindet die 
Brüste, macht Umschläge mit einem Stärke- oder Talglappen und 
Schierlingsblättern, hängt sich Kampher um den Hals, melkt auf irgend 
einen heissen Gegenstand ein wenig Milch aus den Brüsten u. s. w. 

Schliesslich führe ich noch die folgenden Volksgebräuche an: die 
Frau sticht eine Nadel in ihr Hemd, besondere linker Hand, mit dem 
Gehr nach innen (mit der Spitze nach aussen), damit „so wie die Nadel 
verkehrt eingestochen ist, auch die Milch nach liickwärts fliesse“, oder sie 
zieht ihr Hemd verkehrt auf den Leib. Dies thut man (bei den ver- 
schiedensten Nationalitäten) so lange, bis die Milch nicht gänzlich ver- 
siegt ist. 

Die Frau nimmt ein- bis dreimal täglich ilne Brustwarzen zwischen 
die Finger und „schüttelt ihi'e Brüste ab, eben so wie wenn man einen 
Sack ausschüttelt”. Es wird dies auch „Zurückschütteln” genannt. 

Auch alte Metallstücke legt man auf die Brüste (Komäroiner Co- 
initat). 

Im Häromszeker Com i tat schaut die Frau in den Schornstein u»id 
geht hierauf schnell von dort weg, ohne zurückzublicken. 

Anderwärts trägt die Frau eine Anzahl Stöpsel an einem Bande 
um den Hals (Heveser Comitat), vielleicht damit „auch die Milchwege 
zugestopft werden mögen“? 

Dem Kinde bindet man einige Kreuzer in den Zipfel eines Hem- 
des, welches das Kind so lange tragen muss, bis die Mutter in ihren 
Brüsten Milch verspürt. Das Geld schenkt man später einem Bettler 
iNyitraer Comitat). 

Die Frau melkt aus ihren Brüsten ein wenig Milch in einen leeren 


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Sack, bindet denselben zu und wirft ihn auf den Dachboden: „So wie 
das Mehl im Sack ausgegangen ist, so gehe auch die Milch in den 
Brüsten zur Neige“ (Häromszeker Comitat). 

Bei den Slowaken geht die Frau bei der Entwöhnung zur Kinness, 
botet und fastet, damit ihr die Milch versiege. Darauf wirft sie einen 
Kreuzer in einen Holzmörser, setzt sich auf denselben, stillt noch ein- 
mal (d. i. zum letzten Male) ihr Kind und lässt dieses den Kreuzer 
aus dem Mörser herausnehmen, was auch den Sinn hat, dass die Mutter 
die Brust mit diesem Gelde „auslöst“. 

Die auf das Abgewöhnen des Kindes abzielenden Verfahren 
bestehen besonders darin, dass man das Kind von den Brüsten abschreckt 
oder in ihm Abscheu. Ekel gegen diese zu erwecken sucht 

Zur Erreichung ersten' n Zweckes bindet die Frau eine Büiste auf 
ihre Brust, damit sich das Kind daran die Nase und den Mund zer- 
steche. Ein Gleiches thut sie mit einem Kamm (namentlich bei den 
Magyaren), einem schwarzen oder rothen Stück Tuch oder anderem 
Zeug, ja sogar mit einem Igel (Barser Comitat). 

Zur Ekelerregung schmiert man die Brüste bezw. die Brustwarzen 
mit Schuhwichse (ausschliesslich bei den Ungarn). Paprika, Pfeffer, 
Russ (Muraköz, Säroser, Heveser Comitat u. s. w.), salzigem Honig 
(Bekeser, Jäszer, Pester, Szolnok-Dolxikaer Comitat), Salz, Knoblauch. 
Tabaksabfällen (Muraköz), Aloe (Torontäler, Abaujer, Jäszer, Györer 
Comitat), Koth (Jäszer Comitat), Eisenspänen (Heveser Comitat) u. s. w. ein. 

Die Slowaken vermengen bitteres Kerbelkraut (Anthriscus silvestris) 
mit Theer und legen es auf die Brüste. 

Andere Verfahren sind noch folgende: 

Man thut so vor dem Kinde, als wollte man die Brüste abschneiden, 
oder bindet einen Tuchknäuel an die Zimmerdecke, zeigt diesen dem 
Säugling und thut so, als wenn die Brust fortgeflogen wäre (Barser 
Comitat). 

Während des Trinkens hält man dem Säugling die Nase zu 
(Jäszer Comitat). 

Die Mutter resp. die Amme sengt sich das Haar und lässt die 
Asche von dem Kinde in Milch gemessen (Szatmärer Comitat). 

Man reicht dem Kinde durch das Fenster ein hart gekochtes ge- 
schältes Ei. damit es hineinbeisse (was namentlich in Nordostungam 
gebräuchlich ist). Die Ix>gik hiervon scheint die zu sein, dass die Form 
des Eies das Kind an die Brust erinnert und wenn es dann hinein- 
beisst, so schmeckt es ihm nicht, und es Itekommt so auch vor der Brust 


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einen Ekel. Nach einer anderen Version heisst es: „So wie die 

Henne ihr Ei vergisst, so möge auch das Kind die Brust vergessen.“ 

Im Märmaroser Comitat setzt sich die Frau mit ihrem Kinde auf 
die Schwelle, sticht eine Nadel in ihr Kleid und schlägt das Kind ein 
paar Mal mit dem Bollholz aufs Gesäss. 

Im Bekeser und Bäcser Comitat trägt man das Kind aus der 
Stube und giebt ihm durchs Fenster oder auf der Schwelle ein Geld- 
stück, damit es sich dafür im Gewölbe Zucker kaufe und so die Brust 
vergesse. 

Hinsichtlich des Termines der Entwöhnung herrschen die 
folgenden, nicht immer unschädlichen Aberglauben. 

Das Kind im Herbst zu entwöhnen, heisst es, ist nicht gut, denn 
davon bekommt es frühzeitig graue Haare, ebenso wie ihm davon auch 
zeitig die Zähne ausfallen. 

Die Zeit der Fruchtreife (im Sommer) ist für die Entwöhnung 
die geeignetste (Komäromer Comitat). Im Somogyer Comitat muss das 
Kind bei klarem Wetter entwöhnt werden, damit es immer klaren 
Verstandes sei, und an einem Montage, dass es immer arbeitsam sei. 

Bei den Slowaken darf das Kind nicht entwöhnt werden, wenn 
die Bäume kahl sind, denn sonst wird aus ihm ein armer Mensch 
werden. Man glaubt, dass es am zweckmässigsten ist die Entwöhnung 
bei abnehmendem Mond oder am Palmsonntag vorzunehmen. 

Die Slowaken des Trencsener Coinitates halten den Donnerstag 
für den zur Entwöhnung geeignetsten Tag, denn an einem solchen 
vergisst das Kind am schnellsten. Das Kind an einem Sonntage zu 
entwöhnen, ist hingegen verboten. Auch an einem Freitag entwöhnt 
man es nicht, denn wenn auch einerseits ein solches Kind keine Zahn- 
schmerzen haben wird, so wird es doch andererseits einen unglücklichen 
Lebenswandel führen. 

Ebenso legt man bei den Slowaken am Tage der Entwöhnung ein 
Ei, ein Buch und ein Geldstück vor dem Kinde auf den Tisch hin. 
Greift es nach dem Ei, so wird es als Erwachsener ein starker Esser 
sein; greift es nach dem Buch, so wird aus ihm ein frommer und 
kluger Mensch werden; greift es nach dem Geld, so wird es ein Geiz- 
hals werden. 

Anderwärts hält man es für das Rathsamste, das Kind an einem 
Samstagsabend oder an einem Freitagsmorgen zu entwöhnen. 

Wenn das Kind stirbt oder todt geboren wurde, geht die Mutter 
(besonders in der Muraköz), auch wenn sie die Entbindung noch so sehr 


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mitgenommen hat und sie sich noch so schwach fühlt, auf den Hof hinaus, 
beugt sich über die dort aufgebahrte Leiche und spritzt Milch aas ihrer 
Brust darauf damit sie so dem Kinde „ein Opfer bringe“ und das 
Kind ihre Milch mit „ins Grab nehme“. Aas demselben^ Grunde 
nimmt die Frau auch ein wenig Erde vom Grabe des Kindes und 
wirft dieselbe zwischen den Brüsten auf den Boden oder legt sie auf 
die Brüste (Jäszer Comitat), oder sie bindet sich das Hemdchen des ver- 
storbenen Kindes auf die Brust und trägt es eine Zeit lang (Soproner 
Comitat). 

Bei den Zigeunern wird der Mund des ungetauft verstorbenen 
Kindes mit Wachs verstopft, damit der Mutter die Milch versiege. 

Im Bäcser und Barser Comitat glaubt man übrigens, wie wir ge- 
sehen haben, dass, wenn der Frau plötzlich die Milch versiegt, ihr 
Kind den dritten Tag darauf schwer erkranken, und wenn ihr die Milch 
wiederkommt, sterben wird. 

Wenn dagegen die Mutter im Kindbett stirbt, so hegt man all- 
gemein die Ueberzeugung, dass ihr das Kind in den Tod folgen wird, 
ja man wünscht dies sogar. Dass dieser Volksglaube auch von ent- 
sprechenden Resultaten begleitet ist, kann nicht Wunder nehmen. Von 
einem eigenthümlichen interessanten Volksgebrauch berichtet mir Privat- 
docent Karl Akontz. Bei den Rumänen des Dorfes Bäcs (bei 
Kolozsvür) lässt man nämlich, wenn die Wöchnerin stirbt, ihre Milch 
von dem kleinen Säugling aus ihren todten Brüsten saugen (!!), wobei 
man der Frau einen Strohhalm ins Ohr steckt und ihr zuflüstert, sie 
möge doch ihr verwaistes Kind mitnehmen und nicht auf dieser Erde 
zurücklassen ! 


49. Mastitis. 

Bei einer Entzündung der Brüste pflegt das Volk nur in den 
allerseltensten Fällen ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei Be- 
ginn des Hebels werden das schon erwähnte Melken und Aussaugen, 
später Umschläge, Kataplasmen, Dünstungen und andere Verfahren 
angewandt. 

Zu Umschlägen werden in Branntwein getauchte Lappen, in 
Branntwein aufgelöste Stärke, Absud von weissen Malven (eventuell 
mit Milch), in Stärke getauchte Lappen, warmer Essig oder warme 
Milch, gewässertes Fuchs- oder Wolffleisch (Muraköz), fettige Wasch- 
lappen (besonders im .Täszer Comitat), in Urin getauchte Lappen 
oder Wolle, mit Urin verrührte Lehmerde. Lehm mit Eigelb oder mit 


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Essig oder ohne solchen angewendet. Ferner werden auch Kampher- 
und einfache warme Wasserumschläge gemacht. 

Kataplasmen bereitet man aus: Schierling (heiss), grüner Peter- 
silie, Qiuttenkemen, Flachs- und Heuspreu, Roggenmehlbrei mit Honig, 
gelben Rüben, rohem Krautlattich, gekochtem Maismehl, gekochten 
Kartoffeln, Brei von gestoesenen Kürhiskemen, warmem Hirsebrei, 
Feigenaufguss (schon der Prophet .lesaias empfahl die Feige als Mittel 
zur Reifniachung von Abscessen), Semmel mit Safran, Kleie, in Wein 
gekochtem Brod, in Milch gekochtem Gries oder mit Pilzen, mit Brannt- 
wein benetzten gehackten Zwiebeln, Leinsamenbrei, Leinbrei und Hasen- 
fett (heiss), Zwiebeln und Colostrum-Mehlspeise mit Eigelb (Hunyader 
Comitat). saurer Mehlspeise mit Fett, einem in Milch gekochten Ge- 
mengsel von Pilzen, Honig, weissen Bohnen, Semmel und Safran, oder 
Gätkraut. Eiweissschaum und Alaun in eine Hanfform geschmiert, essig- 
getränkter Kleie und essiggetränktem Mehl, Rinderspeck (Bekeser, Györer, 
Nyitraer, Märmaroser. Szabolcser Comitat), Rinder-, speciell Kuhdünger 
(wann). Pferdemist (Bekeser, Maros-Tordaer Comitat), weissem Hunde- 
koth (Muraköz), Hasenkoth (Maros-Tordaer Comitat). (Den Kuhdünger 
legt man der Frau an vielen Orten mit ihrem Urin vermengt oder auf 
Kletten blätter gestrichen auf die Brüste.) Milch und Fäces der Wöch- 
nerin (Heveser Comitat) oder andere Excremente (Bäcser Comitat), 
Fliederharz. Fliedersaft. Asche. Eigelb mit Asche oder Salz, Rahm- 
mehlspeise. vom Dache des Hauses heruntergeklaubtes und gekochtes 
Moos weiden ebenfalls warm angewendet 

Ausserdem weiden noch angewendet: warme Teller, geriebene rohe 
Kartoffeln, fette Tomisterstücke (?) (Bekeser Comitat), Schwalbennester 
(Nyitraer Comitat) oder Sperlingsnester (Ugocsaer, Jäszer Comitat) und 
Pilze (Nögräder, Nyitraer Comitat). Ferner wird heisses Wasser in 
einen Steinkrug gegossen und dieser dicht an die Brust gehalten (Tol- 
naer Comitat). Aus der Kirche bringt man einen Blumenkranz und 
legt diesen gekocht auf die Brust. 

Die Dünstungen geschehen entweder einfach mit heissem Wasser- 
dampf oder verschiedenerlei Kräutern oder Salzwasser. 

Als Salben werden gebraucht: Kamphersalbe, salzhaltige Salbe. 
Seife, Knochenmark (Muraköz), Nussöl, Honig, Pflaumenmus, Eigelb, 
Hirschtalg mit Oel vermengt, Eigelb mit Safran und Tafelöl vermengt, 
ranziges Fett, weisser Terpentin. 

Diese Salben bereitet man meistentheils mit Eigelb. 

In der Csallököz rührt man einen Esslöffel voll Fett, dicken 


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Terpentin und einen Esslöffel weisses Pech zusammen und macht da- 
mit täglich zweimal Umschläge auf die Brust. 

Die Slowaken des Trencsener Comitates legen bei beginnender Ent- 
zündung der Brüste auf diese ein aus Roggenmehl und Weinessig ver- 
fertigtes Pflaster und räuchern sie mit Zucker und Rittersporn (Delphinium 
Consolida). Wenn sich die Brust verhärtet, so thut man gepfeffertes 
Sedum acre mit Theer vermengt oder Weinblätter darauf. 

In Miskolcz schneidet man den beim Flachsrösten um den Flachs 
gebundenen Strick entzwei, verbrennt die Hälfte davon und räuchert 
damit die Brüste, während man die andere Hälfte kocht, in einen 
Lappen einwickelt und damit auf die Brust Umschläge macht 

Im Barser Comitat werden die Brüste geschmiert und Wegerich 
(Plantago) aufgelegt. Wenn man bei den Deutschen das Uebel durch 
Behexung hervorgerufen glaubt, so giesst man in ein Steingefäss Weih- 
wasser und thut in letzteres glühende Kohlen. Stellt sich so heraus, 
wer die Frau behext hat, so geht man zu der betreffenden Person mul 
verlangt von ihr irgend etwas, z. B. ein Stück Zeug, welches man 
dann unter den Tisch thut und drei Tage lang dort liegen lässt, oder 
holt aus dem Galten einen Stein, verbirgt denselben im Mieder und 
drückt ihn täglich mehrere Male an die B niste. Ist dies geschehen, 
so muss der Stein unbemerkt an seinen früheren Platz zurückgelegt 
werden. Dazwischen betet man. Beim Zurückgehen darf’ die Frau 
nicht zurückblicken, denn sonst stellt sich das Uebel von Neuem ein. 
Wenn die Brüste trotz alledem anschwellen, so soll sich die Frau ge- 
kochten Kulunist auflegen oder die Brüste mit Wumunehl von einer 
Backschaufel und Sargspänen räuchern. 

Im Temeser Comitat legt man ein mit Pfeifentabak angefülltes 
nnd mit Talg eingeschmiertes Papiersäckchen auf die Brust 

Im Csiker Comitat macht man Umschläge mit von einem noch 
nicht einjährigen Kinde stammenden Urin auf die Brüste und holt von 
neun verschiedenen Plätzen Wasser, von welchem die Frau aus neun 
kleinen Gläsern trinkt. 

In Szüregh (bei Szeged) werden, wenn die Brüste entzündet sind, 
Beschwörungsformeln hergesagt. Mit der rechten Hand streicht man 
die schmerzende Brust und sagt dabei dreimal: 

„ Starke Frau, gehorsamer Mann, 

Die beste Medicin für Schmerzen in den Brüsten 
Ist Jesu Binsenbett, 

Sowie sein steinernes Kissen“ (Kälmäny). 


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Im Torontaler Comitat gebraucht man gegen Mastitis: Wasser, 
Gurken, gelbe Rüben, Kartoffeln und Kürbisschnittchen, Brei aus 
Leinsamemnehl, Semmel mit Safran und Ei, in Milch gekochten Tauben- 
koth; im Nögräder Comitat: mit Butter vermengten Schafmist, Bella- 
dounasamen und -Wurzel, Käspappelthee, gekochte rothe Rüben; im 
Alsö-Feherer Comitat: ein Gemengsel von Branntwein, Safran und Eigelb, 
ferner in Butter gekochte gelbe Rüben oder geriebene kalte Kartoffeln. 

Im Ugocsaer Comitat macht man Stärkeumschläge auf die Brüste, 
oder legt Feigen oder Vogelnester darauf, oder nimmt ein Nudelholz, 
einen Sauerteiglöffel, einen Kamm, ein Messer, eine Scheere und einen 
goldenen Ring, macht mit jedem dieser Gegenstände einen Kreis um die 
Brüste, wirft sie dann zur Erde und läuft darauf kreuz und quer herum. 
Auf diese Weise schwelle die Brust ab. 

Die Kroaten glauben, dass die Mastitis daher rühre, dass ein Vampyr 
(Draht) in Gestalt einer „weissen Flau“ in der Nacht an der Brust sog. 

Das seltsamste Verfahren ist, dass der Mann mit dem Penis 
oder dem Scrotum die Brüste seiner Frau dreimal streichelt Die 
Logik dieses Verfahrens ist die, dass gewiss ein Mann die entblössten 
Brüste der Stillenden gesehen und darauf mit Peniserection reagirt hat, 
wofür die Frau so biissen muss, dass ihre Brust hart wird. Der Ent- 
zündungsrabor wird für Schamröthe gehalten! Daraus folgt nun in 
Anbetracht der Vorliebe für sympathetische Heilmethoden das eben er- 
wähnte Heilverfahren von selbst. Dieser Therapie wird übrigens in 
einer grösseren Anzahl von Gegenden (Somogyer, Soproner, Nyitraer 
Comitat) Erwähnung gethan. In einem Orte (Gömörer Comitat) wird 
gegen Mastitis nur Kohlenwasser mul Gemeiner Ziest (Stachys recta)*) ge- 
braucht, weil man auch da glaubt, dass das Uebel „von den Augen kommt“ 
und die Brust davon hart wurde. Im Csiker Comitat wird aus dem- 
selben Grande ein Stück rothes Tuch auf die entzündete Brust gelegt. 

Die Volksheilkunde des vorigen Jahrhunderts empfahl gegen 
Mastitis „Fliederwurzel in Fett zu stossen und das Ganze auf die 
Brust zu binden“ (Veres). 

Das kalte Wasser resp. kalte Umschläge sind gefürchtet, da man 
glaubt, dass diese Erkältungen erzeugen. 

Auch zu einem Oeffnen des Abscesses auf operativem Wege können 
sich dies*' Frauen sozusagen fast nie entschliessen. 

*) Auch nach Ipolyi (Ungarische Mythologie) ist die Staehys recta ein 
beliebtes Mittol gegen „bösen Blick“ oder Behexung. 


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50. Wunde Brustwarzen. 

Mit der volkstümlichen Behandlung der Mastitis deckt sich im 
Grossen und Ganzen die der Brustwarzenrisse, Excoriationen, Erosionen 
u. s. w. 

Im Gegensatz zu der modernen wissenschaftlichen Auflassung 
glaubt man, dass es gut sei, wenn das Kind an der wunden und 
ulcerösen Brustwarze so viel wie möglich saugt, denn um so sicherer 
und schneller heile dieselbe. 

Zur localen Behandlung der wunden Brustwarzen sind folgende 
Volksmittel in Gebrauch: Nussöl, gestossene Nüsse, in Fett oder Butter 
ausgebratene Nüsse, fettige Nussschalen, aus Haselholz gepresstes Oel, 
Baumöl oder eine Mischung von Baumöl und Wein, oder Oel und ge- 
löschtem Kalk, Milchrahm, aus Kalbsdärmen ausgebratenes Fett, un- 
gesalzenes, möglichst ranziges Schweinefett, ein Gemisch von Oel und 
Seife, Talg, saure Milch, welche man eventuell mit Speichel verrührt, 
frische Butter, eventuell Schafbutter. Lammsunschlitt oder Hirschtalg. 
Mau kocht auch Talgkerzen in Wein und legt sie auf die Brustwarzen, 
oder giebt mit Creme cöleste eingeschmierte Krautblätter auf die Brüste, 
oder schmiert dieselben mit Weinbeersalbe, verschiedenen von Quack- 
salberinnen zubereiteten Salben (welche diese meistens unter Be- 
schwörungen auf die Brustwarzen legen), Malvenmus, Pflaumenmus, 
Rosenhonig, frischen Paradiesäpfeln, Eigelb und Eiweiss, aus Gall- 
eichelpulver zubereiteter Salbe ein (Arad). Dann schmilzt man auch in 
einer Nussschale Wachs und legt es auf die Brustwarzen, schöpft der 
Suppe das Fett ab und schmiert dieselben damit ein u. s. w. 

Andere waschen die Brustwarzen mit einem Absud von Nuss- 
baum-, Fliedei'-, Erdbeer- oder Hollunderblättern, mit Petroleum, Brannt- 
wein, Rum, Alaunwasser. Zuckerwasser, oder legen einen schmutzigen, 
fettigen Lappen darauf, oder aber in Spiritus geweichte Lilienblätter 
(Hajduer Coinitat). 

Auch gegen Brustwarzenschrunden wird in Milch gekochte Semmel 
mit Safran oder mit einem Gemisch von Safran und Milchrahm 
gebraucht. 

Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die Waschungen mit dem 
Saft von Quittenkemen (Semen Cydoniae), sowie Branntweinumschläge. 
Fenier gebraucht man auch in Wein gekochte, pulverisirte Quittenkeme 
oder Unkraut (Mürmaroser Comitat). 

In einigen Gegenden legt man Rindermist mit Urin auf die 
Brüste ( Bekeser, Pester Coinitat) oder wäscht sie mit Fruchtwasser 


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(Bekeser Oomitat) (Hier mit dem ersten Badewasser des Kindes. (Hier 
man macht Urinumschläge oder bedeckt die Brüste mit einem Hasen- 
fell (Arvaer Oomitat 1 . 

Im Heveser Oomitat werden Irische Butter und gebratene Quitten 
und ungesalzenes Eiweiss (Hier in Ham getauchte Lappen mit Kupfer- 
vitriol enthaltendem Kahm und Alaunwasser, oder Spinngewebe mit 
Paprika und gestossenem Knoblauch vermengt aufgelegt, oder vom 
Koth des Kindes darauf gebujiden. Auch in der Umgebung von Ko- 
lozsvär ist das Meconium ein verbreitetes Hausmittel gegen diese 
Schrunden. 

Im Torontäler Oomitat werden drei Eier hartgesotten, durch ein 
Sieb durchgepresst und auf die Brüste gelegt, oder man Ixaleckt diese 
mit aus faulen Eiern bereiteter Mehlspeise. 

In der Muraköz lässt man ein älteres Kind an den Brustwarzen 
saugen. 

Im Grömörer Oomitat tropft man heissen Talg auf die Wunde 
und legt verschiedenerlei Kräuter darauf. 

Die Slowaken des Trencsener Oomitates waschen die Brustwarzen 
mit dem Absud von Agrimonia Eupatoria und bestreuen sie mit pulve- 
risirten wilden Majoran-Blättern (Origanum vulgare). 

Die Bulgaren (Temeser Oomitat) schmieren Nasenschleim auf die 
Brüste und bedecken diese mit der Schalenhaut von Erbsen. 

Im Csiker Oomitat schmiert man eine aus neun Erbsen, neun Ei- 
dottern und einem Iiöftel Wachs bereitete Salbe auf, oder bringt sie 
mit gehacktem Fleisch in Berührung und giebt dies dann den Vögeln 
zu fressen, oder lässt die Brustwarzen von grösseren Kindern lecken 
oder thut kupfervitriolhaltige alauuige Butter oder Lammsunschlitt darauf. 

Im Torontäler Oomitat wird Creme cöleste. Oacaobutter oder Mu- 
cilago sem. Cydon. verwendet, oder man lässt an den wunden Brust- 
warzen zahnlose, blinde junge Hunde saugen. 

Im Bekeser Oomitat streut man auf die Brustwarzen gestossene 
Quittenkerne oder pulverisirte Weinstockpilze, («ler schmiert sie mit 
Bleiweisssalbe ein. 

Im Bäcser Oomitat verwendet man mit dem Urin eines kleinen 
Knaben zu einem Brei gerührte, gestossene Quittenkerne; im Kis- 
Küküllöer Oomitat Rahmmehlspeise. Im Barser Oomitat legt man 
Rosenblätter auf die Brüste oder macht Essigumschläge darauf, oder be- 
streut sie mit Cigarrenasche und schmiert ein Gemengsel von Alaun, 
Kupfervitriol und Schweinefett darauf. 


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In Ugocsa streicht die Mutter Speichel auf ihre Brustwarzen, oder 
wäscht sie mit Milch ab und thut in Branntwein aufgeweichte Tabak- 
blätter darauf. 

Schliesslich ist zu erwähnen, dass man an vielen Orten ziemlich 
rationell Brustwarzenschoner anwendet, u. A. halbe Nussschalen (Pester, 
.Täszer, Bacser, Bekeser, Komäromer, Zalaer Comitat), die gewöhnlich mit 
weissem oder gelbem Wachs oder Butter gefüllt werden. Im Abaujer Co- 
mitat thut man Baumwolle in Nussschalen, giesst Weingeist darauf und 
bedeckt so die Brustwarzen damit. An einigen Orten legt die Stillende 
auf die wunden Brustwarzen Gaze und lässt das Kind nur so trinken. 
Im Bekeser Comitat legt man auf die Brustwarzen eine ,, Groschen- 
pfeife" und lässt die Milch so aus der Brust saugen. 


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VIII. Das neugeborene Kind. 

51. Behandlung: der Nabelschnur. 

Beim Abnabeln des Kindes, welches fast überall mit Zwirn, 
Bindfaden. Hanffaden (Ugocsaer Comitat) oder mit Speichel be- 
schmiertem Garn (Männaroser Comitat) geschieht, wird unser In- 
teresse hauptsächlich durch zwei Dinge erweckt Einmal verdient der 
Umstand Beachtung, dass man die Nabelschnur möglichst nahe am 
Bauch, ganz bei ihrer Wurzel unterbindet (zuweilen schont man dabei 
auch die Bauchhaut nicht!), „damit das Kind keinen höckerigen (bucke- 
ligen) Nabel bekomme“. Mit der gebräuchlichen und vorgeschriebenen Un- 
terbindungsart der Hebammen ist man nicht zufrieden. Oft unterbindet 
man nach dem Weggang der Hebamme die Nabelschnur ein zweites 
Mal, und zwar näher zur Bauch wand. Dass ein solches Verfahren oft 
eine Entzündung des Nabels oder einen Nabelbruch zur Folge hat, 
kann nicht Wunder nehmen. 

Der andere bemerkenswerthe Umstand ist der, dass man vor der 
Unterbindung der Nabelschnur möglichst viel Blut aus derselben fliessen 
lässt, in dem Glauben, dass, wenn man nicht genug Blut aus dem Kind 
rinnen lässt, dieses übermässig viel und unreines Blut haben, voller 
Eiterbeulen und von häufigen Bauchschmerzen geplagt, ja davon eventuell 
sogar ersticken wird. Das sich aus dem Nabel ergiessende Blut hält 
man übrigens für „bös“. Darum lässt man das Kind längere Zeit 
bluten und unterbindet nur spät die Nabelschnur, oder thut dies wohl 
rechtzeitig, löst aber den Verband im Bade wieder und presst von 
dem Blute ins Wasser, oder man unterbindet die Nabelschnur über- 
haupt nicht (Rumänen des Bekeser Comitates). 

Besonders bei Asphyxia livida legt man auf diese Blutentziehung 
grosses Gewicht. 

Das Abschneiden geschieht in den meisten Gegenden auf die ge- 
wölmliche Weise mit der Scheere, an vielen Orten jedoch mit einem 
(grösstentheils schmutzigen) Messer. 


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Die Rumänen des Torontäler Comitates durchschneiden die Nabel- 
schnur erst mich Stunden. Winl das Kind z. B. des Abends geboren, 
so lässt man bis zum nächsten Morgen die Nabelschnur undurchschnitten 
und das Kind ungebadet liegen. 

In Denta (Temeser Comitat) legt man die Nabelschnur auf ein 
Stück Holz und durchsclmeidet sie mit einem Beilhieb. Auch im Szat- 
mürer Comitat thut man dies entweder mit einer Sichel oder mit 
einem Beil. 

Den Nabelschnurrest pflegt man nicht in der vorgeschriebenen 
Weise an den Körper zu binden (faschen), sondern thut dies gewöhn- 
lich überhaupt nicht Nur die Hände werden fest an den Leib ge- 
bunden, entweder mit einer Fasche oder mit Kleidungsstücken, IJnter- 
hosenstücken (besonders bei Knaben) oder einem Stück Leinwand von 
der Schürze der Mutter (bei Mädchen). 

Im Hiiromszeker Comitat wird auf den Nabel nach Abfallen der 
Nabelschnur ein Fetzen gelegt, auf welchen man ein Gemengsel von 
der Asche eines verbrannten Stück Zeuges und dem Nasenschleim der 
Hebamme geschmiert hat. 

Im Csiker Comitat bestreicht man den Nabel mit Speichel und 
Nasenschleim, oder schneuzt nur von letzterem darauf 

Den Nabelschnurrest hebt ‘man in der Regel sieben Jahre lang 
auf und lässt dann den Knoten von dem Kinde lösen. Gelingt ihm 
dies, so wird aus ihm. weim es ein Knabe ist, ein tüchtiger Mann 
werden oder, wenn es ein Mädchen ist, wird es ausgezeichnet weben 
und nähen können. 

Bei den Matyös des Borsoder Comitates glaubt man ausserdem, 
dass das Kind, so lange der „Nabel“ (Nabelschnurrest) nicht abgefallen 
ist, nicht ersticken kann, selbst unter dem Deckbett nicht, und dass 
Denjenigen, der den Nabelsclmurrest in seinen Anzug eingenäht bei 
sich trägt, im Kampfe keine Kugel und keine Waffe verwunden kann. 

52. Baden der Kinder. 

An vielen Orten beschmiert man das Kind nach der Geburt, beson- 
ders an den Händen und Füssen, mit Blut und legt es bis zur Ent- 
fernung der Placenta auf die Erde unter den Tisch. 

Dem ersten Bade des Kindes misst man eine grosse Bedeutung 
für das ganze Leben bei. Deshalb thut man auch die verschiedensten 
Gegenstände in das Bad, wie z. B. Gänsefedern, damit sein Leben ein 
sorgenloses sei; Geld, damit aus ihm ein reicher Mensch werde; bei 


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den Slowaken Mehl, Fett, Linsen. Bohnen u. s. w., damit es nicht 
schwindsüchtig werde (Fester Comitat). Auch Milch giesst inan ins 
Barlewasser, damit das Kind eine schöne weisse Haut bekomme und 
damit es „immer so gut schlafe wie die Milch“. 

Im Ungarischen wird nämlich das Gerinnen (der Milch) und das 
Schlafen mit demselben Wort (aludni) ausgedrückt, und ein ungarisches 
Sprichwort sagt auch von einem festen Schläfer: alszik, mint a tej 
(schläft wie die Milch). 

Im Somogyer Comitat wird mit derselben Motivining das Bade- 
wasser in einem Milchtopfe gewärmt. 

An der dalmatinischen Küste badet man nur die Mädchen in 
Wasser, während die Knaben mit lauem Wein abgewaschen werden, 
damit ihnen, wenn sie erwachsen sind, der Wein nicht schade. 

Im Männaroser Comitat tliut man in das erste Barl ein Ei (bei 
den Juden) oder Geld, Milch und Brod (bei den Bauern) oder einen 
Besen. Anderwärts Kohlen, einen Schemelfuss, Lindenblütlien und 
Weihwasser; ein wenig Brei und Kürbiskeme (Kalotaszeg), bei einem 
Mädchen eine Nadel, damit es gut nähen lerne, bei einem Knaben 
eine Axt, einen Bohrer und ein Beil, damit er als Erwachsener ein 
guter und geschickter Arbeiter werde, und Nüsse, damit er runde, höchstens 
nussgrosse Hoden habe (gegen Hydrocele). 

Seife thut man nicht ins Wasser, denn diese schade den Augen. 

Die Knaben badet man in einem Frauenhemd, damit sie als Er- 
wachsene den Weibern gefallen, und die Mädchen in einer Unterhose, 
damit sie einst viele Freier haben mögen. Aus diesem Grunde wickelt 
man die Kinder auch nach den» Bade in die entsprechenden Kleidungs- 
stücke ein. 

Anderwärts badet man das Kind in einer Küchenschürze. 

Zum Bade nimmt man viel Wasser, damit das Kind recht lange 
lebe. Andere wiederum baden es nur mit ungefähr einem halben Liter 
Wasser (in welches man auch ein wenig Muttermilch tropft), damit aus 
ihm „kein Vielfrass werde“. 

In Szabadka darf das Kind nicht in Regenwasser gebadet werden, 
denn sonst wird es Ohrenfluss bekommen; das erste Bad wird dort 
übrigens oft erst an dem der Geburt folgenden Tage gegeben. 

An mehreren Orten wird ein solches (kaltes) Wasser verwendet, 
in welchem man vorher einer Gans die Füsse gewaschen hat oder eine 
Gans herumlaufen liess, damit das Kind nicht ..frostig“ (empfindlich 
gegen Kälte) sei (keine Gänsehaut bekomme). 


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Nach (1er Geburt badet inan das Kind auch zweimal hinter- 
einander und reibt es im Wasser tüchtig ab, weil es eine wunde, 
grindige, unreine Haut haben würde, wenn man „ihm die Heidenhaut 
nicht herunterriebe“. 

In Kolozsvar giebt man neun Xüsse ins Badewasser, badet 
das Kind dreimal und nimmt bei jedem Bad drei Nüsse aus dem 
Wasser. 

Nach dem Bad wird das Kind gewöhnlich ordentlich mit Oel 
oder Butter eingeschmiert. Im Nögräder Comitat schmiert man 
die Hände und Füsse deshalb mit Gänsefett ein, damit sie nicht er- 
frieren mögen. 

Den Kopf drückt man dem Kinde, wenn er länglich ist, zu- 
sammen, „drückt ihn rund“, die Nase zieht man ihm. wenn sie platt 
ist, lang und die Ohren bindet man ihm nach hinten. 

Befindet sich das neugeborene Kind schon im Wickelpolster, so 
legt man, wenn es ein Knabe ist, ein Buch hin, damit ein kluger 
Mensch aus ihm werde, ferner Papier, damit er gut lerne, einen Bohrer, 
ein Stemmeisen oder anderes Werkzeug, damit er ein tüchtiger Hand- 
werker werde. Einem Mädchen giebt man eine Nähnadel, damit es 
gut nähe, bedeckt es mit einem Sieb, damit es schamhaftig sei (Gömörer 
Comitat), küsst ihm die Augen, damit es einst viel umworben sei. legt es 
(unter dem Tisch) auf einen Suba (ungarischer Pelz), damit es krauses 
Haar bekomme, und schmiert ihm — dies thut man auch liei einem 
Knallen — die Geschlechtstheile mit Honig ein. dass sich diese einst 
grosser Beliebtheit erfreuen mögen. 

Viele legen das Kind noch vor dem Bade unter den Tisch auf einen 
Suba und legen noch ein Buch oder ein Stück Brod dazu. Unter 
den Tisch wird das Kind auch deshalb gelegt, damit es immer von 
unterwürfiger Art sei. Andere wieder meinen, dass deshalb, damit es 
sich an die Kälte der Erde gewöhne, liezw. damit ihm diese später 
nicht schade. Einige legen das Kind in einer Schürze auf die „kalte 
Erde“ (Komäromer Comitat). 

Die Zigeuner glauben, dass die Erde dem Kinde Kraft verleihe 
und legen deshalb den Säugling so oft es donnert (?) auf die Erde, 
damit es „wachse und kräftig werde“ (v. Wlislocki). 

Bei den Soküczen berührt der Vater mit der Hand die Sohlen 
des Kindes, damit dassellie sein ganzes Leben lang auf geraden, ehr- 
lichen Pfaden wandele. In Bereg und Monostorszeg pflegte man das 

TemeavUry*, Volkabränche. 9 


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1 HO 


neugeborene Kind in früheren Zeiten durch einen Eisenreiten hindurch- 
zuziehen, damit es recht stark weide. Bei den Sokäczen ist es auch 
Sitte, in das Badewasser, bevor man es ausschüttet, drei Stück Kohlen 
zu werfen. 

Bei den Slowaken wird sechs Wochen lang über das Bad des 
Kindes stets ein Kreuz gemacht, damit es von dem Teufel nicht aus- 
getauscht werde. Am Ende der sechsten Woche wird das Kind mit 
ungesalzener Butter gut abgerieben, damit die Würmer der Krankheiten 
herausgelockt werden. 

53. Lagerstätte der Kiuder. 

Das neugeborene Kind legt man. sobald es gebadet und in ein 
Polster eingewickelt lesp. angezogen ist, fast überall neben die Mutter. 
Auch dort, wo das Kind später eine Wiege oder ein eigenes Bett bekommt, 
legt man es bis zur Taufe aus dem bereits erwähnten Grunde nicht in diese, 
damit die 1 lösen Geister den „kleinen Heiden“ nicht austauscheil. lieber das 



Fig. 2. Ungarische Hiingcwiege aus Leinwand. NügrAder Ccmitat.. 

(Pnlöczen.) 

getaufte Kind haben diese keine Gewalt mehr. Im Csongräder Comitat 
streut man eine Hand voll Stroh auf ein Brett und legt den Säugling auf 
diesem neben die Mutter. Nach der Taufe legt man das Kind entweder 
in eine Wiege oder einen Trog oder einen kleinen Wagen. In manchen 
Gegenden hängt man an dem Balken quasi als Hängebett einen Korb 
oder eine Wiege auf damit man in demselben das Kind besser wiegen 


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Fig. 3. Walachischo Hängewiege. Marmaroser Comitat. 


könne (Gömörer, Marmaroser, Nögrader, Ugocsaer Comitat), oder 
man t «»festigt an zwei Balkennägeln ein Leintuch und legt den Säug- 
ling in dieses, damit ,,sich derselbe, wenn ihm Jemand einen kleinen 
Schuh giebt, eventuell auch eine Stunde lang schaukle“ (Gömörer 
Comitat). 



Fig. 4. Wa I acli isc li e Hängewiegc. Märmaroser Comitat. 


9* 


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Einige solcher Hängewiegen (im Ungarischen „rengö“ oder „ringd 
bölcsö“ — Schaukelwiege genannt) zeigen die vorstehenden Ab- 
bildungen*) (Fig, 2, 3. 4, 5 und 6). 



Fig. 7 zeigt eine „Kolyesz“ genannte Hängewiege mit ihrem zelt- 
artigen Gestell, das im Freien (z. B. während der Feldarbeiten) in der 
Erde befestigt wird. 


*) Hiimmtliche Abbildungen (mit Aufnahme von Fig. I) lies» ich nach 
Objecten des Budapester Ethnographischen Museums mit Bewilligung und 
gütiger Unterweisung des Herrn Gustos Dr. Johann Jankö und jdß» Herrn Viee- 
Custos Dr. Willibald Semayer, denen ich für ihre liebenswürdige Unterstützung 
auch au dieser Steile wärmsten Dank sage, anfertigen. 


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Fig. 8. Südslavischo Wiego mit Fassreifen. Baranyaer 
Comitat. (Sokäczon.) 


Die andere Art von Wiegen, die auf dem Boden gesehaukelt 
werden und die in Ungarn zumeist in Verwendung stehen (die Ungarn 
selbst verwenden auf dem Lande fast nur solche), werden „talpas 
bölcsö“ (= Wiege mit Fussgestell) genannt (Fig. 8, 9, 10 und 11). 



Fig. 9. Bulgarische Wiege. Temeser Comitat. 


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Ä' Mi muttma aias tnas mi 






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Fig. 11. Ungarische bunt bemalte Wiege. Erdtlly. (Kalotaszeg.) 


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54. Kleidung der Kinder. 

Auf eine eingehende Beschreibung der Kinderwäsche und -kleidung 
will ich mich nicht einlassen. Es ist allgemein bekannt, dass bei den 
besser Situirten die Kleidung des Säuglings aus einem Leinwandhemd- 
chen, einem gestrickten oder gehäkelten Leibchen, Leinwand- und Flanell- 
windeln, einem Bauchwickel (Fasche), einer Gummiunterlage, einem 
langen Kissen (Langpolster) und der leider noch immer ziemlich ver- 
breiteten Kopfhaube besteht. 

Bei der armen Volksklasse hüllt man den Säugling in den ernten 
Tagen und Wochen nur in Fetzen ein, zu welchem Zwecke man sich 
des zerlumptesten, schmutzigsten Zeuges bedient, das man nur hat. 
Bei Knaben gebraucht man dazu meistentheils alte ausgemusterte Män- 
ner-Unterhosen oder Männerhemden, bei Mädchen dagegen Frauen- 
hemdletzen. Man glaubt, dass das Mädchen, wenn man es in ein 
Männerhemd hüllt, einst zu sein - hinter den Männern her sein wird, 
während der Knabe, wenn man ihm Frauenwäsche auf den Leib giebt, 
als Erwachsener ein „grosser Weiberfreund“ sein wird. (S. oben!) 

Der Gebrauch frischer, reiner Weisswäsche ist im Anfang verpönt, 
denn man glaubt, dass, so lange dem Kinde die „Heidenhaut“ nicht 
vom Körper heruntergegangen ist. keine reine Weisswäsche verwendet 
werden darf. Deshalb zieht man dem Kinde an manchen Orten sechs 
bis sieben Wochen, ja sogar drei Monate lang kein Hemd oder irgend 
welche Weisswäsche an. 

Allgemein verbreitet ist auch die Sitte, das Kind sehr fest in das 
Polster einzuwickeln (oben von den Schultern angefangen bis hinunter 
zu den Knöcheln), damit es „nicht krumm werde“. Das Kind wird 
dabei so arg eingezwängt, dass es nur den Kopf zu bewegen vermag. 
Vielen Ortes nimmt man das Kind, auch wenn es noch so sein - weint 
und schreit, einen halben, ja sogar ganzen Tag nicht aus dem Wickel 
heraus. 

So lange der Nabelschnurrest nicht abgefallen ist, hält man das Kind 
sehr wann und hüllt es in ein Deckbett, Vor der Gefahr des Er- 
stickens flüchtet man sich, wie bereits erwähnt, bis zum Abfallen der 
Nabelschnur nicht. 

Im Somogyer Comitat wirft man das Hemd, bevor es dem Säug- 
ling auf den Leib gezogen wird, auf eine Katze, damit aus dem Kinde 
ein „guter Baumkletterer werde“. 

Die Rumänen des Torontüler Comitates bekleiden den Säugling 
mit einem viereckigen alten Stück Zeug, in welches man ein grosses 


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Loch schneidet, um es ihm so auf den Körper ziehen zu können. Dieses 
kragenförmige Kleidungsstück nennt man „Gurucza“. 

Die Sokäczen glauben, dass das Kind, wenn man ihm das erste 
Schuhwerk aus Wolfsleder verfertigt oder in dasselbe wenigstens ein 
Stück Wollshaut thut, Zeit seines Lebens gesund und glücklich sein 
wird. Und wenn das erste Schuhwerk aus Schaf leder verfertigt 
wurde, so wird das Kind gutherzig und fromm sein. „Ein ausser- 
ordentlich guter Mensch wird aus dem Kinde“, wenn man an seinen 
Sohlen in der Zeit, wo es zu laufen beginnt, ein Messer wetzt, mit 
welchem Jemand ermordet wurde, denn auf diese Weise geht alles 
Böse und Schlechte, was das Kind in sich hat, auf das Messer über. 
Letzteres muss man darauf einige Male in die Erde stechen, damit 
diese das Böse in sich aufhehme (v. Wlislocki). 

Die im Anuler Comitat wohnenden deutschen Frauen binden ihr 
Kind bis zu dessen drittem Lebensjahr mit einem, ..Manteltuch“ ge- 
nannten, im Winter aus Barchent, im Sommer aus Leinwand verfer- 
tigten, zwei bis drei Meter langen Tuch lest an sich, in der Weise, 
dass sie dieses Kleidungsstück dem an ihre Brust gedrückten Kinde 
um seinen Körper schlingen. So bleiben ihnen die Hände zur Arbeit 
frei, und sie können mit ihrem Kinde ohne Mühe herumgehen und es 
überall entnehmen. 

Im Nögräder Comitat wird dem Kinde, damit es keinen Schaden 
nehme, das eiste Hemdchen erst nach einem Jahr angezogen. 

55. Circumcisiou. 

ln Ungarn wird die Circumcisiou bei den Juden noch fast allgemein 
geübt,'- und nur in Ausnahmefallen lassen jüdische Eltern ihre Söhne 
nicht beschneiden. Diese Operation wird von den Mohel’s (Beschneidern) 
ausgeführt, und möchte ich hier nur erwähnen, dass einige fortschritt- 
liche Gemeinden, darunter die Budapester Cultusgemeinde, sua sponte 
die Function ihrer Mohel’s unter ärztliche Controlle stellten, indem sie 
bei jedem derartigen Act die Anwesenheit eines Arztes fordern, der die 
regelrechte Ausführung der Operation zu bezeugen hat. Hier ist auch 
das Aussaugen der Wunde (Mezizah) verboten. In den altgläubigen 
(orthodoxen) Judengemeinden ist leider weder eine ärztliche Aulsicht 
obligat, noch ist die Mezizah abgeschafft, im Gegentheil, diese wird 
von ihnen als ein sine qua non der rituellen Circumcisiou angesehen 
und damit, von der häutig genug vorkommenden Sepsis abgesehen, 
unzähligen Kindern Lues und Tuberculose eingeimpft. In den tbrt- 


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schriftlichen Gemeinden wird zumeist, wie aus dem Vorhergegangenen er- 
sichtlich, schon wegen der ärztlichen Aufsicht genug aseptisch und antisep- 
tisch vorgegangen. Das Abschneiden der Vorhaut (Milah) wird zumeist mit 
einem speciellen Messer (langes zweischneidiges, oben abgerundetes Messer) 
frei zwischen der Glans und den das Präputium hervorziehenden Fingern 
ausgeführt; manche verwenden aus Vorsicht ein mit einem Schlitz versehe- 
nes Instrument Das Lösen der inneren Präputialhaut (Periah) geschieht 
gewöhnlich mit den Nägeln und nur ausnahmsweise mit Scheere und Sonde. 

Vor etwa 15 — 20 Jahren liefasstcn sich auch einige Aerzte mit 
der Ausfiilunng der (rituellen) Circumcision, gaben dies jedoch aus 
Mangel an moralischen und materiellen Erfolgen (wegen der unwürdi- 
gen Coneurrenz) bald wieder auf.*) 

56. Kinderkrankheiten. 

Hinsichtlich der Kinderkrankheiten habe ich l)ereits erwähnt dass 
man dieselben meistentheils auf Behexung. Beschreiung mul den bösen 
Blick zurückführt. Dementsprechend behandelt man sie denn auch. 

Zur Vermeidung von Augenentzündungen oder im Falle des 
Auftretens solcher, oder bei „triefigen“ Augen ist bei neugeborenen 
Kindern das Hauptmittel die Muttermilch, welche man Heissig in die 
Augen des Säuglings spritzt Für besonders geeignet wird das Colostrum 
gehalten. Im Somogver Com i tat wird Muttermilch mit Obstessig ge- 
kocht und weiden damit Umschläge auf die Augen gemacht 

In manchen Gegenden wäscht man dem Kinde die Augen mit 
Urin aus oder legt einen in Urin getauchten Lappen darauf, was wegen 
der Infectionsfähigkeit der Lochien sicherlich kein unschädliches Ver- 
fahren ist; man legt auch einen in Urin getränkten Lappen auf die 
grosse Fontmellgegend oder die Stirn des Kindes. Auch Kinderurin 
wird zu diesen Manipulationen verwendet; das Auslecken der Augen 
ist ebenfalls ein viel angewandtes Augcnmittel. 

In Kakucs (Pester Comitat) trocknet die Mutter dem Kinde die 
Augen jeden Morgen mit ihrer Hochzeitsschürze ab. 

Grösseren Kindern durchsticht mau bekanntlich gegen Augenleiden 
die Ohren mit kleinen Ohrringen. 

Vor zu starkem Licht werden die Augen des Kindes wohl in 

*) In allerjüngster Zeit (während der Drucklegung dieser Arbeit) gab das 
kg), ung. Ministerium des Innern eine die Circumcision regelnde Verordnung 
heraus, die unter Anderem die Anwesenheit eines Arztes, sowie aseptische und 
nntiseptische Massnahmen fordert und das Aussaugen der "Wunde verbietet. 


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etwas ültertriebener Weise geschützt. Es darf' sich Niemand hinter daa 
Kind stellen, denn sonst blickt es nach hinten und wird schielen. 

Schädliche, ja verhängnissvolle Folgen hat jener Volksglaube, dass 
es gut ist, wenn die Augen eitern, denn davon reinigen sich dieselben. 
Auch sagt man: „Wenn die Augen triefen, so reinigt sich der Kopf“. 

Bei Ekzem des Gesichts („Vierziger“) tragen die Ruthenen des 
Ugocsaer Comitates das Kind bei Morgengrauen zur Theiss und waschen 
ihm dort das Gesicht mit von einem Mühlrad heruntertropfenden Wasser. 
Bei Ekzem an anderen lvörpertheilen gehen sie mit dem Kinde ins 
Schlachthaus und hüllen die grindigen Theile in das uoch warme Fell 
eines frisch geschlachteten Rindes. 

Im Säroser Comitat wird längsgeschnittene Apfelbaumrinde in 
Butter oder Sahne geröstet und auf die betreffenden Körpertheile gelegt 

Damit die Haut des Kindes nicht wund werde, nimmt man das- 
selbe im Barser Comitat nach dem Einläuten („Vacka“) aus dem Polster 
und bläst ihm unter die Achselhöhlen. Auch Fensterschweiss ist ein 
beliebtes Mittel gegen die verschiedensten Gesichtsausschläge. 

Gegen Gelbsucht bindet man allerlei gelbe Gegenstände (Gold- 
oder Messingringe, Goldketten, Bernstein u. s. w.) in die Windeln, oder 
hängt dem Kinde eine gelbe Schnur, Bernsteinschnur um den Hals etc,, 
i »der giebt dem Kinde von einem Goldring zum Abtrinken. All dies geschieht 
in dem Glauben, dass diese Gegenstände die gellje Farbe an sich ziehen. 

Kinder mit Hydrocephalus werden im Bdcser Comitat auf eine 
Backschaufel gesetzt und in den stark geheizten Backofen halb hinein- 
geschoben (!) mul dann rasch zurückgezogen, damit die Hexe den 
,, Wechselbalg“ zurücktausche. 

Bekannt ist die grosse Wichtigkeit, die dem Zahnen der Kinder 
1 (eigelegt wird; Banchgrimmen, Diarrhoe. Erbrechen. Fieber, Eklamp- 
sie u. s. w. werden nur als unschuldige Begleiterscheinungen des Zahnens 
• angesehen, gegen die dem Volksglauben nach nichts zu thun ist und 
die von selbst wieder schwinden. Viele Tausende von Kindern fallen 
jährlich diesem einen Aberglauben zum Opfer. 

Faule Mundwinkel werden mit Ohrenschmalz eingeschmiert oder 
mit einem Katzenschwanz abgewischt, oder es wird dem betreffenden 
Kinde ein eben benutzter Pferdezaum in den Mund gegeben. 

Gegen Scrophulose und namentlich Drüsenentzündungen werden 
Abbetungen, Beschwörungen vorgenommen und das Kind mit einem 
Katzenschwanz, mit Taubenmist und Menschenkoth (auf glühende 
Kohlen gegeben) geräuchert. 


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Die Behandlung der Retropharyngealabscesse. der sogenannten 
„Halszähne“, ruht in manchen Gegenden ganz in den Händen einiger 
alten Kurpfuscherinnen, die mit ihren schmutzigen Nägeln diese Al>- 
scesse öffnen, was vielleicht von geringerem Schaden ist, als jener Um- 
stand. dass diese Weil kt auch dort solche Abscesse öffiien wollen, wo 
keine sind (Croup. Diphtheritis) und damit, abgesehen von der so ver- 
absäumten ärztlichen Hilfe, den Kleinen mit ihren rohen Manipulationen 
auch directen Schaden zufügen. 

Gegen Eklampsie glaubt man das Kind so zu schützen, dass die 
Kleider, in denen es den ersten Anfall hatte, über sechs Raine getragen 
und dort begraben werden. Im Säroser Comitat wird d.as Hemdehen 
sofort zerrissen und lad Morgenanbruch, ehe der Hahn kräht, im Fried- 
hof auf ein Kreuz gehängt. 

Der Kopfgrind wird liekanntlich als eine sehr gesunde Erschei- 
nung angesehen, und die „Unterdrückung“ desselben für gefährlich 
gehalten. 

Ha u eh k rümpfe. Bauchgrimmen, werden ausser mit dem Besclirieen- 
wordensein auch so erklärt (z. B. im ßäcser Comitat), dass „die Sonne 
auf der Windel des Kindes untergegangen ist“. Es werden gegen die- 
sellien Räucherungen mit verschiedenen Haaren vorgenommen. 

Gegen Darinkatarrh sind im Hajduer Comitat „Windpogat- 
scherln“ (Pfeftermünzzucker) ein verbreitetes Volksmittel. 

Wenn sich l>ei dem Kinde die Fiisse nach einwärts biegen (PesvarusJ. 
so wird dies auf ein „Versehen“ der Mutter zurückgeführt. In einem solchen 
Falle muss diese sich mit dem Kinde jeden Dienstag und Freitag auf 
die Tliüreeh welle setzen, ausspucken und sagen: „Ei, ei, du Hundsfott, 
gieb es zurück“ (Häromszeker Comitat). 

Es giebt noch eine Menge in ganz Ungarn florirender, abergläubi- 
scher Gebräuche, welche darauf abzieleu, dem Kinde ein glückliches, 
gesundes und langes 1 /‘Im'ii und im Falle einer Erkrankung baldige- 
Genesung zu gewährleisten, doch will ich auf dieselben, eitenso wie auf 
die verschiedenen liei der Taufe herrschenden Gebräuche, nicht weiter 
eingehen, da sie vom eigentlichen Gegenstände vorliegender Arl>eit 
zu sehr abschweifen. 

Zu allem Anderen nimmt man seine Zuflucht eher, als zu ärzt- 
licher Hilfe. Von dieser wollen die Leute gewöhnlich erst im aller- 
letzten Stadium der Krankheit und auch dann nur darum etwas wissen, 
weil sie sich vor der Strafe fürchten, die auf sie warten würde, wenn 
ihr Kind ohne ärztliche Hilfe sterben sollte. — 


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57. Kinderlaufstiihle. 

Zum Schlüsse möchte ich noch einige, weniger vom iir/.tlichen als 
vom ethnographischen Standpunkt interessante Gängelwagen «Hier Kinder- 
laufstühle (im Ungarischen ..gyeiekjaröszt'k' 1 = Kindergehstuhl genannt) 
vorstellen. 

Fig. 12 stellt einen 
(nicht schiebharen) primi- 
tiven Kinderstuhl, Fig. 13 
ein wohl schiebhares. je- 
doch von dem Kinde 
nur zum Stehen, und 
nicht zum Gehen benutz- 
bares K i nderti sehche i \ 

(mit einer schiisselförmi- 
gen Aushöhlung für die 
Speisen) dar. Fig- 14 Fig. 12. Ungarischer Kinderstuhl 
und 15 geben eigentliche Hsiromszeker ('omitat. (Szdklcr ) 

Kinderlaufstühle wieder, 

während endlich Fig, 16 einen um eine am Boden und an der Decke 

befestigte Stange 
drehbaren Ring 
darstellt, in wel- 
chem das Kind 
(um che senkrechte 
Stenge herum) ge- 
hen lernt Es ist 
dies ein sogenann- 
tes „gyerekforgd“ 
(= Kinderdrebe). 


Fig. 13. Ungarischer Kindorstehstuhl. 
Hrdely. (Kalotaszce,) 




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Fig. 15. Ungarischer Gänge! wagen. 
Httromszekor Comitat. (Szekler.) 


Fig. 1(>. Caroussel- 
artiger ungarischer 
Kinderlaufapparat. 
Nbgräder Comitat. 
(Palöcsen.) 


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Literatur 


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Veres Sainu. A nep hajdani orvosi tudomänya. (Das ehe talige medi- 
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— Zur Volkskunde der transsylvanischen Zigeuner. Idem Heft 12. Ham- 
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Mittheil, aus Ungarn. III. 1894. 36. 

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— Adalekok a gyermekekröl valö magyar nephit, hez. (Beiträge zum un- 
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das Ei im ungarischen Volksglauben.) Ethnographia VI. 1895. 208 — 209. 

— Nyäl es köpes a magyar nepeletben. (Der Speichel und das Ausspucken 
im ungarischen Volksleben.) Ethnographia VII. 1896. 460 — 465. 

— A kalotaszegi nephit köriSböl. (Aus dem Gebiete des Kalotaszeger 
Volksglaubens.) Ethnographia III. 1892. 363. 

Zelizy Daniel. Debroczen sz. k. väros egyetemes lciräsn. (Die allgemeine 
Beschreibung der König! Freistadt Debreczen.) Debreczeu 1882. 


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Text des vom Autor versandten Fragebogens. 


1. Name und Wohnort dos Einsenders. 

2. Welchen Nationalitäten und Religionen gehören die Frauen an, auf die sich 

die folgenden Daten beziehen? 

3. Was für fromme Gebräuche, Aberglauben und Ceremonien giebt es während 

der Periode (Menstruation), namentlich während der ersten Periode ? 

4. Was thun die Frauen, wenn sie unfruchtbar sind und Kinder haben möchten? 
ö. Was thun die Frauen, um keino Kinder zu haben? 

6. Wie glauben die Frauen während der Schwangerschaft zu wissen, ob das 

Kind ein Knabe oder ein Mädchen sein wird? 

7. Was thun die Frauen gegen die Schwangerschaftsflcckon (Leberflecken)? 

8. Was thun die Frauen, um einen Knaben zu bekommen? 

9. Was für Mittel, Speisen, Getränke u. s. w. gemessen sie während der Schwanger- 

schaft z. B. gegen Erbrechen u. s. w.? 

10. Was thun die Frauen gegen das Beschreien, Berufen der Kinder, den 

„bösen Blick“? 

11. Wie nähren und wie kleiden sich die Schwangeren? 

12. Was thun sie, um nicht zu abortiren? 

13. Glauben die Frauen an das Versehen und was thun sie dagegen? 

14. Was fiir Vorbereitungen treffen sie für die Geburt? Giebt es besondere 

Gewohnheiten oder Einrichtungen für das Gebärzimmer und das Ge- 
bärbett? 

15. In welcher Lage entbinden die Frauen? und wo? auf der Erde, im Bette 

oder auf einem Stuhl? 

16. ln was für Kleidung entbinden die Frauen? 

17. Was thun sie gegen zu schmerzhafte Geburtswehen ? 

18. Was thun sie zur Beschleunigung der Geburt? 

19. Was für Aberglauben giebt es während des Entbindens? 

TemiiTtry, Volkibriucho. 10 


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20. Was für Hausmittel u. s. w. werden gegen Blutungen während der Schwanger- 

schaft, Geburt und des Wochenbettes angewendot? 

21. Wie wird die Nachgeburtsperiode behandelt? 

22. Was thun die Frauen, um keinen Hängebauch zu behalten? 

23. Wie lango liegen die Frauen gewöhnlich im Wochenbett? 

24. Welche Aberglauben, Ceremonien u. s. w. giebt es gegen „böse Geister“? 

25. Was essen und trinken die Frauen im Wochenbett? 

26. Was thun die Frauen gegeu Urinbeschwerden? 

27. Wann baden die Frauen zuerst nach der Geburt? 

28. Wann verlassen sie zuerst das Zimmer? wann das Haus? 

29. Welche Gebräuche u. s. w. herrschen bei Behandlung des Neugeborenen, wie 

Abbinden des Nabels, erstes Bad, Einfaschen, sowie als Schutz gegen 
Augenfluss u. s. w. ? 

30. Aus was besteht die erste Kleidung des Kindes? 

31. Wohin wird das Neugeborene gelegt? In’s Bett, in die Wiege oder wohin? 

32. Wie sind die Frnuenbrüste gewöhnlich entwickelt? 

33. Können und wollen die Frauen selbst stillen? 

34. Am wievielten Tage fangen die Frauen an zu stillen? 

36. Halten die Frauen die Vormilch (Hexenmilch, Colostrum) für gefährlich? 
Warum? 

36. Wieviel Monate stillen die Frauen gewöhnlich? 

37. Wie oft stillen sie täglich? 

38. Was für Speisen, Getränke und Hausmittel gebrauchen sie, um mehr Milch 

zu bekommen? 

39. Was für Warzenschützer und Saugflascheu werden gebraucht? 

40. Werden die Brüste während der Schwangerschaft gopflegt, und wie? 

41. Was für Mittel werden gebraucht, um bei Entwöhnung des Kindes die Milch 

zu verlieren? 

42. Was gebrauchen die Frauen gegen AVarzenwunden, Brustentzündung, sowie 

gegeu Kindbettficber (Wochenfieber)? 

43. Giebt es sonst noch abergläubische Bräuche in der Geburtshilfe und der 

Pflege des Neugeborenen? 


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Einige Comitats-, Insel- und Städtenamen, 


Abaujer Oomitat eigentlich Abauj-Tornaer Cumitat. 

Alsö-Feherer Comitat = Untcr-Weissenburger Gomitat. 

Bacser Comitat, eigentlich Bäcs-Bodroger Comitat. 

Braasöer Comitat — Kronstädter Comitat. 

Csallököz = Insel Schütt. 

Eger = Erlau (Heveser Comitat). 

Erdely = Siebenbürgen. 

Esztergomor Comitat = Graner Comitat. 

Feherer Comitat = Weissenburger Comitat. 

Hetfalu = Sicbendorf bei BrassO (Kronstadt). 

Jäszer Comitat eigentlich Jäsz-Nagykün-Szolnoker Comitat. 

Kolozsvär — Klausenburg. 

Komäromer Comitat — Komonier Comitat. 

Küküllöer Comitat — Kokelbnrgcr Comitat (Kis- — Klein-; Nagy- = Gross-). 
Liptöer Comitat = Liptauer Comitat. 

Mosoner Comitat — Wieselburger Comitat. 

Muraköz = Mur-Au. 

Nagy-Szoben — Hermannstadt. 

Nyitraer Comitat = Neutraer Cumitat. 

Pester Comitat eigentlich Pest-Pilis-Solt-Kisküner Comitat. 

Pozsonyer Comitat — Pressburger Comitat. 

Soproner Comitat = Oedenburger Comitat. 

Szabadka = Maria-Theresiopel. 

Szeged = Szegedin. 

Szepeser Comitat — Zipser Comitat. 

Torda = Thoronburg. 

Tordaer Comitat eigentlich Torda-Aranyoser Comitat. 

Yaser Comitat — Eisenburger Comitat. 

Zölyom = Altsohl. 

Zblyomer Comitat = Sohler Comitat. 


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Der Lautwerth der ungarischen Buchstaben 


Cz entspricht dom deutschen z; z. B. Palöcz spr. Pälohz. 

Cs „ „ „ tsch; z. B. CsongrAd spr. Tschongrad. 

gy „ „ „ dj; z. B. Magyar spr. MSdjSr. 

ly „ „ „ lj; z. B. Erdely spr. Ärdelj. 

ny n „ „ nj ; z. B. Nyitra spr Njiträ. 

s n n n sch j z. B. Sopron spr. Schopron. 

sz n „ „ scharfen ss; z. B. Szabolcs spr. SsAboltsch. 

ty „ „ „ tj ; z. B. Matyrt spr. Mätjoh. 

z „ „ „ gelinden s (sauer); z. B. Zala spr. Sftlft. 

zs „ „ französischen j (jour) ; z. B. Kolozs spr. wie im Franz. Caulaujc. 

Die Aussprache der übrigen Buchstaben entspricht ganz der deutschen. 
Die mit Dehnungszeichen versehenen Vokale (A, e, f, 6, ü) werden gedehnt ge- 
sprochen; das kurze e wird wie das deutsche ä, das lange 6 wird wie e (eh), das 
kurze a wird wie ein Mittellaut zwischen a und o (ä), das lange & wie a (ah) ; 1, ö, 
ü werden wie die entsprechenden i, o, u, jedoch gedehnt ausgesprochen. 


Druck von H. Klöppel, Gornrode (Harz). 


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